Schweiz
Energie

gfs-Umfrage zur Energiepolitik: Stromversorgung ist am wichtigsten

Im Einklang mit der Energiestrategie des Bundes produzieren Schweizer Wasserkraftwerke mehr Strom. (Symbolbild)
Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung will erneuerbare Energien. Noch mehr aber wollen sie, dass es in der Schweiz keine Stromlücken gibt. Bild: KEYSTONE

Eine grosse Mehrheit will erneuerbare Energie – doch es gibt ein «aber»

Die meisten Schweizer finden den Ausbau erneuerbarer Energien richtig und wichtig. Doch noch wichtiger ist ihnen, dass es in der Schweiz genügend Strom gibt. Dafür nehmen sie Abstriche beim Klimaschutz in Kauf.
31.05.2022, 18:0503.10.2022, 09:25
Mehr «Schweiz»

Vor ziemlich genau fünf Jahren stimmten die Schweizer Stimmberechtigten der Energiestrategie 2050 und damit dem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie mit 58 Prozent zu. Im Sommer vor drei Jahren beschloss der Bundesrat zudem, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden soll.

Nach und nach soll aus den fossilen Energien ausgestiegen und die erneuerbaren ausgebaut werden. Und zwar zu Genüge. Denn der Gesamtstromverbrauch wird deutlich zunehmen, wenn die fossilen Energien durch Elektrizität abgelöst werden. Doch genau hier liegt der Hund begraben, denn: Der Markt bringt bisher keine Anreize für die notwendigen Investitionen in Produktions- und Netzanlagen. Regulatorische Hindernisse wie das Raumplanungsgesetz, der Landwirtschaftsschutz oder ökologische Auflagen verhindern den Ausbau der erneuerbaren Energieinfrastruktur. Auch der Krieg in der Ukraine verhindert die Beschleunigung der Elektrifizierung für das Klima.

Das heisst also, dass einerseits die Energiestrategie 2050 nicht wirklich zum Fliegen kommt, andererseits die Stromversorgung in der Schweiz langsam, aber sicher ein Problem werden könnte. Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie des Bundesrates. Wenig hilfreich ist, dass die Schweiz derzeit kein Stromabkommen mit der EU hat.

Die Stromversorgungssicherheit ist darum zu einem Schlüsselthema avanciert. Das bestätigt nun auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts gfs.bern. Im Auftrag des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen wurden 1016 Stimmberechtigte zur Schweizer Energiepolitik befragt. Das sind die wichtigsten Ergebnisse:

Grosse Mehrheit spricht sich für erneuerbare Energien aus

  • 83 Prozent finden, mit der Förderung erneuerbarer Energien kann die Energie-Abhängigkeit vom Ausland bekämpft werden.
  • 77 Prozent wollen die Abhängigkeit von fossilen Energien aus nicht-demokratischen Ländern stoppen.
  • 69 Prozent denken, erneuerbare Energie reicht bei Weitem nicht, um den Strombedarf der Schweiz zu decken.
  • 68 Prozent sind der Meinung, dass ohne sofortigen Umstieg auf erneuerbare Energiequellen die Klimakatastrophe nicht mehr abzuwenden ist.
ARCHIVBILD ZUR MELDUNG, DASS DAS AKW LEIBSTADT UNTER AUFLAGEN WIEDER ANS NETZ DARF --- Das Atomkraftwerk Leibstadt, aufgenommen am Samstag, 28. Mai 2011. (KEYSTONE/Alessandro Della Bella)
Sieht hübsch aus, doch die meisten Stimmberechtigten wollen eine Zukunft ohne AKW. Bild: KEYSTONE

Trilemma Versorgungssicherheit – Bezahlbarkeit – Klima

gfs.bern ermittelt drei Aufgaben, welche die Schweizer Stromproduktion grundsätzlich zu erfüllen hat:

  1. muss sie die Versorgung der Schweiz mit Strom jederzeit sicherstellen.
  2. muss der Strompreis für Haushalte und die Wirtschaft zahlbar sein.
  3. soll die Stromproduktion in der Schweiz im Sinne der Energiewende klimaneutral sein.

Die drei Aufgaben seien stark voneinander abhängig, und es sei nicht möglich, alle drei gleichzeitig ideal zu erfüllen. Die Stimmbevölkerung habe entlang dieses Trilemmas durchaus Vorstellungen bezüglich der Priorisierung der drei Aufgaben:

Welche der drei Aufgaben soll an erster Stelle stehen?

Bild

Solaranlagen sind unumstritten, Windräder stören eher

Die Wasserkraft und die Solarenergie stechen bei den Befragten als absolute Kerntechnologien heraus. 97 Prozent denken, dass die Wasserkraft in den nächsten Jahren eine zentrale Rolle spielen wird, bei der Photovoltaik sind es 93 Prozent. Hingegen nur eine Minderheit vermutet für die fossilen Energiequellen Atomkraft und Erdgas in den nächsten 10 bis 20 Jahren eine wichtige Rolle.

Standorte von neuen Anlagen zur Stromproduktion werden unterschiedlich beurteilt, wobei mit einer Ausnahme alle mindestens knapp mehrheitlich befürwortet werden. So besteht gegen Solaranlagen praktisch kein Widerstand mehr in der Stimmbevölkerung, solange sie nicht mitten in der Natur aufgestellt werden.

Sowohl mit Solaranlagen auf bestehender Infrastruktur, also auf Autobahnen oder Staumauern, als auch mit Anlagen auf geeigneten Dächern und Fassaden sind jeweils 95 Prozent der Befragten eher oder sehr einverstanden. Ebenfalls unumstritten sind Stauseen, wo früher Gletscher waren.

Die Mehrheiten werden knapper, sobald die Natur spürbarer betroffen wird: Mit Windrädern auf Hügeln, die man vom eigenen Balkon aus sehen kann, sind noch 55 Prozent einverstanden, mit Solarstromanlagen auf freien Wiesen in den Bergen sind es noch eine minimale Mehrheit von 51 Prozent.

ZUR EIDGENOESSISCHEN ABSTIMMUNG VOM 21. MAI 2017 UEBER DAS ENERGIEGESETZ STELLEN WIR IHNEN ZUM THEMA WINDENERGIE FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG – Wind turbines at the site of the highest wind p ...
Windenergie ist nicht bei allen beliebt. Einige halten die Windräder für eine Verschandelung der Natur. Bild: KEYSTONE

Massnahmen gegen Stromlücke

Doch wie soll die Versorgungssicherheit gewährleistet werden? Dazu einige Punkte:

  • 97 Prozent halten die Förderung erneuerbarer Energien im Inland als sinnvoll.
  • 80 Prozent sind der Meinung, dass der Bundesrat zur Vermeidung von Stromengpässen eine Reihe von Stromverbrauchern definieren darf, die im Notfall verboten werden.
  • 70 Prozent wollen politische Massnahmen in Form von Lenkungsabgaben mit Rückerstattung an die Sparsameren.

Die weiteren vorgeschlagenen Massnahmen halten weniger als 50 Prozent der Stimmberechtigten für sinnvoll. Investitionen in erneuerbare Energien im Ausland wollen nur 42 Prozent und auch den Bau von Atomkraftwerken wieder zu ermöglichen, hält nur eine Minderheit für sinnvoll. Abgeschlagen an letzter Position liegt das Erhöhen von Stromimporten aus dem Ausland (22 Prozent).

Ergebnisse sollen Richtung vorgeben

Für Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elekrtizitätsunternehmen zeigt die gfs.bern-Umfrage klar, dass die Versorgungssicherheit über allem stehe. «Vor dem Umweltschutz und den Kosten. Dieses Resultat muss bei den anstehenden politischen Weichenstellungen klar die Richtung vorgeben und Anreiz sein, die offensichtlich nicht mehrheitsfähige Blockadepolitik der letzten Jahre aufzugeben.» Die vielen Ausbauprojekte, die über Jahre hinaus in Bewilligungsverfahren und vor Gerichten festhängen, müssten endlich vorankommen.

Frank fordert von allen Beteiligten mehr Kompromissfähigkeit, damit der Umbau des Energiesystems endlich stattfinden könne.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Sergios grosser Tag im Zoo
1 / 18
Sergios grosser Tag im Zoo
«Uh, der sieht aber exotisch aus», denkt sich der Strauss, als er unseren Walliser entdeckt.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Australier kämpft minutenlang gegen Riesenkänguru
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
129 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
w'ever
31.05.2022 19:24registriert Februar 2016
wie schwer kann es sein auf den hausdächern solarpannels anzubringen?
vermutlich weil irgendwelche kleinkarierten personen dann wieder mit heimatschutz und ortsbild kommen. oder ist es weil sich die öl lobbyisten in bern dagegen wehren.
12422
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pandabaer2
31.05.2022 19:36registriert Oktober 2021
Jetzt muss halt endlich die Wasserkraft ohne Wenn und aber ausgebaut werden. Potential gibt es noch genug, wenn der Wille da ist:
Vorbild Kraftwerk Bremgarten, so können etliche Flusskraftwerke umgerüstet werden und plötzlich generieren die Wasserkraftwerke 50% mehr Strom.
Triftsee: Staumauer jetzt bauen. Ein Bergstausee ist ein "neuer" Gletscher. Überall wo ein Gletscher vor 150 Jahren war, gehört ein Stausee hin. Der generiert Strom und speichert Wasser für Dürre Zeiten.
Geothermie-Projekte müssen wieder hervorgeholt werden und realisiert. In Islang funktioniert es auch.
789
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alter Mann
31.05.2022 19:10registriert September 2020
Ich glaube die Versorgungssicherheit wäre relativ einfach zu gewährleisten, wenn endlich die Wünsche der Strommonopolisten beiseite gelassen werden und alle Möglichkeiten der Stromerzeugung durchleuchtet werden würden. Aus meiner Kenntnis gibt es sehr viele Möglichkeiten der Ökologischen Erzeugung und auch Speicherung von elektrischer Energie, die auch dem Klima guttun würden.
7317
Melden
Zum Kommentar
129
Twint integriert Cumulus und Co. ins Bezahlen an der Ladenkasse – so funktioniert es
Twint versucht Kundenkarten wie Migros Cumulus direkt in den Zahlungsvorgang an der Ladenkasse zu integrieren. Davon sollen Konsumenten und Händler profitieren.

2023 wurde an den Schweizer Ladenkassen fast doppelt so häufig mit Twint bezahlt als noch im Vorjahr. Mit ein Grund dafür dürfte sein, dass Nutzerinnen und Nutzer seit einiger Zeit unter anderem die Coop Supercard in der Bezahl-App hinterlegen können und beim Bezahlen mit Twint Treuepunkte sammeln, ohne zusätzlich das Kärtchen zücken zu müssen. Bislang konnten aber nur wenige Kundenkarten in der App hinterlegt werden. Das soll sich nun ändern.

Zur Story