Nachdem sich Oberstaatsanwalt Thomas Imholz in seinem Plädoyer zunächst zu denVorwürfen an seine eigene Adresse geäussert hat, legte er dem Gericht während gut zwei Stunden dar, wieso Ignaz Walker zu verurteilen sei.
Beim ersten Fall – den Schuss auf Peeters am 4. Januar 2010 – berief sich Imholz auf die Aussagen des Holländers. Dass diese nun unverwertbar seien, wie die Verteidigung behauptet, bezeichnete er als «absoluter Blödsinn». Die Staatsanwaltschaft habe sich nicht treuwidrig verhalten. Somit seien die Aussagen von Peeters nicht nur «uneingeschränkt verwertbar», sondern auch glaubwürdig.
So würden sich Zeugenaussagen in entscheidenden Punkten mit den Aussagen von Peeters decken, während Walker bei den Befragungen gelogen habe, so Imholz. Bereits das Land- und auch das Obergericht hätten sich in ihren Urteilen eingehend mit der Glaubwürdigkeit des Holländers befasst. Es gebe keine Gründe dafür, wieso Peeters den Cabaretbetreiber zu Unrecht belasten sollte, daran hätten auch der Versuch der Verteidigung, die Staatsanwaltschaft zu verunglimpfen, nichts geändert.
Als weiteres gewichtiges Indiz an der Schuld von Walker am Schuss auf Peeters nannte Imholz die Tatwaffe als gemeinsamen Nenner zwischen den zwei Fällen. Die DNA-Spur ab der Hülse dürfe zwar nicht mehr als Indiz verwendet werden, sagte Imholz. «Nicht so die Tatwaffe und die Hülse selber. Die sind vollumfänglich verwertbar.» Nur, weil die DNA-Spur fehle, falle Walker als Schütze nicht ausser Betracht und könne auch so «problemlos als Schütze bestimmt und verurteilt werden».
Die Behauptung des Verteidigers, Walker habe sofort von der Hülse erfahren und deshalb kaum dieselbe Waffe einem Auftragskiller gegeben, treffe nicht zu. Die Polizei habe nämlich damals aus taktischen Gründen das Auffinden der Patronenhülse nicht kommuniziert, sodass Walker erst 2011, also nach den Schüssen auf Nataliya K., davon erfahren.
Peeters habe die Schussabgabe durch Walker auf ihn bestätigt und diese Aussage nie zurückgenommen. Seine Aussagen würden sich ausserdem mit den Aussagen der Auskunftspersonen decken. Der Sachverhalt – also dass Walker in jener Januarnacht 2010 auf Peeters geschossen hat – habe somit «als erwiesen zu gelten», so Imholz. Der Oberstaatsanwalt fordert, diese Tat als versuchte Tötung zu qualifizieren und nicht «nur» als Gefährdung des Lebens.
Auch an den Indizien an der Schuld von Walker am zweiten Fall – den Schüssen auf Nataliya K. am 12. November 2010 – seien immer noch dieselben wie vor Land- und vor Obergericht, so Imholz: die selbe Tatwaffe, die telefonischen Kontakte zwischen Walker und dem verurteilten Auftragsschützen Sindelic, die Drohungen von Walker an die Adresse von Nataliya K., die belastenden Aussagen einer Ex-Freundin von Sindelic und schliesslich die Aussicht von Walker, sich durch den Tod von Nataliya K. finanziell zu bereichern.
Daran ändere auch die neuerliche Version des verurteilten Schützen nichts. Im Gegenteil, Imholz hält Sindelics Komplott-Theorie für «ein Märchen erster Güte». Die ungeschnittene, 75-minütige Fassung des Interviews der «Rundschau» mit Sindelic, das den Parteien vorliegt, löse höchstens ein Schmunzeln aus sowie zahlreiche Fragezeichen.
Sindelic gab vor laufender «Rundschau»-Kamera an, der wahre Schütze habe mit Drogen zu tun gehabt. «Würde man so einen als Schützen engagieren?», fragte Imholz. «Und glauben Sie ernsthaft, Claudio V. würde einen Junkie auf seine Freundin schiessen lassen?» Schliesslich habe auch das Gutachten des Forensischen Instituts (FOR) in Zürich sowie die Aussagen von dessen Ballistikexperte vor Gericht gezeigt, dass die Komplott-Theorie nicht aufgehe.
Nicht nur Sindelics Glaubwürdigkeit stellte Imholz infrage. Auch die Art und Weise, wie das Interview mit der «Rundschau» zustandsgekommen sei, bezeichnete er als fragwürdig. Er habe den Eindruck, der Reporter habe ihm die Wörter in den Mund gelegt, die Theorie klinge auswendig gelernt. Ausserdem habe Sindelic bei einer Befragung in der Sache im Juli 2015 gegenüber dem ausserordentlichen Staatsanwalt gesagt, er sei von der «Rundschau» unter Druck gesetzt worden.
Imholz vermute, dass die «Rundschau» dem verurteilten Interviewpartner womöglich versprochen haben könnte, dass sein Fall wieder aufgerollt würde. Abgesehen davon, dass TV-Aussagen ohnehin keinen Beweiswert hätten, seien Sindelics Aussagen bei der «Rundschau» unter diesen Voraussetzungen nicht mehr verwertbar. Dass der verurteilte Schütze bei seiner Befragung vor dem Obergericht auf die «Rundschau» verwies, habe ihn nicht überzeugt, so Imholz.
Und so blieb Imholz bei seinen Anträgen, die bereits im Verfahren vor Obergericht 2013 gestellt wurden: Ignaz Walker soll schuldig gesprochen werden der versuchten vorsätzlichen Tötung im ersten und des Mordes in Mittäterschaft im zweiten Fall, und dafür mit 15 Jahren Sicherheitshaft bestraft werden.
Am Mittwoch, 28. Oktober, geht der Berufungsprozess im Fall Ignaz Walker vor dem Urner Obergericht mit der Replik der Verteidigung weiter.