Ignazio Cassis, Isabelle Moret und Pierre Maudet beim Roadshow-Auftritt am Montag in Zug.Bild: KEYSTONE
Cassis, Moret und Maudet on the Road: Das Bundesrats-Trio im watson-Check
Die
FDP-Bundesratskandidaten Ignazio Cassis, Pierre Maudet und Isabelle
Moret touren durch die Schweiz. Beim Auftritt in Basel hinterliessen
sie einen durchzogenen Eindruck. Einer enttäuschte besonders.
Im US-Wahlkampf sind
die Fernsehdebatten ein besonderes Highlight. Die Kandidaten schenken
sich in der Regel nichts.
Ein ähnliches Format führt die FDP Schweiz mit ihren Bewerbern für die
Nachfolge von Bundesrat Didier Burkhalter durch. Der Tessiner
Nationalrat Ignazio Cassis, die Waadtländer Nationalrätin Isabelle
Moret und der Genfer Staatsrat Pierre Maudet touren diese Woche im
Rahmen einer Roadshow durch drei Schweizer Städte.
Am Mittwoch machte
der «Wanderzirkus» Halt in Basel. Die Intensität einer
US-Debatte erreichte das vom Basler FDP-Regierungsrat Baschi Dürr
moderierte Podium aber zu keiner Zeit. Das mag daran liegen, dass ein
Bundesrat nicht vom Volk, sondern von der Bundesversammlung gewählt
wird. Und man in der Schweiz eher den Kompromiss als die
Konfrontation pflegt.
Ein wichtiger Grund
war auch die drückende Hitze im Saal, die ein lebhaftes Gespräch
erschwerte. Aufschlussreich war der Auftritt des Kandidaten-Trios
jedoch allemal. So haben sich die drei geschlagen:
Ignazio Cassis
Cassis hat gut lachen, er ist mehr denn je der Favorit.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS
Auftritt: Mit seinem Tessin-Pin am Revers sorgt er für einen Farbtupfer im dunklen Business-Einheitslook des Trios. Seinen Auftritt absolviert Cassis mit der Souveränität eines Mannes, der sich seiner Favoritenrolle bewusst ist. Und der kein spezielles Lobbying braucht, weil er als FDP-Fraktionschef in Bundesbern bestens vernetzt ist. Er kokettiert mit seiner Rolle als Quereinsteiger («Ich war jung, aber nicht freisinnig») und bemüht sich in erster Linie, präsidial zu wirken.
Sprache:
Für einen Südländer ist die Körpersprache von Ignazio Cassis
zurückhaltend. Seine Positionen bringt er auf Deutsch gut
herüber. Er formuliert die präzisesten Sätze und erntet als Einziger wenigstens ab und zu einen Lacher («Der Bundesrat berät,
er regiert nicht»).
Vision
für die Schweiz: Die Schweiz in 20 Jahren soll Wohlstand bieten,
frei, sicher und international vernetzt sein.
Bester Spruch:
«Wie schaffen Sie es, Amerika via Twitter zu führen?»
Cassis auf die Zuschauerfrage, worüber er sich mit Donald Trump unterhalten würde
Es gibt deutlich mehr Frauen als Tessiner in der Schweiz, aber beide waren bislang sieben Mal im Bundesrat vertreten. Müssten Sie nicht den Frauen den Vortritt lassen? Für den Bundesrat braucht man ein berufliches und politisches Rüstzeug und Lebenserfahrung. Alle anderen Kriterien sind zweitrangig. Die Verfassung verlangt, dass die Regionen und Sprachgebiete angemessen im Bundesrat vertreten sind. Wir müssen uns vor allem an die Verfassung halten.
Im Fall einer Wahl könnten Sie das Departement des Innern übernehmen. Wie würden Sie als Arzt den Reformstau im Gesundheitswesen auflösen? Ich würde jedes Departement mit grosser Freude übernehmen. Im Falle des EDI habe ich besondere Fähigkeiten und Kompetenzen, das ist sicher so. Meine Agenda für die Gesundheitskosten wird nicht revolutionär sein. Wie sie aussieht, verrate ich Ihnen aber nicht.
Falls Sie das EDA übernehmen: Wie soll das Verhältnis zur EU gestaltet werden? Wir brauchen den Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit 500 Millionen Konsumenten, sonst ist unser Wohlstand gefährdet. Dieses Ziel erreichen wir mit dem Netzwerk der bilateralen Verträge. Es gibt keinen Beitritt und keine andere Lösung, das ist für uns in der FDP klar. Diese Verträge müssen jedoch gepflegt und weiterentwickelt werden. Hier setzt die Diskussion über das Rahmenabkommen ein. Wie wir es nennen, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass wir gemeinsame Regeln zur Vereinfachung des Managements dieser Verträge haben, so dass eine Weiterentwicklung möglich ist. Dafür würde ich mich einsetzen, aber es gibt rote Linien: Keine automatische Übernahme von EU-Recht in der Schweiz, keine fremden Richter, die ausserhalb der Schweiz entscheiden können, wie das schweizerische Recht ausgelegt wird.
Pierre Maudet
Pierre Maudet ist ein politischer Senkrechtstarter.Bild: KEYSTONE
Auftritt: Mit 39 Jahren verfügt er bereits über zehn
Jahre Exekutiverfahrung, was der Genfer gebührend hervorhebt. Seinen Bekanntheitsgrad versucht Maudet aufzupolieren, indem er
seit Tagen Kontakte mit Parlamentariern und Journalisten pflegt. Sein
Auftritt in Basel aber bleibt hinter den Erwartungen zurück. Pierre Maudet
argumentiert unverbindlich und lässt sich nur einmal auf die Äste
hinaus, als er sich als Befürworter der von der FDP vehement
bekämpften Altersvorsorge 2020 outet. Um anzufügen, dies
entspreche der Position der Genfer Kantonsregierung.
Sprache: Von den drei Bewerbern beherrscht Pierre Maudet die
deutsche Sprache am besten. Er hat sie unter anderem bei einem
Aufenthalt in Basel gelernt. Insgesamt aber ist er auf dem Podium zu
defensiv, auch in der Körpersprache. Als Aussenseiter müsste er
angriffiger agieren. Im persönlichen Gespräch kommt der Genfer
Sicherheitsdirektor deutlich besser an.
Vision für die Schweiz: Eigenverantwortung, Souveränität
mit Partnerschaft, Prosperität dank guten Rahmenbedingungen.
Bester Spruch:
«Ich habe nicht verstanden, wer im Bundesrat für die Europapolitik
verantwortlich ist.»
Maudets Aussage kann als Seitenhieb an den abtretenden Didier Burkhalter interpretiert werden
Sie reisen seit Tagen durch die Schweiz und lobbyieren für Ihre Kandidatur. Sind die Kriminellen in Genf in die Ferien gefahren? Eben nicht (lacht). Ich habe eine sehr gute Polizeichefin, eine Tessinerin übrigens. Sie engagiert sich stark in diesem Bereich. In meiner Amtszeit ist die Kriminalität um 25 Prozent gesunken. Es gibt noch sehr viel zu tun, aber nach fünf Jahren hat sich die Lage verbessert.
Sie sind jung und ausserhalb Genfs kaum bekannt. Weshalb soll man Sie trotzdem in den Bundesrat wählen? Aus zwei Gründen. Im Bundesrat braucht man Leute, die bereits in einer Exekutive tätig waren und sich gewohnt sind zu führen, in einem Gremium mit sieben Personen zu diskutieren und pragmatische Lösungen zu finden. Das zweite und wichtigere Argument ist, dass ich jünger als 40 Jahre bin und damit die Hälfte der Bevölkerung repräsentiere. In einer Zeit der Digitalisierung muss sich auch diese Generation ein wenig in der Landesregierung vertreten fühlen.
Falls Sie das EDA übernehmen: Wie soll das Verhältnis zur EU gestaltet werden? Man muss dieses Thema aus wirtschaftlicher Perspektive betrachten. In Basel oder Genf brauchen wir eine starke Partnerschaft – nicht Mitgliedschaft – mit der EU und einen besseren Marktzugang. Wir müssen dies für den Standort Schweiz gewährleisten. Im Konfliktfall müssen wir möglichst frühzeitig eine Lösung finden. Mein Vorschlag dafür ist die Einsetzung eines Schiedsgerichts.
Isabelle Moret
Isabelle Moret will nicht nur dank Frauenbonus gewählt werden.Bild: KEYSTONE
Auftritt: Neben den Alpha-Männchen hat es die einzige
Frau nicht leicht. Umso mehr, als die Waadtländerin keinesfalls auf
den Frauenbonus festgenagelt werden will. Moret verweist auf ihre
Erfahrung und ihren Leistungsausweis als Nationalrätin, auch um die
Kritik an ihrer angeblich schwachen Performance zu kontern. In den
letzten Tagen ist Isabelle Moret verstärkt unter Druck geraten, auch wegen
ihrer dünnhäutigen Reaktion auf kritische Fragen.
Sprache: Zu Beginn ist Moret sichtlich nervös, sie
gestikuliert heftiger als ihre Mitbewerber. Die deutsche Sprache
fällt ihr schwerer als den beiden Männern. Mit der Zeit legt sich
ihre Anspannung, sie wirkt souveräner, was in der Basler Sauna
durchaus beachtlich ist.
Vision für die Schweiz: «Wir sind stolz auf unser Land, die
direkte Demokratie und unsere Vielsprachigkeit. Darüber hinaus
müssen wir für die Zukunft bauen, durch Offenheit. Ich bin klar
gegen einen EU-Beitritt, aber die Schweiz liegt mitten in Europa.»
Bester Spruch:
«Der Bundesrat muss führen. Es ist nicht normal, dass das
Parlament die ganze Arbeit gemacht hat.»
Moret zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative
Herr Cassis steht wegen seiner Krankenkassen-Mandate in der Kritik. Ihre Rolle als Präsidentin des Spitalverbands H+ wird kaum hinterfragt. Sind die Spitäler nicht die grösseren Kostentreiber im Gesundheitswesen als die Krankenkassen? H+ vertritt mehr als 200 Spitäler und Klinken. Unsere Zielsetzung ist, dass in der ganzen Schweiz jeder rasch ein Spital aufsuchen kann. Ich setze mich für tiefere Gesundheitskosten ein. Der Vizepräsident von H+ ist Direktor des Universitätsspitals Basel. Er hat festgestellt, dass er 1000 Operationen ambulant statt stationär machen könnte. Bis jetzt wurde es wegen Fehlanreizen nicht gemacht. Es ist ein Beispiel, wie man die Gesundheitskosten auch unter Kontrolle bringen könnte.
Wie stehen Sie zu der Kritik, dass Sie in Ihren elf Jahren im Nationalrat kaum Spuren hinterlassen haben? Es ist wichtiger, Erfolg zu haben, auch wenn das in den Medien nicht immer registriert wird. Ich war vier Jahre in der Geschäftsprüfungsdelegation für den Nachrichtendienst und durfte dazu nichts sagen. Was ich wusste, musste geheim bleiben. In der Westschweiz habe ich mich für die Beschleunigung der Asylverfahren eingesetzt. Sie wurde mit ungefähr 80 Prozent Ja angenommen. Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative wurde mein Antrag angenommen, dass der Inländervorrang regionenspezifisch festgelegt wird. Entscheidend ist, dass man effizient arbeitet. Es ist nicht mein Stil, immer in den Medien sein zu wollen. Das überlasse ich anderen Kandidaten.
Falls Sie das EDA übernehmen: Wie soll das Verhältnis zur EU gestaltet werden? Mit dem Volk, es entscheidet am Ende. Für ein Rahmenabkommen mit fremden Richtern gibt es auch in der Westschweiz keine Mehrheit. Bei der Masseneinwanderungs-Initiative hat der Bundesrat die Ängste im Volk nicht gespürt. Deshalb muss man zuerst auf das Volk hören, dann hat man die Möglichkeit, eine mehrheitsfähige Lösung zu finden.
Fazit
Wenn es in Basel einen Sieger gab, dann war es Ignazio Cassis. Der
Tessiner hat mit einem staatsmännischen Auftritt seine Favoritenrolle
weiter gestärkt. Pierre Maudet besitzt das Format für den
Bundesrat. Gemessen an den Vorschusslorbeeren, die er erhalten hat,
enttäuschte er jedoch. Isabelle Moret fiel weder positiv noch
negativ auf. Das dürfte für den Bundesrat zu wenig sein.
Bundesratswahl
Die FDP-Roadshow gastiert am Freitag im Hôpital des Bourgeois in Fribourg. Eine Woche später wird die Bundeshausfraktion entscheiden, ob sie ein Zweier- oder ein Dreierticket nominiert. Die eigentliche Wahl dürfte am 20. September stattfinden. Noch ist dieses Datum nicht fix.
Die sieben bisherigen Tessiner Bundesräte
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Die sieben bisherigen Tessiner Bundesräte
Flavio Cotti (CVP) gehörte dem Bundesrat von 1987 bis 1999 an.
quelle: keystone / martin ruetschi
Vom Putin-Besuch bis zum Atomabkommen: Burkhalter in Review
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Rüge: SRF hat bei Berichterstattung zu Gaza-Protesten das Vielfältigkeitsgebot verletzt
Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hat mit seiner Berichterstattung über Gaza-Proteste an Universitäten das Vielfältigkeitsgebot verletzt. Zu diesem Schluss kommt die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen. Die Beschwerde hatte ein Rechtsanwalt erhoben.