Die Schweizer Politik widmet sich wieder mal ihrer Lieblingsbeschäftigung: Sie hinterfragt die Loyalität gegenüber unserem Land von Menschen, bei denen nicht sämtliche Vorfahren bereits am Rütlischwur teilgenommen haben.
Weil gleich zwei der drei FDP-Bundesratskandidaten neben dem Schweizer Pass noch einen zweiten besitzen, widmen sich die Medien im ausklingenden Sommerloch ausführlich der Frage, ob sich eine Doppelbürgerschaft für ein Regierungsmitglied ziemt.
Die SVP – der das Konzept der Doppelbürgerschaft schon lange ein Dorn im Auge ist – lacht sich ins Fäustchen. Ihr Nationalrat Marco Chiesa aus dem Tessin will in der Herbstsession Vorstösse einreichen, um Bundesräten, Bundesparlamentariern und Bundesrichtern die doppelte Staatsbürgerschaft zu verbieten.
Bundesräte würden durch ihr Amt die Schweiz vertreten. Deshalb dürfe bei ihnen nicht der leiseste Verdacht aufkommen, dass sie wegen ihrer doppelten Staatsbürgerschaft in einen Interessenkonflikt geraten könnten, begründet Chiesa seinen Vorstoss gegenüber der Luzerner Zeitung.
Politiker neigen dazu, bei medial aufgebauschten Debatten vorschnell halbgare Ideen als Vorstösse anzukündigen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch selbst wenn man die Messlatte entsprechend tief ansetzt, ist Chiesas Vorstoss schlicht lächerlich.
Die Schweiz ist ein Einwanderungsland. Gemäss Swissinfo besitzen rund 900’000 Personen – 17 Prozent der Schweizer Staatsangehörigen – einen zweiten Pass. Es ist begrüssenswert, dass diese Menschen auch in der Politik vertreten sind.
Wurzeln ausserhalb der Schweiz zu haben und durch die eigene Biografie einen Bezug zu dieser zweiten Heimat zu haben, ist das normalste der Welt. Das macht niemanden zu einem schlechteren Schweizer, einem vaterlandslosen Gesellen ohne Loyalität zur Eidgenossenschaft.
SVP-Nationalrat Marco Chiesa ist sich dennoch nicht zu blöd, in Bezug auf Pierre Maudets französische Staatsbürgerschaft folgende Frage in den Raum zu stellen: Wie würde Maudet bei einer allfälligen Begegnung mit Frankreichs Staatschef begrüsst werden? Sollte Emmanuel Macron einen Bundesrat Maudet am Ende gar mit «lieber Mitbürger» ansprechen?
Wer es in der Schweiz zum Bundesrat bringen will, muss sich vorher in einer Ochsentour durch zahlreiche Ämter beweisen. Dass man sich dabei für die Interessen des Landes einsetzt – über die in einer Demokratie naturgemäss keine Einigkeit herrscht – ist selbstverständlich: Wer dabei ausschliesslich als Lobbyist für ein ausländisches Land auftritt, wird kaum wiedergewählt.
Das dauernde Hinterfragen der Loyalität von Schweizern mit Migrationshintergrund – seien es Nati-Fussballer mit Wurzeln auf dem Balkan oder Politiker mit zwei Pässen – dient in erster Linie dazu, einen Keil zwischen die «Eidgenossen» und die «Zugewanderten» zu treiben. Das Spiel ist dermassen durchschaubar, dass es immer wieder erstaunt, wie bereitwillig die Medien auf diesen Zug aufspringen.
Einwanderer haben die Schweiz zu dem erfolgreichen Land gemacht, das sie heute ist. Würden wir sie und ihre Nachkommen aus der Politik verbannen, hätten wir keine bessere Regierung, sondern eine schlechtere.