Im Nationalrat vereinen SVP und FDP mit den kleinen Rechtsparteien in Zukunft die absolute Mehrheit. Dagegen kommen sie in der kleinen Kammer auf 18 der 46 Sitze. «Diese ungleichen Kräfteverhältnisse werden die Konflikte zwischen den Räten verschärfen», sagt der Politologe Georg Lutz der Nachrichtenagentur SDA. Im Nationalrat gebe die SVP den Ton an, im Ständerat dagegen spiele sie eine marginale Rolle.
Zum ersten Härtetest könnte die Budgetdebatte in der Wintersession werden. Der Bund braucht nämlich ein Budget für 2016, selbst wenn sich National- und Ständerat nicht einigen. Das Gesetz sieht vor, dass dann automatisch der tiefere Budgetvorschlag in Kraft tritt. «SVP und FDP könnten so im Nationalrat praktisch im Alleingang Kürzungen durchdrücken», sagt Lutz.
Der Lausanner Politologe sieht aber noch eine weitere Gefahr für die kommende Legislatur. Die Räte könnten zwar bei manchen Themen rasch einen Konsens finden. «Die Bevölkerung ist aber längst nicht bei allen Themen so wirtschaftsliberal wie das Parlament.» Projekte wie die Altersvorsorge 2020 liefen deshalb Gefahr, an der Urne zu scheitern. Die Folge wäre ein Reformstau.
Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat wird der Ständerat als «chambre de réflexion» wohl vermehrt auf Ausgleich bedacht sein. Insgesamt zeichnet sich die kleine Kammer durch enorme Stabilität aus. Grosse Wahlsiegerin ist die FDP. Mit den Sitzgewinnen in Zürich und im Aargau kommt sie neu auf 13 Sitze.
Damit schliesst sie zur CVP auf, die gleich viele Vertreter in der kleinen Kammer stellt. Zünglein an der Waage bleibt aber die CVP. Sie wirkt als Brückenbauerin nach links und rechts und kann mit SP oder FDP mehrheitsfähige Allianzen schmieden.
Zu den Wahlsiegern im Ständerat zählt auch die SP. Nach dem Sitzgewinn von Daniel Jositsch in Zürich schickt sie in Zukunft zwölf Ständerätinnen und Ständeräte in die kleine Kammer – so viele wie nie zuvor.
Ihren Wahlerfolg verdankt die SP dabei auch der Uneinigkeit der bürgerlichen Parteien. «Die Bürgerlichen konnten sich in zweiten Wahlgängen oft nicht auf einen einzigen Kandidaten einigen», erklärt Lutz.
Gute Chancen hatte dieses Jahr die SP auch, wenn sie gegen einen Kandidaten der SVP antrat. In St.Gallen deklassierte SP-Urgestein Paul Rechsteiner den SVP-Politiker Thomas Müller um über 20'000 Wählerstimmen. In Solothurn scheiterte der Vater der Minarett-Initiative, Walter Wobmann, ebenso deutlich am bisherigen Roberto Zanetti.
Die SVP tut sich in Ständeratswahlen schwer. Nach dem erfolglosen «Sturm aufs Stöckli» vor vier Jahren gelang ihr auch 2015 kein Exploit. Am Sonntag blieben die letzten aussichtsreichen Kandidaten in den Kantonen Aargau und Zürich auf der Strecke. Damit stellt die SVP fünf Ständeräte, gleich viele wie 2011.
Die Partei stolpert dabei über ihre Erfolgsformel: «Die SVP gewinnt, weil sie polarisiert und eine klare Botschaft hat», erklärt Lutz. Dies habe sie in den letzten 20 Jahren zur landesweit wählerstärksten Partei gemacht. In Majorzwahlen falle es der SVP hingegen schwer, andere Wählergruppen zu mobilisieren.
Insgesamt bleibt der Ständerat fest in bürgerlicher Hand. SVP, FDP, CVP und BDP stellen zusammen 32 der 46 Sitze. Zu diesem Lager ist auch Thomas Minder (SH) zu zählen. Das links-grüne Lager bleibt bei 13 Mandaten. Die kleine Kammer festigt zudem ihren Ruf als Männerbastion. Im Vergleich zur letzten Legislatur zählt sie noch sieben statt neun Frauen. (sda)