Eigentlich hätte es Filet Mignon mit Brandy-Pfeffer-Sauce geben sollen. Alternativ Heilbutt mit Kartoffelstampf und Spargeln. Vorweg einen Salat, zum Dessert Crème brûlée – «zu Ehren seiner Exzellenz Wladimir Putin, Präsident der Russischen Föderation».
Das Mittagessen auf der Militärbasis Elmendorf-Richardson in Alaska fiel am Freitag jedoch aus. Das Menü ist nur bekannt, weil es eine Mitarbeiterin von Trump zusammen mit anderen, durchaus sensibleren Dokumenten im Drucker ihres Hotels nahe der Militärbasis vergessen hat: Acht Seiten mit präzisen Angaben zu Treffpunkten und zum Ablauf des Gipfels sowie Telefonnummern von US-Regierungsangestellten.
The menu for the working lunch that Trump and Putin did not have, found among cache of documents by guests at an Anchorage hotel and obtained by NPR: https://t.co/FsuODIc4CZ pic.twitter.com/maufx5eYyH
— Laura Rozen (@lrozen) August 16, 2025
Auch das wie man den Kreml-Chef richtig ausspricht, steht in den Dokumenten. «Mr. President POO-tihn».
Mr. President POO-tihn. Let’s make it official from now on. 😂 pic.twitter.com/4TT4R1jUhW
— Maria Avdeeva (@maria_avdv) August 16, 2025
Drei Hotelgäste fanden sie am nächsten morgen, wie der Radiosender NPR berichtete. Demnach fiel nicht nur der Zmittag aus. Trump wollte Putin eigentlich eine Schreibtischstatue schenken – einen Weisskopfseeadler, das Wappentier der USA. Auch dazu kam es nicht. Die Pressekonferenz war nach wenigen Minuten zu Ende, auch dafür war eigentlich mehr Zeit veranschlagt worden.
Ganz so prächtig, wie es sich der US-Präsident erhofft hatte, war die Atmosphäre in Alaska nicht. Dabei hatte er sich alle Mühe gegeben. Er bereitete Putin einen pompösen Empfang und krebste auch inhaltlich stark zurück: Von der bisherigen Forderung von Ukrainern, Europäern und auch von Trump selbst nach einem sofortigen Waffenstillstand war in Alaska keine Rede mehr. Sanktionen für Russland gibt es keine neuen. Putin verlässt den Gipfel als Sieger.
An diesem Montag steht nun bereits der nächste an. Der US-Präsident hat seinen Amtskollegen aus Kiew nach Washington eingeladen. Mit Grauen erinnert man sich an die letzte Begegnung von Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Weissen Haus. Vor rund einem halben Jahr putzte Trump den Ukrainer nach allen Regeln der Kunst herunter.
An diesem Montag kommt es nun zur Neuauflage. Dieses Mal hat Selenskyj immerhin Begleitung: Deutschlands Kanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Chefin Ursula von der Leyen, Finnlands Präsident Alexander Stubb und Nato-Generalsekretär Mark Rutte reisen mit.
Was steht dem Ukrainer und seinen Verbündeten im Weissen Haus bevor? Und was bedeutet ein möglicher Diktatfrieden für die Ukraine? Osteuropa-Experte Marcel Hirsiger beantwortet die wichtigsten Fragen:
Nach dem Gipfel mit Wladimir Putin in Alaska hat Trump durchblicken lassen, dass er für einen Vorschlag Putins durchaus offen ist: Demnach müsste die Ukraine die Region Donezk, die Russland gar nicht komplett besetzt hat, sowie die okkupierten Landesteile im Süden aufgeben. Kann Selenskyj das akzeptieren?
Marcel Hirsiger: Aus Sicht der Ukraine ist das inakzeptabel. Einerseits, weil die Forderung nicht vereinbar ist mit der ukrainischen Verfassung, die das Staatsgebiet klar definiert. Sie ist auch völkerrechtlich nicht haltbar, weil die Integrität der Grenzen völkerrechtlich garantiert wird. Und sie ist nicht in Einklang mit dem Budapester Memorandum von 1994, das die Grenzen der Ukraine vollumfänglich respektiert und garantiert. Sie ist auch aus europäischer Sicht nicht haltbar, weil die Gebietsabtretungen dazu führen würden, dass eine Invasion quasi legitimiert würde. Damit würden anderen Ländern für ähnliche Aktionen Tür und Tor geöffnet. Selenskyj steht nun vor einer sehr schwierigen Herausforderung, denn gleichzeitig ist das offenbar der einzige Weg, um überhaupt mit dem russischen Regime in Verhandlungen treten zu können. Es ist offensichtlich, dass Russland nicht bereit ist, über Frieden oder eine Waffenruhe zu verhandeln, solange es keine Zusicherung hat, diese Gebiete annektieren zu können.
Gebietsabtretungen sind nicht Putins einzige Forderung. Auch nach dem Alaska-Gipfel hat er wieder betont, dass seine unverrückbare Bedingung für ein Ende des Krieges die Beseitigung der «Grundursachen» für den Krieg ist. Was bedeutet das und warum ist das für Putin so wichtig?
Aus Sicht von Russland ist die Nähe der Ukraine zu Europa eine problematische Ausgangslage. Man muss dort allerdings feststellen, dass Russland zwei verschiedenen Narrativen folgt. Das eine ist das, was man immer wieder hört, wenn Russland weiss, dass der Westen zuhört, also zum Beispiel in Alaska oder in der Folge von diesem Gipfeltreffen. Dort ist immer wieder die Rede von «Entmilitarisierung und Entnazifizierung» der Ukraine, was selbstverständlich nicht stichhaltig ist.
Und das andere Narrativ?
Das zweite Narrativ taucht vor allem in der russischen Propaganda gegenüber der eigenen Bevölkerung auf. Dabei heisst es immer wieder, der Westen sei dekadent und ideologisch so in Schieflage, dass er für Putins Russland als vermeintlicher Hüter der westlichen, christlichen Zivilisationen nicht akzeptabel ist. Letzten Endes geht es Russland darum, die westliche Weltordnung zu zerstören. Und der Weg dorthin ist, dass man anhand des Beispiels Ukraine versucht zu testen, wie weit der Westen bereit ist, seine eigenen Werte und seine eigenen Errungenschaften der letzten Jahrhunderte auch zu verteidigen. Es geht also einerseits um die vermeintliche Bedrohung durch Nato und Westeuropa, und andererseits um klar imperialistische Ziele.
Sehen Sie Anzeichen dafür, dass Trump das versteht?
Es ist zu befürchten, dass die amerikanische Regierung die Ausgangslage nicht versteht oder nicht verstehen möchte. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass sich die amerikanische Führung komplett aus Europa verabschieden möchte, unabhängig von den tatsächlichen Ursachen des Kriegs gegen die Ukraine.
Das letzte Treffen zwischen Trump und Selenskyj im Weissen Haus endete in einer Katastrophe. Welche Gefahren lauern für den Ukrainer bei seiner Rückkehr in die Höhle des Löwen?
Ein grosses Problem wird sein, dass die Beziehung zwischen Selenskyj und Trump vorbelastet ist, eben aufgrund von diesem Gespräch im Februar. Ich gehe aber davon aus, dass die ukrainische Führung dieses Mal besser vorbereitet ist. Die grösste Gefahr ist, dass die Ukraine vor quasi vollendete Tatsachen gestellt wird. Es ist durchaus denkbar, dass in dem Gespräch mit der russischen Führung bereits die Gebietsabtretungen fertig verhandelt worden sind und Selenskyj nur noch zustimmen kann, mit dem Messer am Hals. Die ukrainische Regierung hätte dann gar keine Möglichkeit mehr, sich dem zu entziehen, ohne dass sie als diejenige dargestellt wird, die Frieden verhindern will. Wenn das tatsächlich der Fall ist, bleibt wahrscheinlich nichts anderes übrig, als temporär die Gebietsabtretungen zu akzeptieren. Nicht im völkerrechtlichen Sinn, die Grenzen der Ukraine blieben weiterhin anerkannt. Aber insofern, als im Moment die Besetzung von ostukrainischen Gebieten vorübergehend akzeptiert wird, um den Friedensprozess voranzutreiben.
Wie würde das bei der Bevölkerung in der Ukraine ankommen?
In der Ukraine zeigt sich im Moment eine zweischneidige Entwicklung. Ein weiterhin grosser Teil der Bevölkerung ist der Meinung, dass die Grenzen der Ukraine unantastbar und nicht verhandelbar sind. Auf der anderen Seite macht sich eine sehr starke Kriegsmüdigkeit bemerkbar. Das führt dazu, dass viele Leute sagen, wenn der Preis für einen Waffenstillstand vorübergehende Gebietsabtretungen sind, dann muss man das vielleicht in Kauf nehmen, um in einem zweiten Schritt zu Friedensverhandlungen zu kommen, bei denen die ursprünglichen Grenzen von 1991 wiederhergestellt werden.
Halten Sie es für möglich, dass Selenskyj am Ende einem eigentlich nicht akzeptablen Abkommen zustimmt?
Er kann selbstverständlich einen solchen Vorschlag auch ablehnen, das ist ihm respektive der ukrainischen Führung überlassen. Selenskyj kann sich jederzeit auf das Völkerrecht berufen. Wenn er Trumps möglichen Vorschlag ablehnt, dann kommt ein weiterer Player ins Spiel – und das ist Europa. Die Ukraine braucht dringend Sicherheitsgarantien. Und wenn sie den mutmasslichen Deal zwischen Russland und Amerika ausschlägt und die ostukrainischen Gebiete nicht preisgeben will, dann funktioniert das nur, wenn es Sicherheitsgarantien gibt. Wenn Amerika nicht bereit ist, diese zu leisten, dann müssen das die Europäer tun. Fraglich ist, ob Europa bereit ist, solche Sicherheitsgarantien nicht nur auf dem Papier zu leisten, sondern auch dann, wenn es darauf ankommt.
Das würde bedeuten, dass europäische Soldaten in der Ukraine stationiert werden. Das würde nicht nur in Europa heiss diskutiert werden, sondern wohl auch von Putin nicht akzeptiert.
Diskutiert wird derzeit ein Vorschlag, wonach die Koalition der Willigen, also Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und andere, eine Art Beistandspflicht vereinbaren, nach Vorbild der Nato. Allerdings nicht mit Nato-Truppen. Sollte es so kommen, bin ich fast sicher, dass Russland die Probe aufs Exempel machen und schauen würde, ob die Sicherheitsgarantie nur auf dem Papier besteht oder auch in der Praxis. Europäische Länder müssten dann tatsächlich Soldaten in die Ukraine schicken. In der aktuellen politischen Situation in Westeuropa ist es zweifelhaft, ob überhaupt ein Land wirklich dazu bereit wäre. Und Russland hat ein grosses Interesse daran, zu beweisen, dass die westliche Weltordnung versagt hat. Wenn das passiert, dann steht dem Rückfall in den Imperialismus des 19. Jahrhunderts Tür und Tor offen.
In Washington hat Selenskyj diesmal Begleitschutz aus Europa. Wie sehen Sie die Rolle von Merz, Macron und Co. beim Treffen im Weissen Haus?
Die Einladung an die Europäer und den Nato-Generalsekretär ist zuerst einmal eine gute Nachricht. Damit wird der Ukraine in diesem schwierigen Gespräch der Rücken gestärkt. Gleichzeitig scheint es damit auch unwahrscheinlich, dass es zu einem ähnlichen diplomatischen Eklat kommt wie bei Selenskyjs letztem Besuch. Ob die erweiterte Delegation viel ausrichten kann, ist dennoch fraglich. Trump hat in den letzten Wochen wiederholt die Argumente der Europäer aufgegriffen, um sie dann bei nächster Gelegenheit fallen zu lassen. Es ist trotzdem zu hoffen, dass die Ukraine die dringend notwendigen Sicherheitsgarantien erhält, die durch die USA und die Koalition der Willigen auch mitgetragen werden. (aargauerzeitung.ch)
Russland wird also belohnt für Ihren Krieg. Das ist extrem bedenklich!
Europa muss dringend zu einer geeinten Stärke finden, sowohl wirtschaftlich, als auch militärisch.
Nur so ist es möglich, das Ideal der Demokratie in der aufkommenden, multipolaren Weltordnung aufrecht zu erhalten.
Der grosse Vorteil von Europa ist, dass es aktuell möglich wäre, andere Länder auf die eigene Seite zu ziehen, wie Kanada, ev. Australien, etc.