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In der Coronakrise wurde WC-Papier knapp – in Putins Krieg wird es teuer

In der Coronakrise wurde WC-Papier knapp – in Putins Energiekrieg wird es teuer

Der Krieg in der Ukraine legt die grosse Abhängigkeit des Westens von russischer Energie offen. Dass diese in viel mehr Alltagsprodukten steckt, als man denkt, zeigen die Preissteigerungen bei WC-Papier.
09.09.2022, 06:29
Niklaus Vontobel / ch media
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«Russland will das normale Leben aller europäischen Bürger zerstören»: Mit dieser Warnung will der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski den Westen auf den kommenden Winter vorbereiten. Russland wolle ganz Europa mit Energieerpressung einschüchtern, sagt er in einer Videoansprache. Selenski sagte: «Russland bereitet sich darauf vor, allen Europäern einen entscheidenden Energieschlag zu versetzen.»

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Teures Gut: Klopapier.Bild: Shutterstock

Dieser Versuch, das normale Leben in Europa zu zerstören, hat teils vorhersehbare Folgen, dann wieder überraschende. Wie nun ein Beitrag im «Migros Magazin» zeigt, dringt der Putin'sche Energiekrieg nun gar in schweizerische Toiletten vor. In der Coronakrise war das Toilettenpapier auf einmal knapp, in Folge des Energiekriegs wird es nun teuer.

Steigende Preise

Seit Anfang Jahr sind die Preise für WC-Papier um 35 Prozent gestiegen, jene für Haushaltspapier ebenfalls. Dafür gebe es verschiedene Gründe, wie der Migros-Zuständige für die Beschaffung erklärt. Erstens sei das Papier energieintensiv in der Herstellung, und die Energiepreise hätten sich seit 2021 mehr als verdoppelt.

Somit ist das teuere WC-Papier quasi die Folge der Folgen des Putin'schen Energiekriegs. Durch das russische Gasembargo gab es einen historisch einzigartigen Anstieg der Preise von Gas und Strom. Von geringerem Ausmass, aber dennoch deutlich, ist der Anstieg der Erdölpreise. Der Preisschub beim Strom war der Grund, warum sich Axpo unter den Rettungsschirm des Bundes flüchten musste. Das Energieunternehmen erhielt eine Kreditlimite von 4 Milliarden Franken. Und die generelle Preisexplosion bei den Energiekosten verteuert nun das WC-Papier.

Natürlich ist teures WC-Papier eine vergleichsweise nichtige Folge des Putin'schen Energiekrieges gegen den Westen - doch sie macht sichtbar, was zuvor, als Energie geradezu vernachlässigbar billig war, verborgen blieb: Wie gross die Abhängigkeit des Westens von russischer Energie ist. Und wie dieser Umstand alle Lebensbereiche durchdringt.

Der Rohstoff Holz kostet ebenfalls massiv mehr

Eine zweite Ursache für den Preisanstieg beim WC-Papier ist der gestiegene Holzpreis. Wie es von der Migros heisst, seien auch die Preise für den Ausgangsstoff Holz im Vergleich zum Vorjahr noch um 50 Prozent höher. Denn die Ukraine und Russland seien wichtige Herkunftsländer für Holz. Aus Russland darf kein Holz mehr bezogen werden -, weil westliche Sanktionen den Import verbieten. Und aus der Ukraine sei der Nachschub eingeschränkt.

Ein dritter Grund sei schliesslich die schwierige Logistik. Als Nachwirkung der Coronakrise wurden Lieferketten unterbrochen, die zuverlässige Lieferung wurde erschwert. Als Reaktion darauf werden gemäss Auskunft der Migros nun grössere Lager gehalten. Solche Lager wiederum verursachen ebenfalls höhere Kosten. Und zuletzt spielt auch der Fachkräfte-Mangel mit hinein. Ein Mangel an LKW-Fahrern führe zu deutlich höheren Kosten für die Logistik - und damit von WC-Papier.

Russland wolle das normale Leben aller europäischer Bürger zerstören, warnte der ukrainische Präsident Selenski. Wie zur Bestätigung erstellte der russische Erdgaslieferant Gazprom ein Video, das die Europäer verspotten soll. «Der Winter wird hart - nur Dämmerung und Schnee». Gazprom hat seine Gaslieferungen nach Europa auf unbestimmte Zeit eingestellt. Putin erhofft sich davon ein Wegbrechen der europäischen Unterstützung für die Ukraine.

WC-Papier ist nur eines von vielen Produkten, die heute deutlich mehr kosten als vor einem Jahr. Nimmt man alle Produkte und Dienstleistungen zusammen, die ein typischer Haushalt im Jahr konsumiert, so müssen dafür heute durchschnittlich 3.5 Prozent mehr ausgegeben werden.

Im Detailhandel gab es vor allem bei den Teigwaren einen deutlichen Preisanstieg. Im August kosteten sie 13 Prozent mehr. Auch in der Migros muss für Pasta einiges mehr bezahlt werden, wie Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen kürzlich in einem Interview mit Radio SRF bedauernd erwähnte. Milch und Joghurt kosteten fast 5 Prozent mehr, Butter fast 10 Prozent.

Preisschock beim Strom

Massiv teurer geworden sind auch Treibstoffe wie Benzin und Diesel. Sie kosten heute 28 Prozent mehr als im Vorjahr, wie sich im Landesindex für Konsumentenpreise ablesen lässt. Zuletzt wurde der Preisanstieg bei diesen Gütern jedoch gedämpft. Schaut man auf die Energiekosten fürs Wohnen, so kommt man auf einen Preisanstieg von 28 Prozent. Darin enthalten sind Gas, Heizöl, Brennholz sowie Strom. Dabei sind jedoch die neuen Stromtarife noch nicht einberechnet.

Die Behörde Elcom teilte am Dienstag mit, dass die Strompreise für einen typischen Haushalt in der Grundversorgung im nächsten Jahr auf 26.95 Rappen pro Kilowattstunde klettern werden. Das entspricht einer Zunahme von 27 Prozent. Die Unterschiede können lokal jedoch sehr viel höher ausfallen. Schuld daran sind wiederum die hohen Gas- und Kohlepreise «sowie die unterdurchschnittliche Produktionsfähigkeit der französischen Kernkraftwerke», wie die Elcom schreibt.

Zumindest bei Gütern des täglichen Bedarfs wie Pasta oder WC-Papier gibt es Hoffnung auf Besserung. Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen sagte kürzlich in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF, er rechne damit, dass im Herbst der Höhepunkt der Preissteigerungen absehbar sei und eine Stabilisierung einsetzen könnte. (bzbasel.ch)

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71 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RhabarBär
09.09.2022 06:56registriert Juni 2017
Dass sich die Preise für viele Lebensmittel und Artikel des täglichen Gebrauchs verteuern, verstehe ich und bin auch bereit, diesen Anstieg mitzutragen. Aber wetten, die Preise bleiben hoch, auch wenn sich die Rohmaterial- und Transportkosten wieder senken?
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Bikemate
09.09.2022 09:38registriert Mai 2021
Und schon schreien die rechten wir sollen die Sanktionen gegen Russland aufheben, damit wir wieder billige Energie bekommen.
Leute wir müssen da jetzt durch. Lieber etwas weniger Konsumgüter haben und dafür die Demokratie sichern.
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