Die Prozedur ist unbürokratisch und kostet 75 Franken: Wer innerlich davon überzeugt ist, dass er anstatt ein Mann eine Frau (oder umgekehrt) ist, kann beim Zivilstandsamt sein Geschlecht wechseln. Den Namen kann man ändern oder beibehalten. Fragen zum Transsein oder zur Transition sind ebenso wenig zulässig wie medizinische oder psychologische Atteste, wie das Transgender Netzwerk Schweiz festhält. Das Eidgenössische Parlament hat die entsprechende Änderung des Zivilgesetzbuches in der Wintersession 2020 verabschiedet, seit Anfang 2022 ist sie in Kraft. Im letzten Jahr liessen sich 616 Männer zu Frauen und 555 Frauen zu Männern erklären.
Konzipiert wurde die Änderung für Menschen mit Transidentität und intersexuelle Menschen. Jedes Jahr werden in der Schweiz etwa 40 Kinder geboren, bei denen das Geschlecht nicht eindeutig definiert werden kann. Die Betroffenen haben neu die Möglichkeit, die Geschlechtsänderung ohne Hürden im Personenstandsregister einzutragen - eine grosse Erleichterung.
Doch jetzt sorgt die neue Regelung für Schlagzeilen. In der «Sonntags-Zeitung» gab ein junger Mann zu, er sei nur zur Frau mutiert, um sich vor dem Militärdienst zu drücken. Über den Fall hatte auch watson berichtet. Im Zivilstandsamt sei der bürokratische Akt in zwei Minuten erledigt gewesen. Ihm sei keine einzige Frage gestellt worden.
Aus zweifelhaften Motiven wechselte Anfang 2022 auch ein gut 60-jähriger Mann aus dem Kanton Luzern sein Geschlecht. Er will ein Jahr früher in den Genuss einer AHV-Rente kommen, wie die «Luzerner Zeitung» berichtete.
Das Erschleichen einer falschen Beurkundung kann mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet werden. Bloss: Wie kann Missbrauch bewiesen werden, wenn keine Fragen zur Geschlechtsänderung gestellt werden dürfen?
In der Parlamentsdebatte warnten vor allem Vertreter der SVP, aber auch der Mitte vor den oben beschriebenen Schlaumeiereien. Die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter konterte die Bedenken mit Verweis auf internationale Erfahrungen; es gebe keine beschriebenen Missbrauchsfälle. Und: «Es ist gänzlich absurd, zu glauben, man würde sich einfach im Personenstandsregister zu einer Frau machen lassen, weil man nicht in den Militärdienst will.» Man ändere das Geschlecht nicht aus einer Laune heraus.
Die Gesetzesrevision steht aber bereits auf dem Prüfstand. Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat die Universität Freiburg mit einer Kurzevaluation beauftragt, wie BJ-Sprecherin Ingrid Ryser auf Anfrage sagt. Dabei gelte es auch zu untersuchen, ob sich die im parlamentarischen Diskurs geäusserten Befürchtungen bewahrheitet hätten. Aktuell liegen dem BJ keine Zahlen zu möglichen Missbrauchsfällen vor.
Übrigens: Der junge Mann erhielt trotz dem Geschlechtswechsel ein Aufgebot für die Armee. Der Grund: Zur Aushebung erschien er noch als Mann und war bereits für eine Rekrutenschule eingeteilt. Man habe ihn in der Folge automatisch den Frauen gleichgestellt, die freiwillig Militärdienst leisteten, sagte er der «Sonntags-Zeitung». Auch für dieses Problem fand der Mann, ein SVP-Mitglied, eine Lösung -und dies ausgerechnet bei der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Er liess sich von einem von der GSoA empfohlenem Psychiater für dienstuntauglich erklären. (aargauerzeitung.ch)
wenn ich meinen nachnamen ändern lassen will, geht dies (wenn überhaupt) nur mit einem psychologischen gutachten.
wenn ich mein geschlecht im pass ändern lassen will, geht man schnell zum zivilstandsamt und zahlt 75.-