Im letzten August eroberten sie Kabul. Die Bilder gingen um die Welt: Verzweifelte Menschenmassen, die versuchten, auf das noch von den abziehenden US-Soldaten kontrollierte Flughafengelände in Afghanistans Hauptstadt vorzudringen. Jetzt sind sie in Genf angekommen: Die Rede ist von den Taliban, den neuen Machthabern von Afghanistan.
Am Sonntag ist eine Delegation der radikalislamistischen Bewegung in der Schweiz angekommen. Das Westschweizer Radio RTS berichtet mit Berufung auf afghanische Medienkreise von einer elfköpfigen Delegation unter der Leitung von Latifullah Hakimi, einer Führungsfigur der Taliban, der gleichzeitig einen hochrangigen Posten im Verteidigungsministerium besetzt.
An den Lac Léman gereist sind die Islamisten auf Einladung der Nichtregierungsorganisation «Appel de Genève», die seit Jahrzehnten in Afghanistan humanitäre Hilfe leistet. Deren Direktor Alain Delétroz sagte gegenüber Radio RTS, man rede mit der Taliban-Delegation «ausschliesslich über humanitäre Themen» drehe. 23 Millionen Afghaninnen und Afghanen lebten unter der Armutsgrenze, die humanitäre Lage sei schlimm. Die Delegation aus Kabul wird sich laut Medienberichten auch mit Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sowie von Médecins sans frontières (MSF) treffen.
Auch die offizielle Schweiz trifft sich mit den Taliban. Das Aussendepartement EDA bestätigte gegenüber RTS ein Treffen im Lauf dieser Woche. Über dessen Inhalt schweigt man sich mit Verweis auf den «vertraulichen Rahmen» aus. Auf Seiten des EDA sind die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), die Abteilung Frieden und Menschenrechte und die Politische Abteilung für Asien und Pazifik an den Gesprächen beteiligt.
Der Bund sei nicht Organisator des Taliban-Besuchs in Genf, betont das EDA gegenüber RTS. Dieser erfolge auf Einladung der Zivilgesellschaft. Die Anwesenheit einer Delegation auf Schweizer Boden stelle «keine Legitimation oder Anerkennung» der Taliban dar. Aber man müsse mit den «De-facto-Behörden» Afghanistans sprechen, heisst es beim EDA.
Keine Freude an dem Treffen der offiziellen Schweiz mit der Taliban-Generation hat der amtierende Botschafter Afghanistans bei der UNO in Genf, Nasir Ahmad Andisha.
In einem am Dienstag veröffentlichten Statement nennt er den Besuch in Genf «beunruhigend». Zwar sei ein internationaler Dialog über humanitäre Hilfe und die Menschenrechtssituation in Afghanistan nötig. Aber es sei «fragwürdig», sich mit den Taliban an einen Tisch zu setzen, solange diese in Afghanistan systematisch folterten, Menschenrechte verletzten, Frauen und Mädchen das Recht auf Bildung verweigerten und die Presse unterdrückten.
Statement of the Embassy and Permanent Mission: A Taliban delegation is said to have arrived in city of Geneva.The purpose of the visit, according to the sponsoring Geneva based NGO is a discussion on humanitarian aid and international humanitarian law with relevant aid agencies. pic.twitter.com/GbfVGYKB2A
— Afghanistan in Geneva (@AfghanistanInCH) February 9, 2022
Botschafter Andisha wurde noch von der Vorgängerregierung ernannt. Weil die UNO die Taliban bisher nicht anerkannt hat, vertritt er weiterhin sein Heimatland in Genf. (saw/aargauerzeitung.ch)
Abgesehen davon. Man kann natürlich mit den Taliban reden und immer nachschieben, man erkenne sie nicht an. Allerdings zementiert man damit, verbunden mit Hilfe, trotzdem ihre Macht.