Egal, wo man derzeit hinsieht, es zieren Wölfe, Kampfjets oder frischgebackene Väter die Plakatwände der Schweiz. Sie alle mobilisieren für die Abstimmungen am 27. September. Dieser Meinungskampf von Parteien und Komitees kostet Geld. Sehr viel Geld. Doch woher genau Spenden und Zuwendungen kommen und wer wie viel kriegt, muss auf nationaler Ebene nicht offengelegt werden.
Die Transparenz-Intiative will das ändern. Heute Donnerstag wird die Vorlage im Nationalrat diskutiert – und die Meinungen sind gespalten.
Im Dezember 2019 debattierte der Ständerat ein erstes Mal über die Initiative. Auch die kleine Kammer will die Politikfinanzierung transparenter gestalten, jedoch nicht im gleichen Ausmass, wie das der ursprüngliche Vorschlag fordert. Zudem will der Rat die transparente Finanzierung per Gesetz und nicht in der Verfassung regeln.
Der im Dezember 2019 beschlossene indirekte Gegenvorschlag sieht Folgendes vor:
Der Ständerat geht mit diesem Vorschlag weniger weit als das Initiativkomitee. Dieses fordert bereits eine Offenlegung von Einnahmen und Zuwendungen ab 10'000 respektive 100'000 Franken (siehe Infobox).
Nichts von der Offenlegung der Geldgeber hielt die staatspolitische Kommission des Nationalrats. Sie will, dass Spender auch in Zukunft anonym bleiben – egal, wie hoch die Summen sind. 12 Nationalrätinnen und Nationalräte fanden, dass eine Offenlegung ein zu grosser Eingriff in die Privatsphäre von Spenderinnen und Spendern wäre. 11 plädierten für volle Transparenz.
Nur kampagnenführende Personen und Personengesellschaften sollen ihre Einnahmen und Ausgaben offenlegen, wenn sie mehr als 50'000 Franken aufwenden.
Heute Donnerstag debattiert der Nationalrat über die Initiative und den indirekten Gegenvorschlag der staatspolitischen Kommission. Die Fronten sind gespalten.
Eine Minderheit, darunter Nadine Masshardt, SP-Nationalrätin und Co-Präsidentin des Trägervereins Transparenz-Initiative, kämpft für die ursprüngliche Initiative. «Der Vorschlag der Nationalratskommission ist wirkungslos. Das entspricht alles andere als dem, was wir fordern», so Masshardt. Das Kernanliegen der Initiative sei es, die Namen von Grossspendern offenzulegen. «Diese Forderung wurde von der Nationalratskommission gestrichen. Der Nationalrat muss diesen Entscheid nun korrigieren, sonst wird der Gegenvorschlag zur Farce.»
Auch Marianne Streiff-Feller, EVP-Präsidentin und Nationalrätin, spricht sich für eine transparente Finanzierung aus. Sie ist gegen den von der Kommissionsmehrheit verabschiedeten Gegenvorschlag. «Die bürgerlichen Parteien ignorieren den Wunsch der Bevölkerung nach mehr Transparenz», so Streiff-Feller. Zur Frage, weshalb es primär Vertreterinnen und Vertreter von FDP und SVP sind, die Grossspender weiterhin anonym behalten wollen, sagt sie: «Ich kann es mir nur damit erklären, dass es diese Parteien sind, die von Grosskonzernen Spenden erhalten und Angst haben, dass mit mehr Transparenz gewisse Zuwendungen verloren gehen würden.»
Vehement gegen diesen Vorwurf, wie auch gegen die Transparenz-Initiative, wehrt sich die SVP: «Beispiele in der Schweiz und im Ausland zeigen einfach, dass solche Gesetze nicht funktionieren und einen Bürokratieschwanz nach sich ziehen», sagt SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann.
Steinemann ärgert sich auch über den altbekannten Vorwurf, wonach alt Bundesrat Christoph Blocher die Partei durchfüttere. «Wenn es so wäre, könnte man eine Offenlegung auch ganz einfach umgehen, in dem Blocher über andere Privatpersonen oder Stiftungen kleinere Beträge spendet.»
Eine Kehrtwendung macht die FDP. Sie unterstützt den von der Kommissionsmehrheit verabschiedeten Gegenvorschlag, obwohl sie sich zu Beginn der Debatte sehr kritisch zur Initiative äusserte.
Man wolle, dass Parteien und Komitees schon ab 50'000 Franken ihre Einnahmen und Ausgaben offenlegen, nicht aber die Namen der Spender. «Eine Publikation der Spendernamen würde das Schweizer Milizsystem gefährden, da die Initianten letztlich auf die staatliche Finanzierung des Parteiensystems abzielen», schreibt die FDP in einer Mitteilung.
Die Debatte über eine transparente Politfinanzierung ist keineswegs neu. Einige Kantone, darunter das Tessin und Genf, haben bereits seit mehr als 20 Jahren Transparenzgesetze. Die Kantone Freiburg und Schwyz haben 2018 ähnliche Verfassungsbestimmungen beschlossen und arbeiten derzeit an deren gesetzlicher Umsetzung.
Zudem stimmt die Stadt Bern am 27. September als erste Schweizer Stadt über eine transparente Parteienfinanzierung ab.