Voraussichtlich am 31. August wählt die Jahresversammlung der Juso Schweiz ein neues Gesicht an die Parteispitze, nachdem die amtierende Präsidentin Tamara Funiciello Anfang April ihren Rücktritt angekündigt hatte.
Das Juso-Präsidium ist in den letzten Jahren zu einem Amt mit grosser Aussenwirkung geworden. Die mitgliederstärkste Jungpartei der Schweiz schaffte es, mit eigenen Volksinitiativen (1:12, Nahrungsmittel-Spekulation) sowie einer konfrontativen Politik und medial gekonnt inszenierten Aktionen immer wieder in die Schlagzeilen. Funiciellos Vorgänger Cédric Wermuth (Juso-Präsident zwischen 2008 und 2011) und Fabian Molina (2014-2016) nutzten das Amt als Sprungbrett für ihre politische Karriere und sitzen unterdessen im Nationalrat.
Es erstaunt daher wenig, dass sich die Juso keine Sorgen über mangelndes Interesse an der Funiciello-Nachfolge machen muss. Mindestens fünf Parteimitglieder, die Juso-intern als mögliche Anwärter gehandelt werden, ziehen eine Kandidatur in Erwägung.
Zum Anforderungskatalog für das Präsidium gehören für den früheren Juso-Chef Fabian Molina neben inhatlicher Sattelfestigkeit «grosses Kommunikationstalent, Mut und die Fähigkeit, Gegenwind aushalten zu können», wie er im Gespräch mit watson sagt. Es sei ein Amt «mit grosser Bedeutung für die politische Linke in der ganzen Schweiz», sagt Molina. Damit verbunden sei nicht nur die Führung der grössten und aktivsten Jungpartei des Landes, sondern auch erheblicher Einfluss auf den politischen Kurs der SP. Molina zeigt sich überzeugt davon, dass es innerhalb der Juso genügend geeignete Kandidatinnen und Kandidaten gibt.
Eine, der parteiintern viele das nötige Format zusprechen, ist die 24-jährige Ronja Jansen, Co-Präsidentin der Juso Baselland und Mitglied der nationalen Geschäftsleitung. Bei einem «Arena»-Auftritt im Februar fiel sie mit einer rhetorischen Breitseite gegen SVP-Hardliner Andreas Glarner auf, den sie als «rechten Hetzer» bezeichnete. «Grundsätzlich würde mich das Amt reizen», sagt Jansen zu watson. Sie mache sich derzeit Gedanken über eine Kandidatur und spreche mit ihrem Umfeld darüber. Entscheiden will sie sich in den nächsten Wochen. Das Amt sei eine – auch zeitlich – anspruchsvolle Aufgabe: «Mein Leben würde sich stark verändern», sagt Jansen, die neben ihrem Studium für die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) arbeitet.
Ebenfalls häufig fällt der Name von Mia Jenni (24), die bis vor kurzem die Aargauer Juso-Sektion präsidierte und im Herbst für den Nationalrat kandidiert. Sie überlegt sich ebenfalls eine Kandidatur. Das Amt sei eine «riesige Verantwortung» und bringe einem in eine sehr exponierte Position, sagt Jenni. Daneben stellten sich auch ganz pragmatische Fragen: «Ich stehe kurz vor meinem Studiumsabschluss. Als Juso-Präsidentin würde sich das nach hinten verschieben.»
Auch die Zürcher Kantonsrätin Hannah Pfalzgraf (22) zeigt sich auf Anfrage am Amt interessiert: «Ich überlege mir eine Kandidatur und will mich bis Mitte Mai entscheiden». Auch für sie stehe die Frage der Vereinbarkeit mit anderen Verpflichtungen im Vordergrund: «Das Präsidium liesse sich nicht mit dem Kantonsratsamt und meinem Studium vereinbaren. Letzeres müsste ich pausieren.»
Ebenfalls aus dem Kanton Zürich kommt die 21-jährige Nadia Kuhn, Co-Präsidentin der Juso-Kantonalsektion: «Auch ich prüfe momentan eine Kandidatur». Bei dieser Überlegung spielten viele Faktoren eine Rolle, sagt Kuhn, die im Sommer die Matura macht. Sie sieht das Amt als «riesige Chance», für ihre politischen Werte einzustehen. Sie engagiere sich schon länger in der Umweltpolitik und würde im Falle einer erfolgreichen Kandidatur versuchen, das Profil der Juso in diesem Bereich noch zu schärfen.
Mit dem Stadtzürcher Nicola Siegrist (22) überlegt sich auch ein Mann eine Kandidatur. Nebst der Vereinbarkeit mit seinem Studium an der ETH macht sich Siegrist auch Gedanken über die Geschlechterfrage: «Die Juso Schweiz hat sich den Kampf für die Gleichstellung auf die Fahnen geschrieben und es gibt viele Frauen, die sich hervorragend für das Präsidium eignen.» Dennoch spricht er von einem «sehr spannenden Amt». Es biete die Chance, die grösste und aktivste Jungpartei der Schweiz zu führen.
Der Walliser Simon Constantin (23), parteiintern ebenfalls als valabler Kandidat genannt, winkt hingegen ab: «Zum jetzigen Zeitpunkt kommt das Amt für mich nicht infrage», sagt der Präsident der Juso des französischsprachigen Wallis. Er wolle sein Studium als Umweltingenieur an der ETH Zürich beenden. Ob sich die Frage einer Kandidatur zu einem späteren Zeitpunkt stelle, könne er heute noch nicht sagen. Constantin würde es begrüssen, wenn die Juso-Spitze in Frauenhand bliebe: «Gerade die Anfeindungen gegen Tamara Funiciello haben gezeigt, dass es noch ein weiter Weg ist, bis Frauen in der Politik gleich behandelt werden wie Männer.» Die Juso tue deshalb gut daran, mit einer Frau als Präsidentin etwas zu ändern.
Die amtierende Juso-Präsidentin Tamara Funiciello war in den sozialen Medien und in Leserkommentaren Anfeindungen und Hass in einem Ausmass ausgesetzt wie kaum eine andere öffentliche Person in der Schweiz. Alle angefragten Interessenten bestätigen aber, dass die Exponiertheit, die das Juso-Präsidium mit sich bringe, in die Überlegungen miteinfliesse.
Doch ein Hinderungsgrund ist das für niemanden. Besonders die Frauen weisen auf die Verdienste von Funiciello hin, parteiintern und darüber hinaus ein starkes Netzwerk aufgebaut zu haben, das bei Anfeindungen gegen Jusos Unterstützung, Sicherheit und Halt biete. Stellvertretend für alle Angefragten sagt etwa die Aargauerin Mia Jenni: «Ich bewundere Tamara Funiciello dafür, wie sie damit umgegangen ist.»
Wer sich am Ende tatsächlich für eine Kandidatur entscheidet und schlussendlich das Rennen machen wird, ist derzeit schwierig zu prognostizieren. 2016 etwa sahen Beobachter Funiciellos Konkurrentin Samira Marti im Vorteil. Die unterdessen in den Nationalrat nachgerückte Baselbieterin unterlag bei der Wahl durch die Delegierten aber der Bernerin Funiciello. Eine Prognose oder gar eine Wahlempfehlung will deshalb auch der frühere Juso-Präsident Fabian Molina nicht abgeben: «Parteiinterne Wahlen bei der Juso haben jeweils ihre ganz eigene Dynamik.»
-> weils ja Gleichberechtigung ist, sind Männer eher weniger geeignet? 🥴