Schweiz
Gesellschaft & Politik

Pelzverbot: Luzerner Kürschner über Quälpelz und Fleischesser

«Wer Fleisch isst, kann auch Pelz tragen»: Schweizer Pelzhersteller über mögliche Folgen

Pelz am Pranger: Am Mittwoch hat das Parlament die Initiative, die ein Verbot von Quälpelz fordert, gutgeheissen. Ein Luzerner Kürschner verrät, wie ihn das Vorhaben betrifft – und was ihn ärgert.
17.09.2025, 16:1917.09.2025, 16:30
Julian Spörri / ch media
Kürschner René Sigrist, Pelz, Luzern
René Sigrist in seinem Atelier: Mit der blauen «Zweckpistole» bringt er das Fell in die gewünschte Form.Bild: chmedia/patrick hürlimann

Die Pelznähmaschine aus Stahl auf dem kleinen Schreibtisch hat schon 60 Jahre auf dem Buckel – doch sie näht noch immer zuverlässig Tierfelle zusammen. Rundherum im Raum hängen Pelze: Schweizer Fuchs, kanadischer Biber, namibisches Schaf. Wir befinden uns im Reich von René Sigrist. Hier in seinem Atelier schneidet und näht der 58-Jährige Felle. Und streckt sie mit der «Zweckpistole», die griffbereit von der Decke baumelt und die Felle formstabil macht.

René Sigrist ist Kürschner: Er verarbeitet Tierfelle zu Pelzkleidern. Nur ein Dutzend Menschen in der Schweiz gehen diesem Beruf nach. Die meisten Kleider mit Pelz werden von internationalen Marken verkauft. Sigrist wurde das Handwerk in die Wiege gelegt: Er führt das Geschäft «Sigrist – Mode in Pelz» in Willisau in dritter Generation. Schon als 5-Jähriger habe er gewusst, dass er Kürschner werden wolle, sagt der Luzerner, der im Obergeschoss des 1927 eröffneten Pelzgeschäfts aufwuchs.

Pelz
Die Pelznähmaschine mit Jahrgang 1965.bild: chmedia/patrick hürlimann

Bundesrat setzt auf Gegenvorschlag

Anders als noch zu Grossvaters Zeiten ist das Handwerk heute eine hochpolitische Affäre. Am Mittwoch diskutierte der Nationalrat die von Tierschützern eingereichte Pelz-Initiative: Sie fordert ein Einfuhrverbot für «tierquälerisch» erzeugte Pelzprodukte wobei als Massstab die Schweizer Tierschutzvorschriften gelten sollen. Der Bundesrat sieht dadurch handelsrechtliche Verpflichtungen verletzt. Er lehnt die Initiative ab, nicht aber den Ruf nach einem Verbot.

Der Nationalrat hat die Initiative gutgeheissen; jetzt geht sie an den Ständerat.

Bereits per 1. Juli 2025 trat eine Verordnung in Kraft, die nach einer zweijährigen Übergangsfrist ein Importverbot für «tierquälerisch» erzeugte Pelze vorsieht. Mit einem indirekten Gegenvorschlag zur Pelz-Initiative möchte der Bundesrat das Verbot nun auf Gesetzesstufe heben. Bei der Definition von «tierquälerisch» will er sich dabei an den fünf Leitprinzipien der Weltorganisation für Tiergesundheit orientieren. Eines davon lautet: «Freiheit von Verletzungen, Schmerzen und Krankheit.»

Wie der Pelzfachverband SwissFur unterstützt auch René Sigrist den Gegenvorschlag. Der Handlungsbedarf ist unbestritten: Denn die 2013 in Kraft getretene Pelzdeklarationsverordnung, die Verkäufer zu Transparenz über die Herkunft und Tötungsmethode der verarbeiteten Tiere verpflichtete, wurde ungenügend umgesetzt. Bei Kontrollen waren bis zu 80 Prozent der Deklarationen mangelhaft. Dafür seien nicht die Kürschner verantwortlich, sondern andere Verkaufsstellen wie Modeboutiquen, betont SwissFur-Präsident Ivan Benjamin.

Die Krux mit den Schlagfallen für Biber

Solches Fehlverhalten ärgere ihn sehr, sagt René Sigrist, der laut eigenen Angaben nur einmal kontrolliert wurde  ohne Beanstandung. Gleichzeitig tue es ihm weh, dass die Initiative eine ganze Branche unter «Generalverdacht» stelle. «Wer Fleisch isst, kann gerade so gut Pelz tragen», findet Sigrist.

Beim Rundgang durch sein Geschäft versucht er, das negative Pelz-Bild zu korrigieren. Etwa, als er hinten im Atelier auf einen Nerzmantel zeigt. «Diesen hat ein Mann von seiner Grossmutter geerbt, findet ihn aber nicht schön», sagt der Kürschner. Er wird den Mantel nun in seine Einzelteile zerlegen und ein Gilet daraus nähen. «Das ist viel nachhaltiger, als einen Kunstpelz aus Rohöl zu kaufen, den man nach zwei Saisons wieder wegwirft!»

Bei einem Ja zur Initiative würde sich Sigrist stärker auf solche Neugestaltungen fokussieren. Auch die Verarbeitung von Fellen von Schweizer Füchsen, die der Luzerner von Jägern bezieht, wäre von der Initiative nicht tangiert. Anders ist die Situation beim Biber. Auf dem Etikett einer Samt-Biberjacke liest die Kundin: «Wildfang aus in der Schweiz nicht zugelassener Fallenjagd». Und weiter: Die Jagd erfolgte gemäss den Tierschutz- und Jagdgesetzen der USA und Kanada. Sigrist betont: «Die Biber werden zur Bestandsregulierung in jedem Fall gejagt. Ihr Fell zu verbrennen macht keinen Sinn.»

Kürschner René Sigrist, Pelz, Luzern
Bevor Biberpelz so weich ist wie auf dem Bild, wird das Fell entgrämt und geschoren.Bild: chmedia/patrick hürlimann

Tierschützer warnen vor «Verwässerung» der Vorlage

Tierschutzorganisationen bezeichnen den Einsatz von Schlagfallen jedoch als «Tierquälerei». Sie bürgen das Risiko, dass Tiere nicht sofort stürben und leiden müssten. Zudem könnten geschützte Tiere versehentlich in der Falle landen. Derweil möchte der Bundesrat den Einsatz der in der Schweizer Jagd verbotenen Fallen bei Importprodukten nicht unterbinden  sofern die Tiere «augenblicklich artgerecht erschlagen werden».

«Wenn ein Tier leidet und lange in einer Falle liegen bleibt, dann geht das Fell sowieso kaputt», sagt René Sigrist. Bei den Bibern aus Nordamerika kämen deshalb zertifizierte Fallen zum Einsatz.

Die Zertifizierung ist jedoch der grosse Zankapfel zwischen der Pelzindustrie und Tierschützern: Wer zertifiziert und auf der Basis welcher Kriterien?

Der Bundesrat setzt im Gegenvorschlag auf ein nationales Zertifizierungsprogramm, um den Pelzimport zu kontrollieren. Die vorberatende Nationalratskommission lehnt diese Sonderlösung ab. Sie verlangt, auf internationale Bewilligungsstandards wie die Furmark-Zertifizierung zurückzugreifen. Bei dieser kann die Kundschaft per QR-Code ein Produkt zurückverfolgen. Weil die Zertifizierung aber von der Pelzbranche entwickelt wurde, warnen Tierschützer vor einer «inakzeptablen Verwässerung» des bundesrätlichen Gegenvorschlags.

Pelz als Billigware vs. Luxusgut

SwissFur-Präsident Ivan Benjamin wehrt sich gegen die Kritik. Und macht ein Beispiel: «Die Furmark-Zertifizierung schliesst den Import von chinesischen Pelzen in die Schweiz aus, da es keine Kontrollmöglichkeiten in China gibt.»

Aus dem Reich der Mitte ist bekannt, dass Tiere vielfach in engen Käfigen für die Pelzproduktion gehalten werden  Pelze, die als billige Massenware in der Schweiz verkauft werden. Aber nicht in Sigrists Geschäft in Willisau: Hier spielen die Pelze in einer anderen Preisklasse. Seinen Kundinnen und Kunden seien die persönliche Beratung und transparente Deklaration wichtig, betont Sigrist – und genau deshalb laufe das Geschäft gut. Die Mehrheit der Kundschaft ist dabei über 50 Jahre alt. Männer interessieren sich vor allem für pelzgefütterte Jacken, Frauen für Mäntel. Wie den Bibermantel für 3500 bis 4500 Franken.

Kürschner René Sigrist, Pelz, Luzern
René Sigrist in seinem Laden mit einer Decke aus Fuchsfellen: Diese seien bei Jägern beliebt.Bild: chmedia/patrick hürlimann
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Google trägt heute Pelz – zu Ehren von Meret Oppenheim
1 / 12
Google trägt heute Pelz – zu Ehren von Meret Oppenheim
Google feiert heute den Geburtstag der Schweizer Künstlerin und Lyrikerin Meret Oppenheim.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Luxusmarken verzichten zunehmend auf Tierpelze
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
104 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
ABWESEND
17.09.2025 16:35registriert September 2024
also es ist ja schon ein Unterschied ob ich Rind esse und aus dem Fell Lederware oder sonst was hergestellt wird oder ob ich extra Nerz züchte und töte nur um Pelz herzustellen.

beim ersten lebt und stirbt es immerhin um alles zu verwenden. beim zweiten stirbt es einfach für Mode.
18719
Melden
Zum Kommentar
avatar
bbelser
17.09.2025 16:53registriert Oktober 2014
"Wer Fleisch isst, kann auch Pelz tragen"

War mir neu, dass die Leute Fuchs-, Nerz- und Biberfleisch essen...

Pelztragen ist ein ebenso sinnbefreites und ignorantes Luxus-Konsum-Verhalten wie z.B. Grosswildjagd.

Egoistische Dekadenz einer übersättigten Konsumismus-Haltung.

Nein danke!
14525
Melden
Zum Kommentar
avatar
Uhu-ciao
17.09.2025 17:08registriert August 2022
"Die Mehrheit der Kundschaft ist dabei über 50 Jahre alt. (...) Bibermantel für 3500 bis 4500 Franken."

Und das ist der entscheidende Punkt. Wenn Inuits oder andere Völker im hohen Norden oder tiefen Süden Pelz tragen, kann ich das nachvollziehen.

Hier ist es dekadenter Luxus, für elitäre Karens die damit durch Gstaad oder St. Moritz stolzieren. Natürlich wirds vom Händler mit Nachhaltigkeit gerechtfertigt, damit sich die Karens in ihrem Konsumwahn ein bisschen besser fühlen.
9311
Melden
Zum Kommentar
104
Swissmedic widerspricht Donald Trump
Die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic widerspricht US-Präsident Donald Trump. Laut Swissmedic bleibt das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Paracetamol während der Schwangerschaft unverändert positiv, wie die Behörde in einer Stellungnahme schreibt.
Zur Story