Schweiz
Gesellschaft & Politik

Bundesrichterwahl: Julia Hänni ans Bundesgericht gewählt

Nach SVP-Rückzieher: CVP-Richterin Hänni ans Bundesgericht gewählt

19.06.2019, 08:4919.06.2019, 11:41
Mehr «Schweiz»
Die neu gewaehlte Bundesrichterin Julia Haenni posiert waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 19. Juni 2019 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Die neugewählte Bundesrichterin Julia Hänni.Bild: KEYSTONE

Die Bundesversammlung hat am Mittwoch die CVP-Kandidatin Julia Hänni als Nachfolgerin des SVP-Richters Peter Karlen ans Bundesgericht gewählt. Der Kandidat, mit welchem sich die SVP die Stelle sichern wollte, zog sich kurzfristig zurück.

Die SVP hatte Thomas Müller (BE) aufgrund seiner Qualifikationen und des Parteienproporzes portiert. Die Kommission hingegen empfahl die CVP-Kandidatin zur Wahl, obwohl ein SVP-Vertreter aus dem Gericht austritt.

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) erläuterte vor der Wahl vor der vereinigten Bundesversammlung, die SVP sei seit 2015 mit 1,5 Richtern untervertreten. Würde die CVP-Kandidatin gewählt, würde sich dies weiter verstärken. Die SVP könne die Argumente derjenigen Parteien, welche den Proporz nicht unterstützen, nicht verstehen.

Thomas Müller habe jedoch an der Kommissionssitzung am Mittwochmorgen entschieden, seine Kandidatur zurückzuziehen. Die SVP hoffe, dass sich das Parlament bei den Richterwahlen im September an den Proporz halten werde.

Julia Hänni wurde von der Versammlung mit 151 von 173 gültigen Stimmen gewählt. Der Parteienproporz sei ein wichtiges Kriterium, aber nicht das einzige, sagte CVP-Sprecher Leo Müller (LU). Die Gerichtskommission habe dabei einen gewissen Spielraum. Der Parteienproporz könne bei den bald anstehenden Neubesetzungen wieder hergestellt werden.

Hänni an Abteilung für Grundrechte

Julia Hänni (CVP) wird damit ordentliche Richterin in deutscher Sprache an der Zweiten öffentlich-rechtliche Abteilung vorgeschlagen. Diese Abteilung kümmert sich um Grundrechte, Steuerrecht, Ausländerrecht und öffentliches Wirtschaftsrecht.

Für die Stelle des Richters in französischer Sprache wurde Bernard Abrecht (SP) gewählt mit 157 von 173 gültigen Stimmen. Er übernimmt die Stelle von Jean-Maurice Frésard (SP) an der Ersten sozialrechtlichen Abteilung empfohlen, die sich um die Invalidenversicherung, Unfallversicherung, Sozialhilfe und das öffentliche Personalrecht kümmert. Frésard und Karlen treten per 30. Juni 2019 zurück.

Gewählt hat die Bundesversammlung zudem Monika Galliker - mit 209 von 209 Stimmen - als nebenamtliche Richterin italienischer Sprache am Bundesstrafgericht für den Rest der Amtsperiode 2016 bis 2021. Sie übernimmt die Stelle von Claudia Solcà (CVP/TI), welche im Sommer 2018 als ordentliche Richterin an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts wechselte.

Galliker ist Mitglied der CVP. Bei den nebenamtlichen Richtern ist die Partei leicht über-, bei den ordentlichen Richtern leicht unter vertreten. Die Kommission hat diesem Umstand gemäss eigenen Angaben eine geringere Bedeutung zugemessen, weil es schwierig gewesen sei, eine geeignete Person zu rekrutieren. Zudem würde sich mit ihrer Wahl die Untervertretung der Frauen am Bundesstrafgericht verringern.

Galliker hat Jahrgang 1968 und das Anwaltspatent des Kantons Tessin. Dort arbeitete sie zunächst bei der Staatsanwaltschaft als juristische Sekretärin, dann als stellvertretende Staatsanwältin und später als Staatsanwältin. Danach wechselte sie an die Beschwerdekammer des Berufungsgerichts von Lugano.

Wiederwahl von Lauber noch offen

Die Bundesversammlung bestätigte zudem die stellvertretenden Bundesanwälte Ruedi Montanari und Jacques Rayroud mit je 207 von 233 gültigen Stimmen im Amt für die Periode 2020 bis 2023.

Ausserdem steht die Wiederwahl des Bundesanwalts Michael Lauber an; er hat sich zur Wiederwahl gestellt. Die Gerichtskommission verschob diese Wahl jedoch, weil die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren gegen Lauber eröffnet hatte. Hintergrund sind nicht dokumentierte informelle Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino. Im Raum steht auch der Verdacht der Amtsgeheimnisverletzung, weil unbeteiligte Dritte an den Treffen teilnahmen.

Das Bundesstrafgericht in Bellinzona entschied am Dienstag, dass diese Treffen den Verfahrensregeln widersprechen. Lauber muss daher bei den Untersuchungen im Fussball-Verfahrenskomplex in Ausstand treten. Über seine Wiederwahl wollte die Bundesversammlung voraussichtlich im Herbst entscheiden. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
25 Bilder zeigen unsere Classe politique beim Schaffen in Bern
1 / 27
25 Bilder zeigen unsere Classe politique beim Schaffen in Bern
Daniel Jositsch (SP/ZH).
quelle: keystone / lukas lehmann
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Blocher: «Wir haben der Klima-Walze nichts entgegenzusetzen»
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
26 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Holzkopf
19.06.2019 10:21registriert November 2017
Man wünscht sich sehr, dass Parteipolitik beim Bundesgericht keine Rolle spielt. Es ist aber trotzdem ein Fakt, dass die Rechtssprechung zu einem erheblichen Teil flexibel ist und deshalb Haltungsfragen sehr wohl einfliessen.
Ich wäre ja froh, hätte die SVP möglichst wenig Einfluss. Trotzdem kann man nicht leugnen, dass sie eben bzgl. Parteistärke führend ist und somit aus dem demokratischen Grundgedanken heraus auch gerechtfertigterweise überproportional vertreten sein darf.
Die Argumentation, dass die Parteizugehörigkeit aber eben nicht das einzige Kriterium ist, scheint mir ausschlaggebend.
4210
Melden
Zum Kommentar
avatar
sheimers
19.06.2019 12:27registriert April 2014
Der Parteienproporz der Richter wird im Herbst durch eine Reduktion der SVP-Sitze im Nationalrat wieder hergestellt.
3212
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrancoL
19.06.2019 11:08registriert November 2015
Das Recht in in vielen Fällen auch eine Auslegungssache und die ist von der Sicht und dem Umfeld des Richters geprägt. Also wird die Parteizugehörigkeit immer eine wichtige Rolle spielen.
204
Melden
Zum Kommentar
26
«Staat und Kapitalismus brauchen normierte Gutmenschen»
In seinem Buch «Die Verselbstständigung des Kapitalismus» beschreibt der Ökonom Mathias Binswanger, wie sich Grossunternehmen und der Staat dank der Künstlichen Intelligenz verhängnisvoll ergänzen.

«Menschen reagieren auf Anreize», lautet die psychologische Grundlage der Ökonomie. Gilt das auch für Sie?
Mathias Binswanger: Sind die Anreize stark genug, können sich Menschen nur schwer gegen sie zur Wehr setzen.

Zur Story