Schweiz
Gesellschaft & Politik

Schweiz: Fünf Altbundesräte kämpfen gegen die 13. AHV-Rente

Fünf Altbundesräte kämpfen gegen die 13. AHV-Rente – Ruth Dreifuss kritisiert das

In der Schweiz halten sich Altbundesräte im Abstimmungskampf für gewöhnlich zurück. Deshalb erregt es Aufsehen, wenn gleich fünf bürgerliche Bundesräte in einem eindringlichen Brief gemeinsam gegen die 13. AHV-Rente antreten.
06.02.2024, 21:4706.02.2024, 21:57
Othmar von Matt / ch media
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Der Brief hat eine eindringliche Tonlage. «Wir wenden uns heute mit ernster Besorgnis an Sie», schreiben die Verfassenden. «Es geht um die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente. Was verlockend klingt, ist brandgefährlich.»

Ruth Dreifuss, ancienne conseillere federale et membre de la Commission globale de politique en matiere de drogues, s'exprime lors d'une conference de presse a l'occasion du le local d& ...
Die ehemalige Innenministerin Ruth Dreifuss kritisiert den gemeinsamen Auftritt der fünf bürgerlichen Altbundesratsmitglieder.Bild: keystone

Es sind die Absender, die das Schreiben ungewöhnlich machen: fünf bürgerliche Altbundesratsmitglieder. Adolf Ogi (81, SVP), Doris Leuthard (60, Mitte) und Johann Schneider-Ammann (71, FDP) signierten die deutsche und Joseph Deiss (78, Mitte) und Pascal Couchepin (81, FDP) die französische Version des Briefes.

«Die 13. AHV-Rente würde Mehrkosten von jährlich 5 Milliarden Franken verursachen», warnen die fünf Altmagistraten darin. «Dafür müsste per 2026 die Mehrwertsteuer um 1 Prozent erhöht werden. Das würde das Leben für alle verteuern.» Die AHV stehe generell vor grossen finanziellen Herausforderungen: «Schon in sechs Jahren sind die laufenden Renten nicht mehr durch die Einnahmen gedeckt.»

Es ist die Allianz «Nein zur 13. AHV-Rente», die den Brief der Altbundesräte in diesen Tagen an rund 700'000 Rentnerinnen und Rentner in der Deutschschweiz verschickt, wie «20 Minuten» schreibt. In der Westschweiz erscheint der Brief als Inserat in regionalen Zeitungen.

So sieht das Schreiben aus:

Bild
Bild: Allianz «Nein zur 13. AHV-Rente»

Ruth Dreifuss kritisiert den koordinierten Auftritt

In der Schweiz ist es eher unüblich, dass sich Altmagistraten in einen Abstimmungskampf einmischen. Umso ungewöhnlicher ist es, wenn es derart massiv geschieht. Für Ruth Dreifuss (83, SP), Innenministerin von 1993 bis 2002, geht das zu weit. Dreifuss hatte mit der 10. AHV-Revision die Gleichberechtigung der Frauen vorangetrieben.

«Ich finde es komisch und unüblich, dass sich bürgerliche Altbundesratsmitglieder koordiniert äussern, um ihrer Abstimmungsempfehlung mehr Kraft zu verleihen», sagt Dreifuss. Es gebe zwar immer wieder Fälle, in denen sich ein einzelnes ehemaliges Mitglied der Regierung äussere, einige mehr, andere weniger. «Ich selbst halte mich gewöhnlich eher zurück, engagiere mich zurzeit aber höchstpersönlich für ein Ja zur 13. AHV-Rente», sagt sie. «Ich kenne dieses Werk genug, um es den Bürgerinnen und Bürger erklären zu können und die Folgen der Initiative zu erläutern.»

Weniger problematisch findet den Auftritt alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (78, SP). «Als Altbundesräte sind wir freie Menschen», sagt sie. Die fünf Bundesräte hätten offenbar Angst, die 13. AHV-Rente werde angenommen. «Ich persönlich bin für die 13. AHV-Rente», betont sie. «Die Menschen im Rentenalter erleben schwere Zeiten. Sie müssen mit sehr geringen finanziellen Mitteln auskommen, weil alles teurer geworden ist - wie Mieten und Krankenkassenprämien. Und die AHV-Renten wurden nicht an die Lebenshaltungskosten angepasst.»

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Micheline Calmy-ReyBild: imago stock&people

Pascal Couchepin bestätigt, dass er sich am Brief beteiligt hat. «Es ist im Interesse der Schweiz, dass diese Abstimmung zu einem Nein führt. Ein Ja zur 13. AHV-Rente wäre sehr gefährlich für die Zukunft der AHV.» Den gemeinsamen Auftritt mit einer Kollegin und drei Kollegen findet er nicht problematisch: «Weshalb sollte es undemokratisch sein, wenn sich Bundesräte gemeinsam äussern, um die Position der Regierung zu unterstützen? Nichts spricht dagegen.»

Es kam auch in der Vergangenheit vor, dass sich mehrere Altbundesräte in eine Abstimmungskampagne einmischten. Geradezu exzessiv geschah das 2013. Da engagierten sich gleich zehn Altbundesratsmitglieder im Nein-Komitee gemeinsam gegen die Volkswahl des Bundesrats.

SGB-Chefökonom spricht die hohe Bundesratsrente an

Beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), der die Initiative für eine 13. AHV-Rente lanciert hat, ist man nicht erfreut über die Aktion. «Die Altbundesräte erwähnen in ihrem Brief mit keinem Wort, dass sich die finanzielle Situation der Pensionierten verschlechtert hat», sagte Chefökonom Daniel Lampart zu «20 Minuten». Sie würden auch keinen Vorschlag machen, wie man dieses Problem lösen könne.

«Stattdessen versuchen sie, der Bevölkerung Angst zu machen», hält Lampart fest. «Mit ihren über 20'000 Franken Bundesratsrente pro Monat haben sie wohl vergessen, wie es ist, mit 2000 Franken über die Runden zu kommen.» (aargauerzeitung.ch)

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351 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sergeant Pepper
06.02.2024 22:12registriert November 2018
Diese gemeinsame Aktion finde ich von den Alt Bundesräten*innen eher dekadent. Es kommt mir vor, als würden Vollgefressene über Hunger debattieren.
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Home alone
06.02.2024 22:09registriert April 2020
Ja ja … die Altbundesraete erhalten eine ueppige Altersentschaedigung. Das sind jaehrlich 50% vom BG Gehalt von etwa 450’000.- plus ueppige Spesen von 30’000.- etc. etc. … aber dem normalen Rentner etwas zu goennen geht gar nicht. Schaemt Euch!
Die AHV muss sowieso frueher oder spaeter anders finanziert werden … da spielt ein 13. oder nicht keine Rolle!
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Massalia
07.02.2024 11:08registriert Juni 2021
Die fünf Ex- Bundesräte mit ihrer BR- Rente kämpfen gegen die 13. AHV- Rente. Wie dreist ist das denn bitte?
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