Soll das Rentenalter auf 66 Jahre angehoben und anschliessend mit der Lebenserwartung verknüpft werden? Und sollen alle von einer 13. Rentenzahlung profitieren? Während die Schweizerinnen und Schweizer Anfang März über diese beiden Initiativen abstimmen, ist der Trend in den westlichen Industriestaaten klar: In über 60 Prozent der Länder wurde das Rentenalter angehoben oder ist eine Anhebung beschlossene Sache, wie die Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zeigen. Mit einem Pensionsalter von aktuell 65 Jahren liegt die Schweiz im Mittelfeld. Der Überblick:
Die Isländer. Genauer: die isländischen Männer. Nämlich durchschnittlich bis zu einem Alter von 68.3 Jahren. Sie arbeiten damit deutlich länger als bis zu den 67 Jahren, die sie eigentlich müssten.
Neben Norwegen, Dänemark und Israel gehört Island zu jenen Ländern, die OECD-weit das höchste gesetzliche Renteneintrittsalter von 67 Jahren eingeführt haben. Mehrere Länder haben eine Erhöhung auf 67 beschlossen, darunter die Niederlanden, Belgien, Schweden und Italien. Auch Deutschland will das Pensionsalter bis 2030 schrittweise auf 67 Jahre anheben. Im Vereinigten Königreich und Irland gelten aktuell 66 Jahre.
Allerdings weicht der tatsächliche Renteneintritt wie in Island teils erheblich vom gesetzlich festgeschrieben Pensionsalter ab. Statt mit 67 verlassen die Däninnen und Dänen den Arbeitsmarkt bereits drei Jahre früher mit knapp 64 Jahren. In Norwegen treten Senioren oft mit 65 Jahren statt 67 Jahren in Rente. In Frankreich und Belgien gehen viele Menschen rund vier Jahre früher in Pension als im Gesetz vorgeschrieben. In der Schweiz liegt der tatsächliche Renteneintritt nur knapp unter dem gesetzlichen Rentenalter: bei 64.6 Jahren.
Die Luxemburgerinnen und Luxemburger. Sie gehen durchschnittlich mit 58.4 Jahren (Frauen) und 60.5 Jahren (Männer) am frühsten in Rente. Gesetzlich vorgeschrieben wären 62 Jahre. Ein Spezialfall ist die Türkei, wo sich Männer theoretisch bereits mit 52 Jahren und Frauen mit 49 Jahren pensionieren lassen können. In der Realität gehen die Türkinnen und Türken aber «erst» mit 59.3 Jahren respektive mit 60.7 Jahren in Rente. Allgemein gilt: Wer in Risikoberufen arbeitet, kann mit einem Abschlag von mehreren Jahren auf das Pensionsalter rechnen.
Die 13. Altersrente ist in Europa durchaus verbreitet. Aktuell kennen Zypern, Ungarn, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, die Slowakei und Bulgarien eine 13. Altersrente. Meistens, aber nicht immer, handelt es sich um eine volle, zusätzliche Monatszahlung. Österreich, Spanien, Island, Portugal und Polen zahlen neben der 13. sogar noch eine 14. Altersrente. Weitere Länder kennen Sonderzuschüsse wie einen Weihnachtsbonus oder Urlaubsgeld.
Die Höhen der Altersrenten sind wegen der unterschiedlichen Systeme nur schwer zu vergleichen. Manche bestreiten fast die ganze Rente mit der ersten Säule. Andernorts erhält die Privatvorsorge mehr Gewicht. Dazu kommen unterschiedliche Praktiken bei der Besteuerung. Generell gilt: In westlichen Industriestaaten können die Menschen mit rund 60 Prozent ihres letzten Netto-Einkommens allein aus der gesetzlichen Rente rechnen. Am höchsten ist der Prozentsatz in den Niederlanden, Griechenland und Portugal mit über 90 Prozent. In der Schweiz reicht die AHV im Schnitt dagegen nicht einmal für die Hälfte des letzten Netto-Lohns.
Für die absoluten Zahlen lohnt sich am ehesten ein Blick in die Nachbarländer. Vergleichspunkt ist die durchschnittliche gesetzliche Rente für eine volle Karriere (40 - 45 Jahre) bei einem durchschnittlichen Einkommen: Während in der Schweiz die AHV im Schnitt 1874 Franken einbringt, liegt die sogenannte Standardrente in Deutschland bei netto 1503 Euro (Stand 2023). In Frankreich sind es 1530 Euro (Stand 2021). In Italien ebenfalls 1530 (2022) und in Österreich rund 1800 Euro(Stand 2022), wobei es dort wegen des unterschiedlichen Pensionsalter relativ grosse Unterschiede zur Durchschnittsrente für Frauen gibt (knapp 1200 Euro).
Eine Reihe europäischer OECD-Staaten kennen weiterhin Unterschiede beim gesetzlichen Rentenalter von Mann und Frau. Am höchsten sind sie in Polen und Österreich: Während Frauen mit 60 Jahren pensioniert werden, müssen Männer noch fünf Jahre weiterarbeiten.
Parallel zur Lebenserwartung steigt auch die Anzahl Jahre, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nach ihrer Pensionierung noch weiterleben. Im Jahr 2022 bezogen Frauen nach ihrer Pensionierung noch durchschnittlich während rund 23 Jahren eine Rente. Bei den Männern waren es im Schnitt knapp 19 Jahre. Am längsten leben Frauen nach ihrer Pensionierung in Luxemburg mit fast 28 Jahren. Männer leben in Frankreich im Schnitt noch über 23 Jahre. Im Jahr 1970 sah es noch anders aus: Männer lebten nach ihrer Pensionierung nur gerade noch 12 Jahre. Bei Frauen waren es 16 Jahre.
OECD-weit muss ein 22-jähriger Mann, der heute in den Arbeitsmarkt eintritt, wahrscheinlich bis 66.3 Jahre arbeiten. Bei Frauen ist es rund ein halbes Jahr weniger. Wegen der immer öfter stattfindenden Kopplung an die Lebenserwartung wird das Pensionsalter in manchen europäischen Ländern aber signifikant ansteigen.
So wird das Pensionsalter in Dänemark ab Mitte der 2060er Jahren bei 74 liegen. In Estland und Italien sind es 71 Jahre. In Finnland und Schweden 70. Aber auch Griechenland, Portugal, die Niederlanden, die Slowakei und Schweden kennen eine Verknüpfung mit der Lebenserwartung. Bei diesen Ländern wird das Rentenalter in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zwischen 2.5 und 6 Jahre steigen.
Eine Verknüpfung mit der Lebenserwartung kann aber auch zu gegenteiligen Effekte führen: In Portugal sank im vergangenen Jahr Das Rentenalter um drei Monate (neu 66 Jahre und vier Monate). Grund: Die Übersterblichkeit wegen Corona hat die durchschnittliche Lebenserwartung gesenkt.
Mitarbeit: Stefan Trachsel (Grafiken) (aargauerzeitung.ch)
Nach wie vor: Wenn 1% der Bevölkerung nicht 90% des Volksvermögens stehlen würden, könnten wir das Rentenalter auf 50 senken.