Verwirrung und Widersprüche um Daten, Massnahmen, Anweisungen: Die Kommunikation des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zu Covid-19 stand immer wieder in der Kritik. So forderte etwa Erich Ettlin (Mitte/OW), Präsident der ständerätlichen Gesundheitskommission, im Januar 2022 «eine klare Kommunikation», wie er gegenüber CH Media sagte.
Angesichts derartiger Kritik rüstete das von Direktorin Anne Lévy (51) geleitete Bundesamt kommunikativ auf – und holte sich Hilfe bei einem bekannten ehemaligen Fernsehmann.
Was ebenfalls wieder zu reden gab: Direktorin Lévy lasse sich, das wurde CH Media kürzlich aus der Bundesverwaltung zugetragen, zu einem angeblich hohen Stundenansatz von Patrick Rohr (54) beraten, ehemaliger Moderator der TV-Sendung «Arena». Wobei die Beratungen oftmals per Skype stattfänden. Rohrs Partner sei zudem ebenfalls für das BAG tätig, und zwar in der Kommunikationsabteilung; das rieche nach Filz.
Patrick Rohr war, als Nachfolger des beinahe schon legendären Filippo Leutenegger, von 1999 bis 2002 Moderator der SRF-Politsendung «Arena». Seit etwa 15 Jahren ist er weg vom Fernsehen, er betreibt in Zürich ein Unternehmen für Kommunikationsberatung. Laut seiner Website ist er Moderator, Fernsehmacher, Trainer, Interviewer, Fotojournalist, Speaker und Reisebegleiter.
Auf Anfrage hält BAG-Sprecherin Katrin Holenstein fest: «Die Schweizer Bevölkerung erwartet, dass das BAG seine Tätigkeiten verständlich und klar gegenüber Medien und Öffentlichkeit erläutert.» Damit dies gewährleistet sei, biete das BAG «denjenigen Mitarbeitenden, die gegenüber Medien und Öffentlichkeit Auskunft geben, eine Beratung an. Hierbei wird spezifisch auf die Verständlichkeit der Aussagen geachtet, wobei die Beratung vor Ort oder per Skype stattfinden kann.»
Die jährlichen Aufwendungen für diese Beratung lägen «zwischen 3'000 und 15'000 Franken je nach Bedarf». Und: «Aktuell arbeiten wir dabei auch mit Patrick Rohr zusammen», so die BAG-Sprecherin. Der Stundensatz von Rohr falle unter dessen Geschäftsgeheimnis; er bewege sich laut BAG «allerdings in einem absolut branchenüblichen Bereich». Das «aktuelle Mandat» sei nicht ausgeschrieben worden, da der Auftragswert dies nicht erfordere, hält das BAG als Antwort auf eine weitere Frage fest.
Zudem bestätigt das Bundesamt, dass der Partner von Patrick Rohr ebenfalls für das BAG tätig ist. «Simon Ming arbeitet im Bereich der Covid-19-Kommunikation mit einem temporären Vertrag für das BAG», hält Sprecherin Katrin Holenstein fest. «Die Anstellung von Simon Ming und das Mandat von Patrick Rohr stehen in keinem Zusammenhang zueinander. Simon Ming hat sich auf eine ausgeschriebene Stelle beworben und denselben Anstellungsprozess durchlaufen wie alle im Rahmen der Pandemiebewältigung temporär angestellten Personen in der Abteilung Kommunikation und Kampagnen des BAG.»
Das BAG führt weiter aus, dass es neben Patrick Rohr «noch mit zwei weiteren Personen zusammenarbeite, einem deutschsprachigen Mediencoach sowie einer französischsprachigen Beraterin.
Auf die Frage, wie viele Stunden Beratung bei Patrick Rohr bisher abgerufen wurden und ob diese Beratung zu klarerer Kommunikation verholfen habe, hält das BAG fest: «Patrick Rohr hat im Jahr 2022 rund 11.5 Stunden Beratungsleistungen verrechnet. Aus Sicht des BAG hat die Beratung durch Patrick Rohr einen Mehrwert gebracht, da wir die Botschaften unseres Amts durch den Blick von aussen noch besser auf die Informationsbedürfnisse der Bevölkerung anpassen konnten.»
Auf sein Mandat und die Konstellation mit seinem Partner angesprochen, hält Patrick Rohr fest: «Was die Konstellation angeht, sehe ich kein Problem. Mein Partner Simon Ming ist – nach vier Jahren als Kommunikationsspezialist bei Ärzte ohne Grenzen in Kamerun, Bangladesch und Tokio – ein ausgewiesener Public-Health-Kommunikationsexperte, spezialisiert auf die Kommunikation von Gesundheitskrisen». Es sei daher naheliegend, «dass er sich nach seiner Rückkehr in die Schweiz Ende letztes Jahr beim BAG auf eine offene Stelle im Medienteam beworben hat.»
Es wäre eigenartig, so der ehemalige Fernsehmoderator weiter, wenn sein Partner «sich als eigenständige Persönlichkeit nicht bei einem potenziellen Arbeitgeber bewerben dürfte, bei dem ich ein kleines Beratungsmandat habe, vor allem, wenn es keine Schnittstellenproblematik gibt und er nicht in die Situation kommt, mir Aufträge geben zu müssen. Letzteres wäre schwierig und fänden wir in unserem ethischen Verständnis nicht richtig.»
Rohr legt gegenüber CH Media auch den Stundenansatz offen, den er für seine Beratungstätigkeit verrechnet: 300 Franken. Mit 250 Franken pro Stunde berechnet er die Zeit, die allenfalls für die Vorbereitung nötig ist. Darin inbegriffen sei auch der Aufwand, die gesamte öffentliche Berichterstattung zu einem Thema im Detail zu kennen, da sonst keine Beratung möglich wäre.
Nicht äussern will sich Rohr zur Frage, was es bei der BAG-Kommunikation aus seiner Sicht zu verbessern gibt oder was er verbessern konnte. Rohr: «Ich rede grundsätzlich nie über meine Kundenkontakte, und schon gar nicht würde ich ihre Kommunikationsleistung in der Öffentlichkeit beurteilen.» (aargauerzeitung.ch)