Herr Geiser, eine Angestellte der Parlamentsdienste hat am Arbeitsplatz Nacktfotos von sich gemacht und in ihrer Freizeit Hardcore-Pornos gedreht. Beides hat sie im Internet veröffentlicht. Jetzt wurde sie vom Bund freigestellt – kann sie auch entlassen werden?
Thomas Geiser: Der Bund müsste beweisen können, dass sein Ruf durch das Verhalten der Angestellten beschädigt wurde. Das halte ich für schwierig, da es sich um eine einfache Sekretärin handelt und nicht etwa um einen Botschafter, der in der Öffentlichkeit steht. Als heikel erachte ich höchstens die auf Twitter veröffentlichten Nackt-Selfies am Arbeitsplatz.
Für welche Freizeitaktivitäten kann ich als Arbeitnehmer entlassen werden?
Das hängt vom Anstellungsverhältnis ab. Wer privatrechtlich angestellt ist, kann grundsätzlich immer entlassen werden – ausser man ist krank, schwanger oder im Militär. Bei einem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis sind die Hürden höher. Dort braucht der Arbeitgeber eine gute Begründung für eine Kündigung, sonst ist die Kündigung rechtlich angreifbar.
Wer profitiert von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis?
Angestellte des Bundes, der Kantone und der Gemeinden. Dazu gehören auch Lehrer und Professoren. Oft sind auch Angestellte von bundesnahen Betrieben und Spitälern öffentlich-rechtlich angestellt.
Wenn die Sekretärin also bei einem privaten Unternehmen arbeiten würde, hätte sie keine Chance, ihre Entlassung zu verhindern?
Nein, die Entlassung könnte sie nicht verhindern. Aber wenn der private Arbeitgeber die Kündigung mit ihren Pornofilmen begründen würde, könnte sie wegen missbräuchlicher Kündigung klagen. Sie könnte geltend machen, dass sie mit den Filmen ihr Recht auf künstlerische Freiheit ausgeübt habe. Im besten Fall bekäme sie dann eine Entschädigung von 6 Monatslöhnen. Die Kündigung bliebe aber auf jeden Fall bestehen – im Unterschied zum öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis.
Was passiert, wenn ein privates Unternehmen als offiziellen Kündigungsgrund einfach angibt, dass die Arbeit nicht mehr zufriedenstellend gewesen sei – obwohl der wahre Kündigungsgrund private Pornofilme waren?
Die Angabe von falschen Gründen kommt in der Praxis nur selten vor. Ein solches Vorgehen wäre für einen Arbeitgeber riskant. Denn wenn der Entlassene die Kündigung anficht, muss das Unternehmen beweisen, dass der Angestellte tatsächlich schlecht gearbeitet hat. Das ist nicht einfach, denn dazu müssten die anderen Angestellten vor Gericht lügen.
Wie steht es um einen Bankangestellten, der am Wochenende als Hooligan eines Fussballclubs unterwegs ist?
Das ist ebenfalls kaum ein akzeptierter Kündigungsgrund. Erst wenn das Freizeitverhalten dem Arbeitgeber schadet oder in krassem Widerspruch zur beruflichen Tätigkeit steht, ist eine Kündigung unter Umständen gerechtfertigt.
Das heisst, wenn ein WWF-Angestellter in seiner Freizeit auf Löwenjagd geht, darf er entlassen werden?
Das wäre sicher heikel. Genauso wie wenn Sie für das Blaue Kreuz arbeiten, aber in ihrer Freizeit ständig betrunken sind. Hier handelt es sich um sogenannte Tendenzbetriebe, die gewisse Moralvorstellungen vertreten. Allerdings kommt es auch hier wieder auf die Position des Angestellten an: Der Putzfrau beim WWF könnte man die Löwenjagd wohl nicht vorwerfen – wobei ich nicht weiss, ob ihr Gehalt dafür ausreichen würde.
Was braucht es für eine fristlose Kündigung im privatrechtlichen Bereich?
Der Arbeitgeber muss gut begründen können, wieso eine Weiterführung der Arbeit per sofort untragbar ist. Dafür braucht es einiges und das kommt eher selten vor.
Wie oft kommt es in der Schweiz zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen?
Bei 80 bis 90 Prozent der Arbeitsverhältnisse in der Schweiz gibt es keinerlei Streitigkeiten. Dennoch werden pro Jahr rund 20'000 bis 30'000 Arbeitsprozesse geführt. Dabei geht es oft um fristlose und missbräuchliche Kündigungen.