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Vertrauenskrise im Bundesamt von Viola Amherd: Ein Coaching soll helfen

Vertrauenskrise im Bundesamt von Viola Amherd: Ein teures Coaching soll nun helfen

Das Vertrauen in die Chefetage im Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) ist erschüttert. Eine Mitarbeiterbefragung zeigte teils dramatische Tiefstwerte. Die Amtsleitung um Michaela Schärer bessert nach - aber interne Kritiker sehen schwarz.
16.10.2024, 12:06
Henry Habegger / ch media
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Michaela Schärer, Direktorin Babs, rechts, im Juli 2024 während eines Medien-Fachgesprächs. Links: Kommunikationschefin Sandra Walker.
Michaela Schärer, Direktorin Babs, rechts, im Juli 2024 während eines Medien-Fachgesprächs. Links: Kommunikationschefin Sandra Walker.Bild: Anthony Anex/KEY

Das Amt, das in der Krise helfen soll, ist selbst in der Krise. Vor über zwei Jahren titelte CH Media: «Die Amtschefin, die von Zollchef Bock kam – sie erschreckt Personal und Politik gleichermassen». Die Rede war von Michaela Schärer, seit 2021 Direktorin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (Babs) im Verteidigungsdepartement von Viola Amherd (Mitte).

Das Krisenamt Babs, bei dem die neue Direktorin eine tiefgreifende Reorganisation vorantrieb, teilte damals auf Anfrage mit, dass «jede Weiterentwicklung mit gewissen Ängsten und Unsicherheiten verbunden» sei. Die Amtsführung nehme das Problem «sehr ernst».

Genützt hat das offensichtlich nur bedingt. Das Vertrauen in die siebenköpfige Geschäftsleitung, die aus Direktorin Schärer und den Leitenden der sechs Geschäftsbereiche besteht, ist nach wie vor massiv, teils dramatisch angeschlagen. Die Personalbefragung 2023 ergab für die «Oberste Leitung» einen Wert von 51 von 100 Punkten. Das ist noch haarscharf im positiven Bereich, aber es sind sechs Punkte weniger als noch 2020 und gut elf Punkte weniger als im VBS-Schnitt.

Umstritten: Michaela Schärer, Chefin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz.
Umstritten: Michaela Schärer, Chefin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz.Bild: Anthony Anex/KEY

Am schlechtesten schneidet die «Oberste Leitung» um Direktorin Schärer bei der Frage ab, ob die Chefetage die «für die Verwaltungseinheit dringlichen Probleme angeht». Hier kommt die Geschäftsleitung auf einen Wert von 46, sie ist also im negativen Bereich. Ungenügende Noten erhält sie auch bei Themen wie «Arbeitsabläufe» oder «Entscheidprozesse».

Vor allem eine Chefin erhält Tiefstwerte

Was aber besonders auffällt: Nicht alle obersten Chefs schneiden schlecht ab. In zwei von sechs Geschäftsbereichen liegen die Werte mit 58 und 62 in etwa im Durchschnittsbereich von VBS (62) und Bundesverwaltung (61). Die Detailresultate aus den einzelnen Direktionsbereichen im Babs zeigen aber enorme Unterschiede in Sachen Noten für die «Oberste Leitung»:

- Nationale Alarmzentrale und Ereignisbewältigung (Leiter Gerald Scharding): 44 Punkte

- Labor Spiez (Leiter Marc Cadisch): 62

- Ressourcen (Leiter Roger Jenni, Personalchef): 58

- Strategie und Steuerung (Leiterin Sandrine Mathys): 25

- Programmmanagement (Leiter Patrik Gerber): 49

- Zivilschutz und Ausbildung (Leiter Daniel Jordi): 41

Zwar beziehen sich die Antworten immer auf die «Oberste Leitung» des Bundesamts, aber weil der jeweilige Bereichsleiter oder die jeweilige Bereichsleiterin auch in der obersten Amtsleitung sitzt, bezieht sich die Wertung sehr stark auf diese Person. Auffallend ist zudem, dass die Zusammenarbeit im eigenen Team als durchwegs gut beschrieben wird und die «direkten Vorgesetzten» gute Noten erhalten.

Funktioniert die Alarmierung der Bevölkerung im Krisenfall? Hier wird durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz eine Sirene ausgetauscht.
Funktioniert die Alarmierung der Bevölkerung im Krisenfall? Hier wird durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz eine Sirene ausgetauscht.Bild: Ennio Leanza/KEY

Strategie-Abteilung schneidet am schlechtesten ab

Ganz übel tönt's im Direktionsbereich «Strategie und Steuerung», der pikanterweise von Sandrine Mathys geleitet wird. Sie war seit 2019 persönliche Mitarbeiterin von Verteidigungsministerin Viola Amherd, erhielt 2022 überraschend für viele einen Chefjob im Bevölkerungsschutzamt. Das Babs gehört zum VBS der Mitte-Bundesrätin Amherd.

Im Verantwortungsbereich von Sandrine Mathys kommt die «Oberste Leitung» auf den Durchschnittswert von 25 Punkten. Bei Detailfragen zur Chefetage geht's noch tiefer. So erhält die Aussage «Die oberste Leitung geniesst bei ihren Entscheiden mein Vertrauen» einen Zustimmungswert von nur gerade 17 Punkten. Die Aussage «In meiner Verwaltungseinheit werden wichtige Entscheide rechtzeitig getroffen» kam auf 19 Punkte, auch dies im tiefroten Bereich.

Coachingkosten liegen «im hohen fünfstelligen Bereich»

Die «Bewertung über die oberste Leitung» habe «nicht vollumfänglich den Erwartungen» entsprochen, teilt die Babs-Kommunikationschefin Sandra Walker auf Anfrage mit. Darum seien Massnahmen eingeleitet worden: «Wir schaffen Transparenz, klären offene Fragen und führen den Veränderungsprozess im Austausch mit den Mitarbeitenden weiter.» So seien die Resultate der Befragung intern «geteilt» worden, Mitarbeitende hätten Verbesserungsvorschläge einbringen können, die interne Kommunikation werde verbessert. Zur Transparenz gehört, dass CH Media anstandslos die Befragungsresultate auch der einzelnen Geschäftsbereiche ausgehändigt erhielt.

Das Bundesamt griff zudem zu einer Massnahme, die derzeit beim Bund in Mode ist: «Zwei Geschäftsbereiche haben bereits ein externes Coaching für den Transformationsprozess abgeschlossen», heisst es. Auf Nachfrage teilt das Babs mit, dass es sich um die Geschäftsbereiche Zivilschutz und Ausbildung sowie die Nationale Alarmzentrale Neoc handelte. Noch kein Coaching durchlief demnach die Division mit den tiefsten Werten, die von Sandrine Mathys geleitet wird.

Die beiden Coachings wurden laut Babs von den Firmen Change Consultants und Pct-Partners GmbH durchgeführt, «die Kosten belaufen sich auf einen hohen fünfstelligen Betrag». Auf die Frage, ob die Coachings positive Auswirkungen hatten, antwortet das Babs: «Sie führten zum Beginn einer verbesserten Zusammenarbeit sowie zu einem verbesserten Verständnis für Entscheidungen und die Notwendigkeit von strukturellen Anpassungen.»

Der Zivilschutz, hier bei Aufräumarbeiten nach dem Erdrutsch von Schwanden im Januar 2024, ist ein wichtiger Teil des Bevölkerungsschutzes.
Der Zivilschutz, hier bei Aufräumarbeiten nach dem Erdrutsch von Schwanden im Januar 2024, ist ein wichtiger Teil des Bevölkerungsschutzes.bild: gian Ehrenzeller/KEY

Coaching-Angebote würden in der Bundesverwaltung «bereitgestellt, um die Mitarbeitenden gezielt in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung zu fördern».

Personal weiterhin beunruhigt

Wie viel das gebracht hat, ist allerdings strittig. Zwar bemüht sich das Babs merklich um Transparenz. CH Media erhält allerdings weiterhin kritische Rückmeldungen von besorgten Mitarbeitenden, die das Bundesamt als eine einzige «Grossbaustelle im Sicherheitsbereich» bezeichnen: «Da der Fokus der neuen Babs-Führung seit Amtsantritt auf der Umstrukturierung statt auf den inhaltlichen Aufgaben lag, blieben dringende, aufwendige Grossprojekte liegen». Erwähnt werden die Ablösung des Sicherheitsfunknetzes Polycom, dessen Lebensdauer auslaufe, oder der «Aufbau von ausfallsicheren Daten- und Kommunikationssystemen für bevölkerungsschutzrelevante Einsatzkräfte im Krisenfall».

Das Amt habe also vor lauter Reorganisation seine eigentlichen Aufgaben vernachlässigt. Erfahrene Fachkräfte hätten sich frustriert beruflich neu orientiert, mit der Folge, dass die jetzt fehlten. Denn nun drücke die Führung «aufs Gaspedal, um die zwei verpassten Jahre mit unrealistischen Zeitplänen und unausgegorenen inhaltlichen Vorgaben wieder aufzuholen». Bemängelt wird auch weiterhin die interne Kommunikation. Sehr ermutigend klingt das nicht.

Damit ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz allerdings kein Einzelfall. Tiefgreifende Reorganisationen am Personal vorbei, die sich stark auf externe Beratungsbüros stützen, führten zuletzt etwa auch beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) zu Verunsicherungen, Kompetenzverlusten und rückläufigen Leistungen des fraglichen Amts. (aargauerzeitung.ch)

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103 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Linus Luchs
16.10.2024 12:39registriert Juli 2014
Die Coachings werden nichts bringen. Führungsqualität ist von der Person abhängig. Noch nie hat ein Team-Coaching aus einer schlechten Führungsperson eine gute gemacht. Kommt dazu, dass der Coach in der Regel mit der involvierten Führungsperson das Coaching vor- und nachbespricht, ohne Teammitglieder. Der Coach beisst nicht die Hand, die ihn füttert. Ich habe schon mehrere Team-Coachings erlebt. Der Coach agierte immer als Handlanger des Chefs, und es gab nie eine nachhaltige Verbesserung. Nur eine Aufschiebung des grossen Knalls.
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Sandlerkönig Eberhard
16.10.2024 12:35registriert Juli 2020
«Wir schaffen Transparenz, klären offene Fragen und führen den Veränderungsprozess im Austausch mit den Mitarbeitenden weiter.»

Astreines Management-Geschwafel, Chapeau👍.

Immerhin geben sie sogar in ein und demselben Satz gleich zu, dass sich faktisch nichts ändern wird🤣👍
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felixJongleur
16.10.2024 12:58registriert Dezember 2014
Aus eigener Erfahrung werden Coachings, Beratungen und Supervisionen sehr oft in Anspruch genommen, weil man es scheut, die eigentlich (und das ist allen bekannt) für die Probleme verantwortliche Person (in der Regel die Vorgesetze oder EINE schwierige MitarbeiterIn) zu konfrontieren und dieser nötigenfalls zu künden. Diese Vorgänge sind fast immer Alibiübungen mit denen sich jedoch ein heiden Geld verdienen lässt. Zudem sind die Abschlussberichte jeweils genau so verfasst dass sie niemandem so wirklich wehtun, man will ja auch zukünftig Beratungsmandate erhalten.
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