Bundesanwalt Michael Lauber hinterlässt nicht gerne Spuren. Treffen protokolliert er oft nicht, Weisungen erteilt er gerne nur mündlich. Jetzt bringt den 53-Jährigen ein fremder SMS-Austausch in die Bredouille. Ein Austausch, den sein Kommunikationschef André Marty am 16. Juni 2017 mit dem Walliser Staatsanwalt Rinaldo Arnold führte, einem Kumpel von Fifa-Boss Gianni Infantino.
«Hallo André», schrieb Arnold. «Giannis Zug hat Verspätung. Wir werden ein paar Minuten später da sein. Bis gleich. Gruss.» Die Frage, um die sich nun alles dreht: War auch Lauber im «Schweizerhof»? Er hatte zuvor gegenüber seiner Aufsichtsbehörde und öffentlich behauptet: Es habe «nur» sogenannte «Koordinationstreffen» mit Infantino gegeben. Das Treffen 2017 wäre aber bereits das dritte gewesen. Nur bei einem war der Staatsanwalt des Bundes dabei, der die Fifa-Verfahren führte.
Das dritte Treffen, an das sich im Übrigen keiner erinnern will, sieht erst recht nach einer Kungelei aus. Es kam nur dank Staatsanwalt Damian K. Graf ans Licht, Wirtschaftsermittler der Zentralschweizer Kantone. Graf war eingesetzt worden, um gegen den Walliser Staatsanwalt Arnold zu ermitteln. Dabei stiess Graf auf die SMS. Obwohl sich Arnold von Infantino gut 20 000 Euro an Geschenken hatte geben lassen, stellte Graf das Verfahren ein.
Noch Anfang 2019 verschwieg die Bundesanwaltschaft das dritte Treffen, wie Graf in der Einstellungsverfügung zum Arnold-Fall schreibt: «Sie liess erst auf ergänzendes Ersuchen vom 26. Februar 2019 hin ausrichten, dass offenbar am 16. Juni 2017 tatsächlich ein weiteres Treffen im Hotel Schweizerhof in Bern stattgefunden habe».
Jetzt sagt die Bundesanwaltschaft auf Anfrage der «Schweiz am Wochenende», sie sei auf Hinweise gestossen, «welche auf ein weiteres Treffen zwischen Bundesanwalt Michael Lauber und dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino im Juni 2017 schliessen lassen.» Warum weiss die Behörde anscheinend nicht, was ihr Chef treibt?
Jetzt ermittelt die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft gegen Lauber. Seit Mitte März führte die Aufsicht im Zusammenhang «mit einem allfälligen dritten Treffen des Bundesanwalts mit dem Präsidenten der Fifa im Juni 2017 Vorabklärungen durch», sagt Präsident Hanspeter Uster, ehemaliger Zuger Regierungsrat. Geprüft wird die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Lauber. Seltsam: Warum kann die Behörde nach einem Monat Untersuchung nicht sagen, was genau Sache ist?
Lauber will sich im Sommer vom Parlament für eine dritte Amtszeit als Bundesanwalt wählen lassen. Sollte er etwas unterschlagen haben, wird es sehr eng für ihn. «Dann», sagt SP-Nationalrat Carlo Sommaruga (GE), «kann er seine Glaubwürdigkeit nur wiedererlangen, wenn er sich nicht mehr zur Wiederwahl stellt.» Zum Verzicht rät dem Bundesanwalt auch die Basler Grüne Sibel Arslan, und dies losgelöst vom dritten Treffen: Es gehe nicht, dass sich Lauber ohne Protokoll und ohne Einbezug seiner Verfahrensleiter mit Personen treffe, die in Verfahren der Bundesanwaltschaft involviert seien, denn: «Damit nimmt er in Kauf, Strafverfahren zu korrumpieren und gewisse Personen zu bevorzugen». Deutlich äussert sich auch FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (BE): «Für mich ist klar: Ein Bundesanwalt, der die Wahrheit verschweigt oder lügt, ist nicht tragbar.»
Die zuständige Gerichtskommission befasst sich am 15. Mai mit der Wiederwahl Laubers. Sollte die Aufsichtsbehörde ein Disziplinarverfahren einleiten, sieht es düster aus. Die Bundesanwaltschaft hielt gestern auf Anfrage fest, sie habe ihre Aufsichtsbehörde sowie die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments «im November 2018 und im März 2019 umgehend, transparent und proaktiv bezüglich der Treffen informiert und die Notwendigkeit von Gesprächen mit Verfahrensbeteiligten in grossen Verfahrenskomplexen dargelegt und betont». Die Kommission arbeitet derzeit an einem Bericht zum Fall. (bzbasel.ch)