Schweiz
Gesellschaft & Politik

Fedpol-Chefin attackiert SVP-Präsident Marco Chiesa nach Brandrede

«Linke Politik in die Luft jagen»: Fedpol-Chefin attackiert SVP-Präsident nach Brandrede

Marco Chiesas Festrede provoziert die Direktorin des Bundesamts für Polizei zu einem Linkedin-Post. Ein Missverständnis, sagt Nicoletta della Valle auf Nachfrage.
02.08.2023, 22:3603.08.2023, 10:40
Benjamin Rosch / ch media
Mehr «Schweiz»

Zum Nationalfeiertag fährt SVP-Präsident Marco Chiesa grosses Geschütz auf. Bewehrt mit drei Feuerwerkskörpern hält er eine zweiminütige Video-Ansprache, in der er gegen alles schiesst, was den Tessiner auf die Palme bringt. «Helfen Sie mit», appelliert er ans Publikum: «Jagen Sie mit uns die schädliche Politik der Grünen und Linken in die Luft».

Nicoletta della Valle, Direktorin Fedpol, aeussert sich an einer Medienkonferenz zum Bundesgesetz ueber die polizeilichen Massnahmen zur Bekaempfung von Terrorismus, am Montag, 13. Juni 2022, in Bern. ...
Leitet seit exakt neun Jahren das Bundesamt für Polizei (Fedpol): Nicoletta della Valle.Bild: keystone

Dass Chiesa am 1. August gerne zeuselt, ist nicht neu. Bereits in den vergangenen Jahren hat er kurze Ansprachen gehalten, gespickt mit Spitzen gegen politische Gegnerinnen und Gegner. Seine Partei pflegt diese Videos dann auf ihrer Website und in den sozialen Medien zu verbreiten. Dieses Jahr blieb das Echo trotz comichaften Animationen weitgehend aus - einzig der «Blick» stellte die Sinnhaftigkeit von «In-die-Luft-jagen-Metaphern» in Zeiten eines europäischen Kriegs infrage.

Keine Affekthandlung

Chiesa ist ein rhetorischer Brandstifter - aber stiftet er auch an zur Gewalt? Dies zumindest insinuierte Nicoletta della Valle auf Linkedin. Die Direktorin des Bundesamts für Polizei (Fedpol) kommentierte den «Blick»-Artikel zu Chiesas Auftritt noch am Abend des 1. August mit «#aufruf zur Gewalt?» Dazu nannte die Juristin den betreffenden Artikel 259 des Strafgesetzbuchs, der lautet: «Wer öffentlich zu einem Verbrechen auffordert, wird mit Frei­heitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Hickhack auf Linkedin: Fedpol-Direktorin reagiert auf SVP-Rede.
Hickhack auf Linkedin: Fedpol-Direktorin reagiert auf SVP-Rede.screenshot: linkedin

Es braucht nicht viel Fantasie, um zum Schluss zu gelangen: Hier bezichtigt die Fedpol-Direktorin den SVP-Präsidenten einer Straftat, notabene eines Offizialdelikts. Immerhin etwas mehr als 2600 Leute folgen della Valle auf der Business-Plattform Linkedin. Dass es bei ihrem Post wohl eher nicht um einen Kurzschluss handelt, unterstreicht der Umstand, dass della Valle ihren Beitrag zwischenzeitlich bearbeitet hat.

Della Valle nimmt Stellung

Als direkte Anschuldigung will della Valle ihren Post indes nicht verstanden wissen. Über einen Fedpol-Sprecher lässt sie auf Anfrage ausrichten, sie habe lediglich einen «Denkanstoss» liefern wollen: als Beitrag zur «Prävention gegen Hatespeech» im Netz. Deshalb habe sie auch die Fragezeichen gesetzt. Die Bearbeitung des Posts habe sie deshalb vorgenommen, weil sie zuerst den falschen Gesetzesparagrafen zitiert habe.

Die Vergangenheit habe gezeigt, dass auch Nachahmer schnell einmal in Gefahr geraten, strafrechtlich Relevantes zu veröffentlichen, so der Sprecher weiter. Dem habe sie bewusst entgegenwirken wollen, auch wenn bereits Chiesas In-die-Luft-Jagen «im politischen Kontext mindestens zweideutig» gewesen sei.

Chiesa wiederum reagiert gelassen auf die Vorwürfe der obersten Bundespolizistin. Von diesen habe er keine Notiz genommen, und er wisse auch gar nicht, auf welches Video sie sich beziehen könnten. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
SVP-Abstimmungsplakate
1 / 14
SVP-Abstimmungsplakate
Mit Zangen-Plakaten gelang es Christoph Blocher und der SVP, am 6. Dezember 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu bodigen.
quelle: keystone / str
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
186 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
namib
02.08.2023 23:05registriert März 2018
Typisch SVP: Geschmacklose Plakate und Aussagen, die das Sagbare jedes Mal etwas weiter nach rechts verschieben. Irgendwann nehmen dann ein paar Spinner die Aussagen zu ernst und wir haben unseren Capitol-Event.

Dann weiss selbstverständlich niemand mehr, was der Auslöser dafür war🤷🏻‍♂️

Es wäre schön, wenn die selbsternannten Retter der Schweiz einmal so viel Enthusiasmus FÜR etwas aufbringen könnten, was uns weiter bringt, anstatt nur gegen alles…
43160
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hösch
02.08.2023 22:59registriert März 2022
Bei Politik in die Luft jagen wollen ist es juristisch halt schwierig zu greifen was da in die Luft gejagdt werden soll.

Aber auf der Basis des gesunden Menschenverstandes lässt der Vereinspräsident der Schweiz Verräter Partei kein Zweifel wes Geistes Kind er ist.
28840
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hierundjetzt
02.08.2023 23:56registriert Mai 2015
Fun Fact: seit 1848 haben die Bürgerlichen die Mehrheit im Land

Durchgehend.

Die Linken da gewinnen nur, weil die Bürgerlichen bzw SVP - trotz Mehrheit - so schlechte Politik machen

Kann es sein, das dass unser Bonzai Trump das vergessen hat 🤔
12617
Melden
Zum Kommentar
186
    Frau in Trogen AR wegen mutmasslichem Stiftungsbetrug vor Gericht

    Im Prozess um mutmasslichen Stiftungsbetrug haben am Montagvormittag am Kantonsgericht in Trogen zwei Zeuginnen die Beschuldigte belastet. Gemäss den beiden Frauen soll eine heute 48-Jährige Stiftungsgelder eingestrichen haben, die nicht für sie bestimmt waren.

    Zur Story