Die Staus auf der A2 am Gotthard und der Ausweichverkehr auf den Urner Kantonsstrassen sind für die Bevölkerung im Reusstal zu einer Belastung geworden, die sie nur noch schwer aushält. Nun bahnt sich eine politische Lösung an für das Dauerproblem.
Eine Allianz fordert eine Gebühr für die Fahrt durch den Gotthard-Strassentunnel. Corina Gredig (GLP, ZH), Simon Stadler (Mitte, UR) und Matthias Jauslin (FDP, AG) reichen am Montag drei gleichlautende Motionen ein für eine Tunnelgebühr bei Alpenübergängen wie dem Gotthard und dem San Bernardino. Dies meldete die «NZZ am Sonntag»., nachdem zuvor schon die Luzerner Zeitung sowie der «Blick» darüber berichtet hatten.
«Ich bin davon überzeugt, dass heute viele Reisende aus dem Norden die Route durch den Gotthard wählen, weil sie am billigsten ist», sagt FDP-Nationalrat Jauslin. «Mit einer Maut würden viele den Weg über Frankreich und Österreich in den Süden wählen und damit unser Nationalstrassennetz entlasten.»
Jauslin, Gredig und Stadler streben ein «variables Preissystem zur besseren Auslastung der bestehenden Infrastruktur» an. Das heisst: An stark befahrenen Tagen wie an Ostern oder Pfingsten wäre die Gebühr höher, an Tagen mit wenig Verkehr wie im November und Dezember tiefer.
Mautsysteme an den alpenquerenden Übergängen seien in den Nachbarländern längst Realität, heisst es in den Motionen. So kennt Österreich auf der Brennerautobahn eine Sondermaut. Auch die französischen Strassentunnels Mont Blanc und Fréjus kennen Gebühren.
In den Schweizer Alpen zahlt man nur in einem Strassentunnel: Wer im 5798 Meter langen Grossen-Sankt-Bernhard-Tunnel aus dem Wallis nach Italien fährt, berappt dafür 31 Franken. Der Tunnel wird privat betrieben.
Die Gotthard-Gebühr könnte einst in einer ähnlichen Höhe liegen. GLP-Nationalrätin Corina Gredig sprach von 20 Franken für eine Durchfahrt. Mit der Rückfahrt wären es 40 Franken.
Die Vorstösse werden im Kanton Uri mit Interesse aufgenommen. Der Urner Landammann Urs Janett betont zwar, dass die Urner Regierung noch keine konkrete Meinung zur Maut am Gotthard habe, aber: «Jeder Vorschlag, der eine Lösung für das Problem bieten kann, muss geprüft werden.» Das Thema müsse auf Bundesebene entschieden werden, man hoffe dennoch, vor allem auch bei Detailfragen eng in den Lösungsfindungsprozess einbezogen zu werden.
Kritisch reagiert FDP-Verkehrspolitiker Kurt Fluri (SO). «Das ist eine untaugliche Idee», sagt er. «Den Ansturm kann man nicht mit einer Maut reduzieren.» Auch SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner und sein Vater Ulrich reagieren ablehnend. Beide taxieren die Motionen als «Wahlkampf-Vehikel».
Giezendanners sehen mehrere Probleme. Erstens stelle sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Landverkehrsabkommen mit der EU. Zweitens frage sich, ob im Sinne der Gleichberechtigung nicht auch in anderen Tunnels Gebühren erhoben werden müssten - etwa im Baregg-Tunnel.
«Ich kann nicht verstehen, dass ausgerechnet klare EU-Befürworter dem Bundesrat Knüppel zwischen die Beine werfen, der hart auf ein Verhandlungsmandat mit der EU hinarbeitet», sagt Ulrich Giezendanner. «Eine Maut am Gotthard ist nicht mit dem Landverkehrsabkommen mit der EU vereinbar. Die Schweiz müsste es aufkündigen.»
Sohn Benjamin gibt sich zurückhaltender. Das Abkommen müsste nur angepasst werden, glaubt er. Artikel 32 besagt, es dürfe weder eine direkte noch indirekte Diskriminierung «aufgrund der Staatsangehörigkeit» geben bei der Durchfahrt.
Jauslin sieht keine Probleme. «Ich denke, dass sich eine Maut-Lösung mit Europa vereinbaren lässt», sagt er. In Österreich gebe es zusätzliche Sondermautstrecken und spezielle Pendlerkarten für den Berufspendler. Für die lokale Bevölkerung seien Gutschriften auf den ordentlichen Verkehrssteuern denkbar. «Hier braucht es Kreativität der Schweizer Behörden.»
In Deutschland reagiert man aber nervös auf die Maut-Diskussionen, wie Benjamin Giezendanner feststellt. Die CSU hat ihn zu einem Referat in Brüssel eingeladen. Thema: die neusten Entwicklungen in der Schweizer Verkehrspolitik. (aargauerzeitung.ch)
Wenn ein Lastwägeler wie Giezendanner dagegen ist, zeigt es, dass man auf dem richtigen Weg ist. Die NEAT hatte das Ziel, dass sämtlicher Schwerverkehr auf Schienen durch den Gotthard rollt, davon ist man meilenweit entfernt.