Herr Perron, in rund zwei Wochen stimmen wir über den Gripen ab. Wie wird die
Abstimmung ausgehen?
Das weiss ich nicht. Aber ich glaube, es gibt eher ein Nein.
Wie viel würden Sie darauf wetten?
Nicht grad 1000 Franken, aber ein paar gute Flaschen Wein.
Wie kommen Sie zu Ihrer Prognose?
Die Pro-Kampagne war von Anfang bis jetzt einfach lausig. Wenn man sich die Ereignisse
vor Augen führt, von den Wirrungen um den Kampagnenlead, der Involvierung von Saab,
dem «Rundschau»-Interview, dem Frauenwitz bis hin zu den Lobbying-Enthüllungen kann
man sagen: es war die schlechteste Abstimmungskampagne aller Zeiten. Falls es ein Ja
geben sollte, dann wäre das trotz der Kampagne und nicht wegen der Kampagne.
Aber bei den Reduit-Nostalgikern findet alles Anklang, wo Ueli Maurer dabei ist, nicht? Er war ein fescher Radfahrer.
Ja, aber die Zielgruppe der Unentschiedenen, bei denen die Meinung im Verlauf
einer Abstimmungskampagne gewonnen werden kann, liegt bei der Frage der
Flugzeugbeschaffung in der bürgerlichen Mitte. Und diese haben die Befürworter nicht
abgeholt. Ueli Maurers Gebrauchsgegenstand-Witz und auch die «Rundschau»-Schelte mag
zwar im eigenen Lager noch gut ankommen. Aber bei der moderaten bürgerlichen Mitte
eher nicht. Und um die geht es. Die eigene Klientel hat die SVP bei dieser Abstimmung
sowieso im Sack. Die Linke ist ohne nennenswerte Ausnahmen dagegen. Ueli Maurer
hat sich ja auch persönlich sehr engagiert. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine clevere
Strategie ist. Er ist ein Politiker, der sehr polarisiert, also Mühe hat, Leute über das eigene
Lager hinaus zu überzeugen.
Aber ein paar konservative CVPler aus dem Wallis kann er doch mit träfen Sprüchen
gewinnen, nicht?
Nicht nötig. Die sind sowieso auf der Pro-Seite. Aber die SVP kann zusammen mit
Rechtsabweichlern aus der CVP und der FDP vielleicht ein bisschen mehr erreichen als
30 Prozent. Aber für eine Mehrheit reicht es nicht, und die ist bei einer Abstimmung nötig.
Es ist eine häufige Falle, dass man in Kampagnen vor allem die eigenen Leute glücklich
macht. Es geht um die liberale bürgerliche Mitte und die spricht auf Altherrenwitze nicht an.
Eine saubere und sachliche Argumentation wäre da wirkungsvoller.
Die ist aber schwieriger zu transportieren.
Nicht unbedingt. Herr und Frau Schweizer sind für Argumente sehr offen und stimmen auch
mal gegen das eigene Portemonnaie, wenn man sie argumentativ überzeugen kann. Man
muss aufzeigen, dass man alle Alternativen in Betracht gezogen hat und nun diejenige zur
Auswahl steht, die am sinnvollsten ist oder das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis bietet. Und
das hat die Befürworterseite in diesem Abstimmungskampf meiner Meinung nach bis jetzt
verpasst. Stattdessen hat man etwa mit dem Notvorrats-Interview des Armeechefs auf die
Angst-Karte gesetzt und die Abstimmung für oder gegen den Gripen zur Grundsatzfrage «Für oder wider die Armee?» hochstilisiert.
Aber der Angst-Trumpf ist stark, da stimmen Sie zu, oder?
Ja, das stimmt schon. In den USA sagt man, dass Angst, Wut und Hoffnung Leute in
Kampagnen mobilisiert. Vor vielen Jahren, als es um die Beschaffung des FA-18 ging, hat
diese Schiene auch ganz gut funktioniert. Doch heute ist die Gesellschaft an einem anderen
Ort. Über die gesamte Kampagne gesehen muss bei den Leuten das Gefühl zurückbleiben,
dass sich hier mit ihrem Geld ein paar Piloten und Luftwaffenoffiziere ein neues Spielzeug
kaufen wollen.
Nebst Ueli Maurers Altherrenwitz haben auch die geleakten schwedischen Botschafter-
Depeschen dem Gripen schlechte PR besorgt. Welchen Einfluss kann das zu diesem
Zeitpunkt im Abstimmungskampf haben?
Es gibt in einer Abstimmungskampagne fünf bis zehn wichtige Momente. Dies ist einer von
ihnen und sicher kein guter.
Wenn Sie nun zum jetzigen Zeitpunkt in die Abstimmungskampagne der Befürworter
einbezogen würden, als Feuerwehrmann quasi, um das Steuer noch herumzureissen, wozu
würden Sie raten?
Ich würde ein solches Mandat ablehnen. Von mir aus gesehen ist der Patient tot, da
brauche ich nicht zu operieren beginnen.