«Schwizer»- statt «Alphorn»: 5 absurde Fälle, bei denen die Einbürgerung verweigert wurde
Wer Schweizer Bürger oder Bürgerin sein will, muss einige Hürden überwinden. Zu viele, findet die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA). Die Schweiz habe im europäischen Vergleich eines der restriktivsten Einbürgerungsverfahren.
Von der Beobachtungsstelle dokumentierte Fälle zeigen, dass die Integrationskriterien zu rigide angewendet würden. Zudem tauchen auch immer wieder in den Medien Geschichten von Menschen auf, denen der rote Pass wegen Detailfragen verwehrt bleibt. Nachfolgend fünf Beispiele:
Der Sekundenschlaf
Aufgrund des Eintrags im Strafregister sistierte die kantonale Behörde sein Einbürgerungsgesuch. Im Rekurs an die kantonale Instanz machte Emir geltend, dass der Einzelfall in seiner Gesamtheit betrachtet werden müsse und es daher unverhältnismässig sei, sein Gesuch aufgrund des Verkehrsunfalls zu sistieren. Die Beschwerde ist noch hängig.
Der Wolf und der Bär
Adriano zog die abgewiesene Einbürgerung bis vor Bundesgericht weiter. In Lausanne rügte man die Behörde in Arth und wies sie an, den Italiener einzubürgern. Einzelne Kriterien und Details dürfen bei der Beurteilung der Integration nicht ins Zentrum gerückt werden, so das Bundesgericht. Es seien sehr spezifische Antworten von Adriano gefordert worden.
Das Alphorn
Mattia ging bis vors Bundesgericht. Dieses hiess seine Beschwerde gut und argumentierte, dass für die Beurteilung der Integration spezifische Details nicht entscheidend seien. Es hielt fest: «Aufgrund einer Gesamtwürdigung ist es daher unhaltbar und damit willkürlich, den Beschwerdeführer nicht einzubürgern.» Anschliessend erhielt Mattia das Schweizer Bürgerrecht.
Der Titlis
Am Gespräch vor der Einbürgerungskommission von Buchs AG ist Yilmaz nervös. Sie vergisst den Namen des berühmten Berges bei Engelberg OW (Titlis). Die Kommission stört sich auch daran, dass sie den Namen des Metzgers und Bäckers im Dorf nicht nennen kann, sondern lediglich Aldi und Migros. Und als Yilmaz nach typischen Schweizer Sportarten gefragt wird, nennt sie Chlauschlöpfen und Ski. Die Kommission wollte Hornussen und Schwingen hören. Der Einwohnerrat lehnt Yilmaz’ Gesuch auf Empfehlung der Kommission ab. Sie wehrt sich mit einem Rekurs. Und wird beim zweiten Versuch im Oktober 2017 eingebürgert.
Das Raclette
Die Einbürgerungskommission will vom Briten unter anderem den Ursprungsort von Raclette wissen. Weil er Westschweiz statt Wallis zur Antwort gibt und auch nicht weiss, was die Bündner Spezialität Capuns ist, kommt die Kommission zum Schluss, dass Lewis «ungenügend mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut» sei. Ebenfalls negativ angerechnet wird ihm, dass er nicht sagen kann, wie eine Abstimmung zustande kommt und allgemein zu wenig Ahnung vom Milizsystem habe.
Die SBAA sammelt solche Fälle systematisch und listet sie auf ihrer Homepage auf. Sie fordert, dass Einbürgerungsverfahren fairer, chancengerechter und ohne Diskriminierung ausgestaltet werden.
Laut der Statistik des Staatssekretariats für Migration sei die Zahl der Einbürgerungen seit 2018, also seit Inkrafttreten des verschärften Bürgerrechtsgesetzes, zurückgegangen. Die formellen Voraussetzungen für die Einbürgerung müssten gesenkt und die Integration erleichtert werden.
Es sei dringend notwendig, dass auch Menschen mit einer Aufenthaltsbewilligung oder einer vorläufigen Aufnahme ein Einbürgerungsgesuch stellen könnten. Zudem solle die heute vorgeschriebene Aufenthaltsdauer verringert werden. Denn die Einbürgerung beschleunige nachweislich die Teilhabe und Integration.
(ohe/sda)
*Alle Namen geändert
