
Ist nicht immer einfach zu kriegen: Der rote Pass und damit das Schweizer Bürgerrecht. Bild: KEYSTONE
Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA) fordert tiefere Hürden auf dem Weg zum Schweizer Pass. Diese seien noch immer zu hoch. Das zeigen auch die fünf folgenden Beispiele.
23.11.2021, 15:5923.11.2021, 16:38
Wer Schweizer Bürger oder Bürgerin sein will, muss einige Hürden überwinden. Zu viele, findet die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA). Die Schweiz habe im europäischen Vergleich eines der restriktivsten Einbürgerungsverfahren.
Von der Beobachtungsstelle dokumentierte Fälle zeigen, dass die Integrationskriterien zu rigide angewendet würden. Zudem tauchen auch immer wieder in den Medien Geschichten von Menschen auf, denen der rote Pass wegen Detailfragen verwehrt bleibt. Nachfolgend fünf Beispiele:
Der Sekundenschlaf
Emir* reiste 1994 aus der Türkei in die Schweiz und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung. 2019 stellte er ein Einbürgerungsgesuch, dem die Gemeinde zustimmte. Zur selben Zeit verursachte er einen Verkehrsunfall: Er nickte am Steuer kurz ein, kam von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einer Strassenlaterne. Dabei wurde niemand verletzt, auch er selbst kam unbeschadet davon.
Aufgrund des Eintrags im Strafregister sistierte die kantonale Behörde sein Einbürgerungsgesuch. Im Rekurs an die kantonale Instanz machte Emir geltend, dass der Einzelfall in seiner Gesamtheit betrachtet werden müsse und es daher unverhältnismässig sei, sein Gesuch aufgrund des Verkehrsunfalls zu sistieren. Die Beschwerde ist noch hängig.
Der Wolf und der Bär
30 Jahre lang lebte Adriano* in der Schweiz, als er sich in der Gemeinde Arth in Schwyz einbürgern lassen wollte. Der in Italien geborene Mann erfüllte zwar alle Einbürgerungsvoraussetzungen, scheiterte aber an einigen Fragen der Einbürgerungsbehörde der Gemeinde Arth (Schwyz). So wusste er nicht, was «Iffelen» war oder dass Wolf und Bär im gleichen Gehege im Tierpark Goldau leben.
Adriano zog die abgewiesene Einbürgerung bis vor Bundesgericht weiter. In Lausanne rügte man die Behörde in Arth und wies sie an, den Italiener einzubürgern. Einzelne Kriterien und Details dürfen bei der Beurteilung der Integration nicht ins Zentrum gerückt werden, so das Bundesgericht. Es seien sehr spezifische Antworten von Adriano gefordert worden.
Das Alphorn
Mattia* kam als junger Saisonnier aus Italien in die Schweiz. Nach über 20 Jahren stellte er ein Einbürgerungsgesuch, welches abgelehnt wurde. Die kommunale Einbürgerungsbehörde erachtete Mattias Integration in die Gemeinde als ungenügend, da er unter anderem einen spezifischen Berg nicht benennen konnte und das Alphorn als «Schwizerhorn» bezeichnet hatte.
Mattia ging bis vors Bundesgericht. Dieses hiess seine Beschwerde gut und argumentierte, dass für die Beurteilung der Integration spezifische Details nicht entscheidend seien. Es hielt fest: «Aufgrund einer Gesamtwürdigung ist es daher unhaltbar und damit willkürlich, den Beschwerdeführer nicht einzubürgern.» Anschliessend erhielt Mattia das Schweizer Bürgerrecht.
Fall 402, beobachtungsstelle.ch
Der Titlis
Yilmaz wurde in der Schweiz geboren, ging hier zur Schule, schloss eine Ausbildung als Tiefbauzeichnerin ab, erhielt eine Festanstellung in ihrem Lehrbetrieb und ist mit einem Schweizer verlobt. Bei ihrer Einbürgerung muss sie einen schriftlichen Test absolvieren. Sie beantwortet 100 Prozent der Fragen richtig.
Am Gespräch vor der Einbürgerungskommission von Buchs AG ist Yilmaz nervös. Sie vergisst den Namen des berühmten Berges bei Engelberg OW (Titlis). Die Kommission stört sich auch daran, dass sie den Namen des Metzgers und Bäckers im Dorf nicht nennen kann, sondern lediglich Aldi und Migros. Und als Yilmaz nach typischen Schweizer Sportarten gefragt wird, nennt sie Chlauschlöpfen und Ski. Die Kommission wollte Hornussen und Schwingen hören. Der Einwohnerrat lehnt Yilmaz’ Gesuch auf Empfehlung der Kommission ab. Sie wehrt sich mit einem Rekurs. Und wird beim zweiten Versuch im Oktober 2017 eingebürgert.
Die Aargauer Zeitung machte den Fall 2017 publik. Das Raclette
Ein 43-jährige Brite wollte sich und seinen sechsjährigen Sohn im Juni 2018 an seinem Wohnort am Obersee einbürgern lassen. Die Staatskundeprüfung hat er laut «Blick» mit Bravour bestanden. Lewis ist kurz nach seiner Geburt in London nach Château-d'Œx VD gezogen und spricht fliessend Deutsch und Französisch.
Die Einbürgerungskommission will vom Briten unter anderem den Ursprungsort von Raclette wissen. Weil er Westschweiz statt Wallis zur Antwort gibt und auch nicht weiss, was die Bündner Spezialität Capuns ist, kommt die Kommission zum Schluss, dass Lewis «ungenügend mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut» sei. Ebenfalls negativ angerechnet wird ihm, dass er nicht sagen kann, wie eine Abstimmung zustande kommt und allgemein zu wenig Ahnung vom Milizsystem habe.
Blick berichtet über den Fall. Die SBAA sammelt solche Fälle systematisch und listet sie auf ihrer Homepage auf. Sie fordert, dass Einbürgerungsverfahren fairer, chancengerechter und ohne Diskriminierung ausgestaltet werden.
Laut der Statistik des Staatssekretariats für Migration sei die Zahl der Einbürgerungen seit 2018, also seit Inkrafttreten des verschärften Bürgerrechtsgesetzes, zurückgegangen. Die formellen Voraussetzungen für die Einbürgerung müssten gesenkt und die Integration erleichtert werden.
Die SBAA
Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht SBAA wurde 2008 gegründet. Sie beobachtet, wie die Gesetze in den asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren angewendet werden und welche Auswirkungen sie auf Betroffene haben.
Es sei dringend notwendig, dass auch Menschen mit einer Aufenthaltsbewilligung oder einer vorläufigen Aufnahme ein Einbürgerungsgesuch stellen könnten. Zudem solle die heute vorgeschriebene Aufenthaltsdauer verringert werden. Denn die Einbürgerung beschleunige nachweislich die Teilhabe und Integration.
(ohe/sda)
*Alle Namen geändert
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