Die 40-jährige Kaniz Fatema Khan wohnt seit zehn Jahren in der Aargauer Gemeinde Wislikofen. Die Bangladescherin arbeitet im 342-Seelen-Dorf als Köchin in einer Institution für Behinderte. Ihre Söhne wurden beide hier geboren. Sie nimmt regelmässig an Veranstaltungen im Dorf teil. Ihr Deutsch und Schweizerdeutsch ist zwar nicht akzentfrei, aber sie kann sich problemlos verständigen.
Obwohl sie den schriftlichen Staatskundetest bestanden hat, empfiehlt der Wislikofer Gemeinderat der Gemeindeversammlung vom 28. November, Khans Einbürgerungsgesuch abzulehnen. Begründung: Die sprachlichen Kenntnisse von Frau Khan seien zu schwach und die Integration fraglich, wie die Aargauer Zeitung schreibt. Die Begründung von Gemeindeammann Heiri Rohrer: «Bei der Frage nach den Nachbargemeinden Wislikofens nannte sie bei Weitem nicht alle Ortschaften.» Ausserdem habe sie nur zwei regelmässige Veranstaltungen im Dorf nennen können.
Wislikofen ist nicht die erste Gemeinde, welche durch ihre Einbürgerungspraxis in die Schlagzeilen gerät, wie diese vier Fälle zeigen:
Der von der Aargauer Zeitung publik gemachte Fall der jungen Türkin machte internationale Schlagzeilen. Yilmaz wurde in der Schweiz geboren, ging hier zur Schule, schloss eine Ausbildung als Tiefbauzeichnerin ab, erhielt eine Festanstellung in ihrem Lehrbetrieb und ist mit einem Schweizer verlobt. Im schriftlichen Einbürgerungstest beantwortete sie 100 Prozent der Fragen richtig.
Am Gespräch vor der Einbürgerungskommission von Buchs AG ist Yilmaz nervös. Sie vergisst den Namen des berühmten Berges bei Engelberg OW (Titlis). Die Kommission stört sich auch daran, dass sie den Namen des Metzgers und Bäckers im Dorf nicht nennen kann, sondern lediglich Aldi und Migros. Und als Yilmaz nach typischen Schweizer Sportarten gefragt wird, nennt sie Chlauschlöpfen und Ski. Die Kommission wollte Hornussen und Schwingen hören. Der Einwohnerrat lehnt Yilmaz’ Gesuch auf Empfehlung der Kommission ab. Sie wehrt sich mit einem Rekurs. Und wird beim zweiten Versuch im Oktober 2017 eingebürgert.
Der 22-jährige Kosovare Mergim Ahmeti will sich im März 2018 an seinem Wohnort im St. Galler Rheintal einbürgern lassen. Er ist in der Schweiz geboren worden, zur Schule gegangen und arbeitstätig. Sein Leumund ist tadellos, keine Verkehrsbussen, keine Schulden. Berufsbegleitend macht Ahmeti eine Fachhochschule. Für seine Karriere nimmt er einen Arbeitsweg von zwei Autostunden auf sich. Darunter leiden seine Freizeitaktivitäten. Aus dem Fussballclub des Dorfs ist er nach siebenjähriger Aktivmitgliedschaft aus Zeitgründen ausgetreten. Bei den vier anderen Vereinen des Dorfs – Pfadi, katholischer Frauenverein, Musikgesellschaft, Turnverein – ist er nicht dabei.
Dass er in keinem Verein mitmacht, ist für den Einbürgerungsrat der Ortsgemeinde Montlingen ein Grund dafür, Ahmetis Gesuch abzulehnen. «Die Integration im Dorf ist schwach vorhanden. Er bemüht sich zu wenig, sich voll und ganz im Dorf zu integrieren.» Beispielsweise kenne er die Restaurants im Zentrum von Montlingen nicht, obwohl er dort aufgewachsen sei und diese an seinem früheren Schulweg liegen. «Tatsächlich kam mir gerade nur der Hirschen in den Sinn», sagte Ahmeti dem Beobachter. Und gibt zu bedenken: «Aber wenn ich alle Restaurants genannt hätte, hätte es vielleicht geheissen, ich hänge nur in der Beiz rum.»
Der 43-jährige Brite will sich und seinen sechsjährigen Sohn im Juni 2018 an seinem Wohnort am Obersee einbürgern lassen. Die Staatskundeprüfung hat er laut Blick mit Bravour bestanden. L. ist kurz nach seiner Geburt in London nach Château-d'Œx VD gezogen und spricht fliessend Deutsch und Französisch.
Die Einbürgerungskommission will vom Briten unter anderem den Ursprungsort von Raclette wissen. Weil er Westschweiz statt Wallis zur Antwort gibt und auch nicht weiss, was die Bündner Spezialität Capuns ist, kommt die Kommission zum Schluss, dass L. «ungenügend mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut» sei. Ebenfalls negativ angerechnet wird ihm, dass er nicht sagen kann, wie eine Abstimmung zustande kommt und allgemein zu wenig Ahnung vom Milizsystem habe.
Im Sommer 2017 macht 20 Minuten den Fall des 29-jährigen Deutschen M. M. publik. Der aus Rheinland-Pfalz stammende M. lebt seit 16 Jahren in der Schweiz, hat hier die Schule besucht und im Kanton Thurgau eine Firma aufgebaut. Er ist Mitglied im Arbeitgeber- und Hauseigentümerverband. Doch nach einem Gespräch mit der Kreuzlinger Einbürgerungskommission wird sein Einbürgerungsgesuch zur Ablehnung empfohlen.
M. wird dort unter anderem nach den katholischen Kirchen im Ort gefragt. Er kann einige benennen. Von den reformierten Gotteshäusern kann er nur die Lage beschreiben. Und statt den verlangten vier kann er nur zwei Museen im Ort aufzählen. Von den Mitgliedern der Stadtregierung kennt der Deutsche nicht alle. Dafür kann er die Funktionsweise der Schweizer Sozialhilfe problemlos erklären und kennt die Spitäler und Firmen in Kreuzlingen. Den schriftlichen Wissenstest hatte M. im Vorfeld bereits bestanden, weshalb ihn die Wissensfragen durch die Kommission ärgerten: «Meine Person und mein Leben als integrierter Bürger haben die Kommission überhaupt nicht interessiert.»