Nach ihrer eigenen Einschätzung geht steht für die Rüstungsindustrie ihre Existenz auf dem Spiel: «Ohne Export kann die Schweizer Rüstungsindustrie schlicht nicht überleben.» So steht es in der Antwort auf die Vernehmlassung zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes, welche die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats angestossen hat.
Kurzer Rückblick: Schon bald nach Russlands Angriff auf die Ukraine gelangten mehrere europäische Staaten mit der Bitte an den Bund, Kriegsmaterial, das sie einst in der Schweiz beschafft hatten, an die Ukraine weitergeben zu können. Deutschland wollte etwa in der Schweiz produzierte Munition des Fliegerabwehrpanzers Gepard liefern. Doch der Bundesrat sagte Nein, unter Hinweis auf die Neutralität. Europa zeigte sich verärgert, bald folgten Drohungen, künftig keine Rüstungsgüter mehr in der Schweiz zu beschaffen.
In National- und Ständerat sorgte das für Diskussionen und einen ganzen Strauss an Vorstössen und Ideen, wie die Weitergabe der Waffen trotz Neutralität ermöglicht werden soll. Davon übrig geblieben ist die parlamentarische Initiative zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes: Neu soll für Länder, «die unseren Werten verpflichtet sind und über ein Exportkontrollregime verfügen, das dem unsern vergleichbar ist», das Verbot der Wiederausfuhr von Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion nach fünf Jahren dahinfallen.
Aufgelistet sind die Länder – vorab EU-Staaten, dazu unter anderen Argentinien, Japan und die USA – in der Kriegsmaterialverordnung. Der Kniff: Der Bundesrat müsste die Weitergabe nicht mehr bewilligen, die Neutralität wäre gewährt.
Die Swiss ASD (Aeronautics, Security and Defence), in der die Schweizer Rüstungsfirmen zusammengeschlossen sind, begrüsst die vorgeschlagene Lockerung in ihrer Antwort auf die Vernehmlassung nicht nur, sie hält sie für zwingend nötig. «Aus Sicht der Sicherheitsindustrie müssen Exporte auch an Staaten in Konflikten möglich werden», schreibt sie, freilich nur an jene in der Verordnung aufgelisteten demokratischen Staaten, «die gleiche völkerrechtliche Exportregeln anwenden wie die Schweiz».
Dies sei insbesondere mit Blick auf die Nato wichtig: «Wenn ein Nato-Staat in Osteuropa in einen Konflikt verwickelt wird, tritt der Bündnisfall ein.» Dann wären sämtliche Nato-Staaten in den Krieg verwickelt, und nach heutiger Gesetzgebung dürften keine Waffen aus Schweizer Produktion mehr an sie geliefert beziehungsweise von Nato-Staaten an andere Nato-Staaten weitergegeben werden. «Die Konsequenz daraus ist, dass auch in Friedenszeiten keiner dieser Staaten künftig Rüstungsgüter aus der Schweiz beschaffen wird», schreibt Swiss ASD. Das Parlament in den Niederlanden habe dies bereits so entschieden.
Die Schweizer Rüstungsbranche verliere Kunden und drohe aus den Produktionsketten zu fallen. Im Kriegsfall gäbe es dann keine gegenseitige Abhängigkeit mehr, dank der gewährleistet sei, dass die Schweiz Rüstungsgüter importieren könne. Die Swiss ASD folgert daraus: «Die Sicherheit der Schweiz gerät in Gefahr.»
Anders sieht das die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Sie will die Weitergabe von Waffen an die Ukraine zwar auch ermöglichen, jedoch auf der Basis des «Uniting for Peace»-Verfahrens, mit dem die UNO-Vollversammlung einen Angriffskrieg wie denjenigen Russlands in der Ukraine als völkerrechtswidrig einstuft, falls der UNO-Sicherheitsrat blockiert ist. Die Idee wurde im Parlament in Bern auch schon diskutiert.
Dass hingegen die in der Kriegsmaterialverordnung genannten Staaten das Recht erhalten sollen, Rüstungsgüter aus der Schweiz schon nach einer «sehr kurzen Frist» von fünf Jahren weiterzugeben, hält die GSoA für ein «gravierendes Schlupfloch», etwa für Lieferungen an Saudi-Arabien. Das Land ist international einer der grössten Einkäufer von Kriegsmaterial, verletzt Menschenrechte systematisch und ist in Jemen in einen Krieg verwickelt. Derzeit liefert die Schweiz keine neuen Waffen dorthin.
Die GSoA weist weiter darauf hin, dass auf der Liste mit Argentinien und Ungarn auch Länder zu finden seien, «die kaum unser Verständnis von Menschenrechten teilen». Sei die Frist von fünf Jahren einmal vorbei, habe der Bund keine Handhabe mehr, eine Weitergabe der Waffen zu stoppen. Das ermögliche Umgehungsgeschäfte. Zudem würden viele Staaten auf der Liste der Verordnung heute Kriegsmaterial in Länder exportieren, an die die Schweiz nicht liefere. Sollte die Vorlage unverändert durchs Parlament kommen, sehe sich die GSoA gezwungen, «ein Referendum zu prüfen». (aargauerzeitung.ch)
Der Rechtsrutsch im Parlament wird aber wohl dafür sorgen, dass sie eine Lockerung für alle Verbrecherstaaten wie Saudi-Arabien durchsetzen wollen, nicht aber an bereits angegriffenen Demokratien. Man kennt die Putinfreunde ja.
Eine solche Vorlage werde ich immer ablehnen. Als Demokratie ist es eine Schande, Systeme, die einen zerstören wollen durch Waffen zu fördern. Diktaturen wollen längerfristig unsere Demokratie zerstören, da müssen wir nicht noch mithelfen!
Wenn in der CH hergestellte Waffen nur mit Einschränkungen benutzt / weitergegeben werden können, muss sich jetzt keiner wundern, warum niemand mehr CH-Rüstungsprodukte kaufen will.