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Die Schweiz will Angriffsdrohnen entwickeln – Gründe und Stolpersteine

Die Schweiz will Angriffsdrohnen entwickeln – die Gründe und Stolpersteine

Das Bundesamt für Rüstung forciert die Entwicklung von Angriffsdrohnen in der Schweiz. Die Schweiz soll unabhängig werden vom Ausland – um im Krisenfall ein Pfand in der Hand zu haben. Doch macht die erfolgreiche Schweizer Drohnen-Start-up-Szene mit?
26.07.2024, 16:50
Doris Kleck und Reto Wattenhofer / ch media
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Eine Drohne des Aufklaerungsdrohnensystem 15 (ADS 15) der Armasuisse und Schweizer Armee auf dem Armee Flugplatz in Emmen am Donnerstag, 8. September 2022. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Herrin der Lüfte: Drohnen kommen eine immer grössere Bedeutung in der Sicherheitsarchitektur zu.Bild: keystone

Das Land rieb sich verwundert die Augen, als Armeechef Thomas Süssli im Februar von einem Jahr ankündigte, die Schweiz prüfe die Beschaffung von bewaffneten Drohnen. Diese würden in Zukunft möglicherweise die Artillerie teilweise ersetzen, sagte er. Und verwies explizit auf die iranische Drohne Shahed-136, die mehrere 100 Kilometer weit fliege und das Ziel präzise treffe. Und das zu einem Spottpreis von 20'000 Franken.

Die iranische Billigdrohne wird von den Russen im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt. Es ist eine sogenannte Kamikazebombe oder auch «Loitering Munition» (herumlungernde Munition) genannt. Sie kann lange in verschiedenen Höhen über dem Zielgebiet kreisen und den Gegner am Boden orten. Ein Mensch gibt letztlich aber den Entscheid zum Abschuss.

In der Ukraine lässt sich in Echtzeit beobachten, wie Drohnen die Kriegsführung verändern. Sie spielen für beide Kriegsparteien eine grosse Rolle – und sind zur Massenware geworden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat im Februar gar eine eigene Drohnen-Streitkraft ins Leben gerufen. Es gebe heute ukrainische Bataillone, die monatlich bis zu 3000 Exemplare verbrauchen, schrieb die NZZ kürzlich.

Erstaunlicher Sinneswandel

Die Verwunderung über Süsslis Ankündigung in der Schweiz war dennoch gross. Auch deshalb, weil die Beschaffung von bewaffneten Drohnen ein Jahr zuvor beim Verteidigungsdepartement noch «kein Thema» war, als die SVP 2022 lautstark eben solche forderte.

Doch nun zeigt sich: Die Armee will nicht nur Angriffsdrohnen beschaffen – sondern auch in der Schweiz entwickeln lassen. Das geht aus einer Medienmitteilung von Armasuisse von Anfangs Juli hervor. Auch das ist erstaunlich, wurde die Drohnenentwicklung hierzulande doch lange stiefmütterlich behandelt.

Als diese Zeitung vor Jahresfrist das Schweizer Drohnen- und Robotik-Zentrums (SDRZ) des Verteidigungsdepartements (VBS) besuchte, stellte dessen Leiter Markus Höpflinger etwas frustriert fest, dass die Schweiz ihr Potenzial nicht ausschöpfe: «Im internationalen Vergleich hat die Schweiz eine einmalige Dichte an Start-ups, Wissen und Kompetenz.» Das Problem sah der ETH-Ingenieur im industriellen Bereich. «Der Transfer von der Forschung in die Industrie klappt nur ungenügend.»

Schlüsselrolle auf dem Gefechtsfeld

Die Zeiten haben sich geändert. Mittlerweile sind Drohnen bei der Armee zu einem Topthema geworden. Das dürfte auch mit einer personellen Änderung an der Spitze des Bundesamtes für Rüstung (Armasuisse) zu tun haben. Vor einem Jahr übernahm Urs Loher dessen Leitung.

Im Juni entschieden Rüstungschef Loher, Armeechef Süssli, der Generalsekretär des Verteidigungsdepartements Daniel Büchel sowie die Direktorin des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, Michaela Schärer, angesichts der «zunehmenden Bedrohungen und anhaltender Konflikte» eine Taskforce Drohnen ins Leben zu rufen. Die Flugobjekte seien aus dem Kampfgeschehen nicht mehr wegzudenken und hätten eine Schlüsselrolle eingenommen, heisst es bei Armasuisse.

Ziel der Taskforce ist es, bereits in unmittelbarer Zukunft unterschiedliche Drohnen in einer grösseren Anzahl einsetzen zu können, um diesen Bedrohungen zu begegnen. Und den Fähigkeitsaufbau der Armee im Bereich Drohnen zu beschleunigen sowie neue Fähigkeiten zu erschliessen.

Kaum gegründet, lud die Taskforce am 9. Juli verschiedene Akteure aus Industrie, Wissenschaft und VBS zu einem Runden Tisch ein. Ein Traktandum: Die Schweiz soll im Drohnenbereich möglichst autark, sprich unabhängig vom Ausland werden. Im Krisen- und Kriegsfall sei eine möglichst autonome Versorgung der Schweiz mit Schlüsselgütern zentral, schreibt Armasuisse.

Bund möchte auf Gegengeschäfte setzen

Totale Autonomie im Rüstungsbereich ist natürlich eine Illusion – selbst bei Schlüsselgütern. Viel mehr geht es darum, im Krisenfall ein Pfand in der Hand zu haben und für andere Länder wie auch die Nato ein interessanter Kooperationspartner zu sein. Das Pfand sollen – so scheint es – Schweizer Drohnen sein.

Nach seinem Amtsantritt umriss Rüstungschef Loher seine Strategie gegenüber SRF: Die Schweiz sei zunehmend isoliert, ohne Zugang zu Lieferketten. Er schloss daraus: «Wir müssen die Rüstungsindustrie wieder aufbauen.» Einerseits sollen mehr Rüstungsgüter im Inland beschafft werden. Andererseits will Armasuisse bei Einkäufen im Ausland das Mittel der Gegengeschäfte besser nutzen und den Lieferanten Vorgaben machen, in welchen Bereichen sie in der Schweiz investieren müssen - etwa in den Drohnenbereich.

Die Schweiz gilt zwar als Silicon Valley der Drohnen und Robotik. Doch von einem Prototypen zu seriellen industriellen Produktion ist es ein weiter und teurer Weg. Es mag absurd klingen, aber in der reichen Schweiz ist es schwierig, das notwendige Risikokapital zu beschaffen. Deshalb gibt es viele Start-ups, aber wenige Hersteller.

Fördermittel des Bundes gibt es bislang kaum. Auch das Forschungsbudgets des bundeseigenen Drohnenzentrums belief sich letztes Jahr auf gerade mal 1,5 Millionen Franken. Dafür finanzieren andere Staaten vielversprechende Projekte in der Schweiz. Etwa die Forschungsagentur des US-Verteidigungsministeriums (Darpa). Selbst die Chinesen sollen schon bei Schweizer Start-ups angeklopft haben.

Der Bund will nun auch bei den Fördermitteln ansetzen. An besagtem Runden Tisch kündigte Urs Loher an, während drei Jahren ein zweistelliger Millionenbetrag für die Entwicklung von Drohnen zur Verfügung zu stellen. Ein Anforderungsprofil: die Bekämpfung von Bodenzielen in Entfernungen von bis zu 300 Kilometern.

Wie reagiert die Drohnen-Industrie?

Doch kommt die Idee der Schweizer Kamikazebombe tatsächlich zum Fliegen? Darüber dürfte nicht nur das Geld entscheiden, sondern auch der Wille des Schweizer Drohnen-Mikrokosmos, der aus vielen jüngeren Firmen und Spin-offs besteht. Armasuisse räumt auf Anfrage selbst ein, viele dieser Unternehmen seien nicht im Rüstungsbereich tätig oder wiesen Produkte auf, die für militärische Anwendungen noch nicht ausgereift seien.

Hinzu kommen ethische Bedenken, für das Militär zu arbeiten. Markus Höpflinger bestätigt diese Zurückhaltung in einem Beitrag auf Linkedin in Bezug auf Kampfaufgaben. Allerdings gebe es diverse Anwendungen, bei denen die «Schweizer Perlen» sehr bereit seien zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit.

Erste Angriffsdrohnen sollen bereits 2025 von der Schweizer Armee getestet werden. Ein ambitiöser Plan.

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bild: watson/keystone
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77 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stevemosi
26.07.2024 17:16registriert April 2014
Das ist doch gut, ganzer Wirtschaftskreislauf bleibt in der CH. Und Drohnen machen in meinen Augen auch Sinn in der Praxis
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Radio Eriwan - mit Echtheitszertifikat
26.07.2024 17:17registriert November 2020
Im Prinzip dafür - weil die Welt/ Sicherheitslage ist nicht mehr die, die sie jahrelang war: Krieg in Europa war nach WWII jahrzehntelang Undenkbar - exkl. Balkan und jetzt Ukraine-Kriege. Und diese neuen Kriege werden anders geführt, als früher. Was spricht also Dagegen, wenn sich die CH-Armee neue Fähigkeiten aneignen will?
Ansonsten machen dann andere Länder mit der Entwicklung vorwärts (Drohnen aus Israel, USA, ...)
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Katerchen
26.07.2024 21:05registriert März 2023
Wenn die Schweiz selber Drohnen entwickelt bleiben die Arbeitsplätze und ein Teil der Steuergelder in der Schweiz.
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