Trotz verkürzter Redezeit hat der Nationalrat die Ecopop-Initiative am Dienstag nicht zu Ende beraten. Dass eine Mehrheit das Volksbegehren ablehnt, steht ausser Zweifel. Die Frage ist, ob der Nationalrat die Initiative überhaupt für gültig erklären wird.
Über deren Inhalt ist man sich hüben und drüben einig: Nicht einmal die SVP-Fraktion, die ebenfalls ein Problem mit der Zuwanderung hat, sieht in deren Beschränkung auf 0,2 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung eine Lösung.
Eine derart rasche und tiefgreifende Reduktion der Zuwanderung wäre für die Schweiz nicht verkraftbar, sagte SVP-Sprecher Heinz Brand (GR). Zudem sei es eine Illusion, dass die Schweiz mittels Geburtenkontrolle auf das globale Bevölkerungswachstum Einfluss nehmen könne.
SP-Sprecherin Cesla Amarelle (VD) sagte das Ende der Personenfreizügigkeit und der Verträge von Schengen/Dublin voraus sowie katastrophale Folgen für die Wirtschaft und die Sozialwerke. «Die Ecopop-Initiative ist keine Umwelt-Initiative, sondern eine Anti-Einwanderungs-Initiative», stellte GLP-Sprecherin Tiana Moser (ZH) fest.
Dieser Meinung ist auch die CVP-Fraktion: Gerhard Pfister (ZG) bezeichnete das Volksbegehren als «anmassend und widersprüchlich». Den Initianten gehe es nicht um den Erhalt der natürlichen Ressourcen, «sondern um den Erhalt der eigenen Lebensstandards». Alexander Tschäppät (SP/BE) attestierte ihnen «Weitsicht bis zum eigenen Vorgarten-Zaun».
Kurt Flury (FDP/SO) wies auf die dramatischen Folgen der Zuwanderungs-Beschränkung hin: Bei rund 16'000 Zuwanderern, welche nach einer Annahme noch erlaubt wären, könnten nicht einmal alle Auslandschweizer in die Schweiz zurückkehren. Zudem bekäme die Schweiz Probleme mit ihren humanitären Verpflichtungen. «Mit Sicherheit wäre die Initiative aber nicht wirtschaftsverträglich.»
Die Initiative war schon in der Staatspolitischen Kommission (SPK) schlecht aufgenommen worden. Diese sei «fremdenfeindlich mit einem grünen Mäntelchen», chauvinistisch und Ausdruck eines «Herrenmenschentums», sagte Kommissionssprecher Andreas Gross (SP/ZH). Aber gültig sei die Initiative, auch wenn sie einem nicht gefalle.
Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit wahrt diese die Einheit der Materie, auch wenn dies «nicht sofort einsehbar» sei, sagte Gross. «Die Initiative hat eine Grundmotivation, nämlich, dass es auf der Welt zu viele Menschen gibt.» Dagegen würden zwei verschiedene Massnahmen vorgeschlagen: Die Beschränkung der Zuwanderung und einen Beitrag zur Geburtenkontrolle.
Einige Rednerinnen und Redner brachen aus demokratiepolitischen Gründen eine Lanze für die Initiative: Ungültigerklärung sei immer ein schlechtes Mittel, sagte Hans Fehr (SVP/ZH). «Lassen wir das Volk entscheiden!» Auch Balthasar Glättli (Grüne/ZH) rief dazu auf, die Ecopop-Initiative mit politischen Mitteln zu bekämpfen.
Eine Kommissionsminderheit beantragt, die Initiative für ungültig zu erklären. Pfister warnte vor einem Präzedenzfall: «Wenn hier die Einheit der Materie erfüllt ist, dann ist in Zukunft so ziemlich alles möglich.» Die Initiative verfolge zwei oder sogar drei Ziele: Den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen in der Schweiz, die Begrenzung der Zuwanderung und die Familienplanung in Entwicklungsländern.
Einige Fraktionen sind in der Frage der Gültigkeit gespalten. SVP, Grüne sowie die Mehrheit von SP und FDP wollen die Initiative jedoch dem Volk vorlegen. Es ist daher zu erwarten, dass der Nationalrat die Initiative bei der Abstimmung am Donnerstag wie der Ständerat für gültig erklärt.
Wenig Chancen hat auch der Rückweisungsantrag: Die BDP hatte vorgeschlagen, dass sich die SPK noch einmal mit der Frage der Gültigkeit befassen soll. Hintergrund ist der Entscheid des Ständerats von letzter Woche, die Gültigkeit der Erbschaftssteuer-Initiative noch einmal von der Kommission prüfen zu lassen.
Die BDP möchte, dass die Kommissionen beider Räte eine «tragfähige Praxis» zur Gültigkeit entwickeln, welche sowohl den demokratischen Rechten der Initianten als auch der Rechtsstaatlichkeit Rechnung trägt.
Wohl sei die Frage von der Kommission bereits geprüft worden, sagte Urs Gasche (BDP/BE). Mit seinem Entscheid habe der Ständerat aber eine neue Ausgangslage geschaffen. «Es kann nicht sein, dass zwei Kommissionen und zwei Räte in gleich gelagerten Fällen fast gleichzeitig zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.» Die meisten Rednerinnen und Redner sprachen sich im Rat jedoch gegen den Antrag aus.
Die Vereinigung Umwelt und Bevölkerung (Ecopop) setzt sich nach eigenen Angaben für die «Lebensgrundlagen und die Lebensqualität in der Schweiz und weltweit» ein. Die Ecopop-Initiative ist im November 2012 mit knapp 120'000 gültigen Unterschriften eingereicht worden. (rar/sda)