Krisen, Konflikte, Kriege. Das Terrain ist äusserst heikel. Wenig verwunderlich also, ist es ein äusserst verschwiegenes Geschäft, das Schweizer Diplomaten so gut wie wenig andere beherrschen: Sie erbringen «Gute Dienste». Mal versuchen sie, verfeindete Volksgruppen zu befrieden; mal zwischen Staaten zu vermitteln; mal Erzrivalen zumindest wieder an einen Tisch zu bringen.
Zentral bei den «Guten Diensten» ist traditionell die Mediation zwischen Konfliktparteien. Die Friedensförderung gilt als Kerngeschäft der Schweizer Aussenpolitik. Hiesige Diplomaten vermittelten schon in zahlreichen Konflikten; in jüngerer Zeit etwa bei einem Gefangenenaustausch zwischen den USA und dem Iran oder zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc-Rebellen.
Jeder Mediator pflege «seinen ganz persönlichen Stil», so formulierte es Julian Hottinger in einer Fachpublikation. Der Friedensmediator gehört im Aussendepartement (EDA) zu den führenden des Fachs, als «lebende Legende» bezeichnete ihn der «Blick» einmal. Doch selbst Hottinger bekennt: «Es kommt vor, und auch mir ist das schon passiert, dass die Chemie einfach nicht stimmt.»
Zweifellos hat die Arbeit der Vermittler viel mit Emotionen zu tun - ohne dass die nüchtern-eidgenössischen Diplomaten diesen bisher eine grosse Bedeutung zugemessen haben. In der Praxis handeln die Friedensmacher quasi intuitiv, sie folgen ihrem Gespür. Das soll sich jedoch ändern: Psychologische Aspekte würden in Friedensverhandlungen vernachlässigt, heisst es aus dem Departement von Bundesrat Ignazio Cassis. Oft würden solche «implizit verstanden, aber nicht explizit einbezogen», sagt ein Sprecher.
Deshalb investiert das EDA nun in ein fachliches Fundament. Hinter den Kulissen laufen seit einiger Zeit entsprechende Bestrebungen, wie Informationen der «Schweiz am Wochenende» zeigen. Das Ziel: Die Diplomaten sollen psychologisches und sogar psychoanalytisches Wissen gezielt einsetzen, wenn sie im Auftrag des Friedens arbeiten. Schliesslich menschelt es am Verhandlungstisch oft gehörig. Erst recht, wenn sich Leute gegenübersitzen, die sich eigentlich bekriegen. Nicht selten beharren sie auf ihren Standpunkten, mitunter pokern sie hoch und schlimmstenfalls verstricken sie sich noch tiefer in Konflikte.
Wie verhält sich da ein Mediator als neutraler Dritter? Wie baut er Vertrauen auf? Wie kann er sich in verschiedene Sichtweisen hineinversetzen? Und wie schafft er es, das Ende eines Konflikts einzuleiten? Um die Dynamiken dahinter besser zu verstehen, hat das EDA mit Bruna Seu eine renommierte Expertin beigezogen. Die Psychologie-Professorin am Birkbeck College der Universität London leitet das Menschenrechtszentrum CREHR. Ihr Forschungsprojekt ist vorerst auf ein Jahr angelegt.
Vorab interviewten die Forscher altgediente Friedensmacher wie den Schweizer UNO-Botschafter Jürg Lauber oder Staffan de Mistura, den früheren UNO-Sondergesandten für Syrien. In den Gesprächen sei einerseits deutlich geworden, dass psychologische Aspekte bei der Friedensmediation eine wichtige Rolle spielten, erklärt der EDA-Sprecher. «Andererseits haben sie aufgezeigt, dass wir für eine solide Erforschung dieser Thematik mehr Daten benötigen.»
Böse Zungen könnten behaupten, dass da bloss verakademisiert werde, was in der Praxis ganz gut funktioniert. Der EDA-Sprecher sagt: «Die Motivation hinter dieser Initiative ist das stete Streben, unsere Arbeit mit neuen und innovativen Ansätzen zu verbessern.» Das tönt erst mal nach einer typischen PR-Floskel.
Tatsächlich aber sollen die Forschungen von Bruna Seu dem Aussendepartement handfeste Ergebnisse liefern: Am Ende soll ein sogenanntes Toolkit, eine Art «Praktiker-Leitfaden», entwickelt werden. Das Hauptziel bestehe «klar darin, Wissen zu generieren, das für Mediatorinnen und Mediatoren nützlich und anwendbar ist und schliesslich deren Kompetenz auf ihrem Arbeitsgebiet verbessern kann», betont der Sprecher.
Möglich wäre laut dem EDA zudem, dass nach dem Forschungsprojekt die Ausbildung der Diplomaten grundlegend angepasst wird. Die Friedensförderung wird seit einiger Zeit professionalisiert. So beteiligt sich der Bund seit drei Jahren bereits an einem spezifischen Masterstudiengang der ETH Zürich.