Der Entscheid vor einer Woche war hauchdünn - und eine handfeste Überraschung. Der Nationalrat verlangte mit 93:92 Stimmen eine Art Schuldenbremse, um die Finanzierung der AHV-Renten über 2030 hinaus zu sichern. Die Sozialkommission sollte einen Automatismus als Gegenvorschlag zur Renteninitiative der Jungfreisinnigen ausarbeiten. Letztere will das Rentenalter an die Lebenserwartung koppeln und sieht in einem ersten Schritt eine Erhöhung von 65 auf 66 Jahre vor. «Der Coup des Linkenschrecks» titelte der «Sonntagsblick». Der Linkenschreck, das ist der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Einer der Köpfe hinter der Renteninitiative des Jungfreisinns.
Doch bereits am Montag ist der Gegenvorschlag des Nationalrats Makulatur. Die Sozialkommission lehnt eine solche Lösung ab, wie sie mitteilte. Sie schaffte es nicht, sich auf die Eckwerte für eine Schuldenbremse zu einigen. Dabei stand nicht alleine die Erhöhung des Rentenalters im Vordergrund. Die Kommission diskutierte drei konkrete Vorschläge, welcher Mechanismus im Falle eines Defizits in der AHV greifen sollte:
Von den drei Vorschlägen setzte sich in der Ausmarchung die Lebensarbeitszeit durch. Doch als es um die Frage ging, Gegenvorschlag mit Lebensarbeitszeit oder doch keinen Gegenvorschlag, unterstützten nur noch FDP und SVP dieses Modell. Die Mehrheit der Kommission wollte nichts davon wissen. Auch die Grünliberalen nicht. Vizepräsidentin Melanie Mettler sagt, die Lebensarbeitszeit sei ein interessantes Modell. Die Bundesverwaltung habe im Frühling vom Parlament den Auftrag erhalten, dieses zu prüfen. Doch aktuell würden die Entscheidungsgrundlagen fehlen. Mettler, eine Verfechterin der Schuldenbremse, zeigte sich enttäuscht, dass alle Parteien an ihren Maximalforderungen festgehalten haben - und der Gegenvorschlag damit erledigt ist.
Eine interessante Rolle spielte in der Debatte die SVP. Sie unterstützte vor einer Woche mit 49 Stimmen den Gegenvorschlag. Nur drei SVP-Mitglieder lehnten einen solchen ab, darunter auch Fraktionschefs Thomas Aeschi, der dezidiert gegen ein höheres Rentenalter ist: Dies sei ungerecht gegenüber Berufsleuten, die körperlich anstrengende Arbeit verrichten. Wenn eine Schuldenbremse, dann nur mit der Einführung einer Lebensarbeitszeit.
Aeschi hat offenbar seine Muskeln innerhalb der Fraktion spielen lassen. Freisinnige werfen ihm vor, die SVP habe Angst, vor den Wahlen im Herbst ein höheres Rentenalter zu unterstützen. Aeschi selbst verweist darauf, dass es nicht möglich sei, innerhalb derart kurzer Zeit eine Schuldenbremse für die AHV auszuarbeiten.
Tatsächlich gibt es enge Fristen bei der Behandlung von Volksinitiativen und Gegenvorschlägen. Das Parlament hätte die Vorlage für die Schuldenbremse spätestens in der Wintersession verabschieden müssen.
Aeschi beantragte schliesslich im Namen der Kommission, dass der Nationalrat am Dienstagmorgen über einen Ordnungsantrag abstimmt, der eine möglichst rasche Beratung der Renteninitiative verlangt. Dagegen wehrte sich nur die FDP. Ihr Fraktionschef Damien Cottier warf der Sozialkommission vor, dass sie den Auftrag des Nationalrates nicht richtig wahrgenommen habe. Einen Gegenvorschlag arbeite man nicht in einer Sitzung aus, die knapp 60 Minuten dauerte. Das sei keine seriöse Arbeit.
Ausser der FDP stimmten alle Fraktionen mehr oder weniger geschlossen für den Ordnungsantrag. Aeschi schaffte es, die Parteikollegen wieder auf seine Linie zu bringen. Der Gegenvorschlag ist damit erledigt. Die Initiative des Jungfreisinns wird voraussichtlich im nächsten Frühjahr ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung kommen. Am gleichen Tag wie die Initiative des Gewerkschaftsbundes. Sie verlangt eine 13. AHV-Rente. (bzbasel.ch)
(von der Unterschicht müssen wir gar nicht anfangen zu reden, die sind für die Bürgerlichen eh nix wert.)
Das wäre einfach nicht zeitgemäss. Manche Politiker leben schon fern der Realität.