Bei dem Angriff gegen den Komplex der katholischen Kirche der Heiligen Familie im Gaza-Streifen hatte es am Donnerstag drei Tote und zahlreiche Verletzte gegeben. Schwer verletzt wurden unter anderem auch der katholische Pfarrer der Kirche, Gabriel Romanelli, sowie ein Mitarbeiter von «Avvenire», der in Italien weit verbreiteten und einflussreichen Zeitung der italienischen Bischofskonferenz.
Während des Angriffs befanden sich auf dem Gelände der einzigen katholischen Pfarrei im Gaza-Streifen neben dem Personal und Gläubigen auch mehrere hundert Flüchtlinge, die angesichts der unablässigen Offensive der israelischen Armee, die schon fast 60'000 Tote gefordert hat, dort Schutz gesucht haben.
Der tödliche Beschuss der Pfarrei hat im Vatikan und bei unzähligen katholischen Gläubigen auf der ganzen Welt Entsetzen ausgelöst. Die israelische Militärführung hat zwar umgehend von einem «Versehen» gesprochen, «aber das glaubt hier niemand», betonte der lateinische Patriarch von Jerusalem, der italienische Kardinal Pierbattista Pizzaballa.
Pizzaballa war, zusammen mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, Theophilos III. und mit 500 Tonnen Hilfsgütern im Gepäck, umgehend nach Gaza geeilt, um der christlichen Gemeinde in Gaza und der ganzen Bevölkerung des Küstenstreifens seine Solidarität auszudrücken. «Heute haben sie uns Christen getroffen, aber hier sterben jeden Tag Dutzende Menschen. Es ist Zeit, diesen absurden Krieg sofort zu beenden», betonte Pizzaballa.
Der 60-jährige Kardinal, der beim letzten Konklave zu den am meisten genannten Papabili gehörte, hat sich seit dem israelischen Angriff nicht mehr aus der Pfarrei wegbewegt: Er ist nun eine Art menschliches Schutzschild der Gemeinschaft.
In Gaza hat ihn auch ein Anruf von Papst Leo erreicht. «Papst Leo XIV. hat mehrfach betont, dass das, was geschehen ist, nicht zu rechtfertigen sei und dass alles getan werden müsse, damit es keine weiteren Opfer mehr gibt», sagte Pizzaballa gegenüber den vatikanischen Medien. Das Kirchenoberhaupt hatte nach dem Angriff telefonisch beim israelischen Premier Benjamin Netanyahu interveniert und sofortige Friedensverhandlungen gefordert; in einem weiteren Telegramm an Pizzaballa zeigte sich Leo XIV. «zutiefst traurig» über «das Massaker an Unschuldigen».
Tatsächlich haben sich angesichts der vielen palästinensischen Zivilisten und Kinder, die seit dem israelischen Beschuss der Pfarrei bereits wieder getötet wurden, die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel weiter verschlechtert. Am Wochenende legte die Nummer 2 im Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, nach und erklärte, dass es «berechtigte Zweifel» daran gebe, ob es sich beim Angriff um ein Versehen handle.
Es könnte auch sein, dass es «eine Absicht gab, gezielt eine christliche Kirche zu treffen», weil die Christen im Nahen Osten und zwischen Juden und Palästinensern «ein Element der Mässigung» seien. Jedenfalls seien seitens Israels «bereits viele Grenzen überschritten worden», betonte Parolin. «Wie kann man eine Bevölkerung wie die in Gaza zerstören und aushungern?»
Der Angriff gegen die Pfarrei der Heiligen Familie wiegt für den Vatikan umso schwerer, als auch in dem von Israel besetzten Westjordanland die Übergriffe gegen die christliche Minderheit in den letzten Wochen zugenommen haben. Bei der Ortschaft Taybeh haben rechtsextreme jüdische Siedler wiederholt Bewohner angegriffen, Autos in Brand gesteckt und auch eine christliche Kirche angezündet – offensichtlich in der Absicht, die palästinensische und christliche Bevölkerung zu vertreiben.
Die Übergriffe der Siedler waren selbst dem ultrakonservativen US-Botschafter in Israel, Mike Huckabee, zu schwerwiegend: Er bezeichnete die Angriffe als Terrorakte, die «harsche Konsequenzen» haben müssten. «Kirchen, Moscheen und Synagogen anzuzünden, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen Gott», betonte Huckabee gegenüber der Zeitung «Times of Israel». (aargauerzeitung.ch)