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Gesundheit

Tarifstreit im Gesundheitswesen: Curafutura boykottiert Treffen

«Das verstösst gegen Treu und Glauben»: Tarifstreit eskaliert erneut

Seit Jahren streiten sich die Tarifpartner im Gesundheitsweisen über ein neues Abrechnungsmodell. Unbestritten ist: Der aktuelle Tarif ist veraltet. Nun kam es bei einem Treffen mit der neuen Gesundheitsministerin zu einem Eklat.
27.04.2024, 10:45
Christoph Bernet / ch media
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pius zängerle
Curafutura-Direktor Pius Zängerle kritisiert den Bundesrat heftig.Bild: chris iseli

Der Tarifstreit im Schweizer Gesundheitswesen eskaliert einmal mehr. Am Freitag blieb Curafutura, einer von zwei konkurrierenden Krankenkassenverbänden, einem Treffen der Tarifpartner mit Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider aus Protest fern. Tags zuvor hatte die Ärztevereinigung FMH dem Bundesrat per Medienmitteilung vorgeworfen, «das Patientenwohl zu gefährden».

Hintergrund des Streits: Curafutura und FMH haben ein neues Tarifmodell namens Tardoc ausgearbeitet, welches das seit über zwanzig Jahren geltende, veraltete Tarmed-Modell ablösen soll. Es sieht wie bisher einen Einzelleistungstarif für den ambulanten Bereich vor.

Santésuisse, der andere Krankenversichererverband, und der Spitalverband H+ haben sich im Dezember zwar grundsätzlich mit Tardoc einverstanden erklärt. Sie wollen jedoch, dass Tardoc mit dem von ihnen erarbeiteten Tarifmodell kombiniert wird, das auch bei der Vergütung im ambulanten Bereich Patientenpauschalen statt Einzelleistungen vorsieht.

FMH und Curafutura befürchten, der Bundesrat wolle die Einführung des Tardoc um weitere Jahre verzögern, bis auch bei den Pauschalen im ambulanten Bereich eine fertige Lösung vorliegt. Im Interview erläutert Curafutura-Direktor Pius Zängerle seine Sicht der Dinge.

Warum boykottierte Curafutura das Spitzentreffen mit der Gesundheitsministerin?
Pius Zängerle: Curafutura hat sich darauf verlassen, dass die vom Bundesrat in seinem Schreiben vom Juni 2022 festgehaltenen Bedingungen gültig sind. Darin hat er die Bedingungen für die Inkraftsetzung des Tardoc abschliessend formuliert. Der von uns eingereichte Vorschlag erfüllt alle Anforderungen. Nun verlangt das Innendepartement EDI erneut Anpassungen. Dazu können und wollen wir nicht Hand bieten.​

Was werfen Sie Bundesrätin Baume-Schneider konkret vor?
Wir sind über das Vorgehen verärgert. Der Bundesrat hat klar festgehalten, was beim Tardoc erfüllt sein muss. Wenn das EDI nun neue Forderungen stellt, welche die Ablösung eines veralteten, längst überholten Tarifs weiter hinauszögert, verstösst das gegen Treu und Glauben.​

Einer der Kernpunkte im Tarifstreit ist die Frage nach der Ablösung von Einzelleistungen durch Pauschalen. Das ist auch eine Forderung des Parlaments. Warum sträubt sich Curafutura dagegen?
Wir sträuben uns nicht. Diese Neuausrichtung ist unbestritten und wird zweifellos auch kommen. Aber wir wehren uns dagegen, dass die Einführung des Tardoc weiter verzögert wird. Bei den Fallpauschalen sind noch zu viele Fragen offen. Das räumt auch das EDI ein.​

Sie wollen einfach der anderen Seite Ihre Lösung aufzwingen.
Nein. Fakt ist, dass im Dezember alle vier Tarifpartner dem Tardoc ihre Unterstützung zugesichert haben. Zudem hat der Bundesrat im Sommer 2022 explizit ausgeschlossen, dass das Vorliegen einer fixfertigen Lösung für die Abrechnung nach Pauschalen im ambulanten Bereich eine Bedingung für die dringend notwendige Einführung des Tardoc ist. Sollen die Grundversorger wie Hausärzte, Kinderärztinnen oder Psychiater weiterhin mit dem Tarmed abrechnen müssen, der ihre Leistungen krass unterbewertet? Der Tarmed ist komplett veraltet und ein Kostentreiber. Der Tardoc ist bereit zur Einführung und wird das Kostenwachstum im ambulanten Bereich bremsen.​

Bundesraetin Elisabeth Baume-Schneider spricht waehrend einer Sondersession des Nationalrats, am Mittwoch, 17. April 2024, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Schwieriges Dossier: Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider im Nationalratssaal (Bern, 19. April).Bild: keystone

Im Juni stimmen wir über zwei Volksinitiativen ab, welche einfache Rezepte gegen steigende Krankenkassenprämien bzw. Gesundheitskosten versprechen. Ist der ewige Streit der Akteure im Gesundheitswesen nicht beste Werbung für diese Initiativen?
Der Bundesrat muss nun seine Verantwortung wahrnehmen. Er soll den Tardoc noch vor dem Abstimmungssonntag genehmigen. Es wäre gerade mit Blick auf die Gesundheitsinitiativen ein starkes Signal dafür, dass kostendämpfende Reformen im Gesundheitsbereich möglich sind. Genau deshalb sind wir dem Treffen am Freitag ferngeblieben: Statt mehr Streit und Verzögerung braucht es wirksame Reformen. Diese sind zielführend, im Gegensatz zur Wolkenschieberei, welche die Initiativen machen, die im Juni zur Abstimmung kommen.​

Auf Anfrage von CH Media bestätigt das Innendepartement EDI von Bundesrätin Baume-Schneider das Treffen mit den Tarifpartnern, der Inhalt der Gespräche sei allerdings wie üblich vertraulich. Das EDI räume den Genehmigungsgesuchen von Tardoc und den Patientenpauschalen im ambulanten Bereich «höchste Priorität» ein. Sie sollen noch vor der Sommerpause vom Bundesrat behandelt werden.

Irritiert ist das Departement über das Vorgehen der FMH: Die von der Ärztevereinigung unterstellten Absichten könne das EDI nicht bestätigen.

«Wir sind erstaunt, dass seitens FMH über diese vertraulichen Gespräche kommuniziert wird».

(aargauerzeitung.ch)

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44 Kommentare
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wasps
27.04.2024 10:57registriert Januar 2022
Er hat einen roten Kopf, weil er befürchtet, dass das neue Modell verzögert wird. Und verweigert das Gespräch. Vermutlich geht’s wieder um den Stutz. Pauschalen sind wahrscheinlich günstiger für uns Versicherten. Genau wegen solchem Gezänk haben die Initiativen im Juni sehr gute Chancen, angenommen zu werden.
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Jacques #23
27.04.2024 11:25registriert Oktober 2018
Tags zuvor hatte die Ärztevereinigung FMH dem Bundesrat per Medienmitteilung vorgeworfen, «das Patientenwohl zu gefährden».

Für das Patientenwohl sind die kreativ abrechnenden Ärzte selbst zuständig. Das ist ja schon fast eine Drohung.
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Mat_BL
27.04.2024 11:11registriert April 2019
Das wäre ja prima für die Lobby, vor den Abstimmungen noch kurz ein schönes, neues Abrechnungsmodell einzuführen, um dann im Abstimmungskampf behaupten zu können: Mit uns wird nun alles günstiger, und die beiden Initiativen sind zum Teufel und krass kostensteigernd! - Ein, zwei Jahre später merken wir dann, dass uns die Gesundheitslobby weiter abzockt, nichts günstiger wird und die Prämien weiter steigen.

Ich hoffe dass die Abstimmenden nicht derart verarschen lassen und 2 x JA zu den KK-Vorlagen stimmen.
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