Schweiz
Gesundheit

Coronavirus: Die Schweiz zahlt pro Impfdosis mehr als die Nachbarländer

Geheime Kosten: Die Schweiz zahlt pro Impfdosis deutlich mehr als unsere Nachbarn

Die Verträge mit den Herstellern von Coronaimpfstoffen sind vertraulich. Ein Dokument gibt nun einen Anhaltspunkt, wie viel die Schweiz zahlt: Zirka 28 Franken pro Dosis.
17.04.2022, 09:10
Maja Briner / ch media
Mehr «Schweiz»

Wie viel die Schweiz für die Coronaimpfstoffe zahlt, ist streng vertraulich. Ein kürzlich veröffentlichtes Dokument liefert nun einen Hinweis, wenn auch in verklausulierter Form. In der «Botschaft über den Nachtrag IB zum Voranschlag 2022» heisst es: 2022 seien 623 Millionen fällig «für die Bezahlung von total 33 Millionen Impfdosen von den Firmen Moderna, Pfizer/Biontech und Novavax». Und weiter: «Von den Gesamtkosten für diese Impfdosen wurde rund ein Drittel bereits im Jahr 2021 in der Form von Reservationszahlungen geleistet.»

A health worker administers a shot of the Moderna COVID-19 vaccine to a student at the coronavirus vaccine facility of Unisante at the University of Lausanne, UNIL, during the coronavirus disease (COV ...
Viel Geheimniskrämerei um den Impfstoff: Wie viel dafür bezahlt wird, bleibt in den meisten LändernBild: keystone

Die Formulierung ist kompliziert. Gemeint ist Folgendes, wie die Finanzverwaltung bestätigt: Ein Drittel der Gesamtkosten für die 33 Millionen Dosen wurde 2021 bezahlt, zwei Drittel sind dieses Jahr fällig. Aus diesen Angaben lässt sich ein Stückpreis errechnen: Wenn 623 Millionen zwei Drittel sind, betragen die Gesamtkosten 934.5 Millionen Franken. Daraus ergibt sich ein Preis von gut 28 Franken pro Impfdosis.

Das ist nur über den Daumen gerechnet, da die Angabe «rund ein Drittel» nicht präzise ist. Wie hoch die Gesamtkosten genau sind, will der Bund nicht sagen. Auch wie hoch der Stückpreis je nach Hersteller ist, bleibt unklar. «Wir machen keine Angabe zu den Preisen der verschiedenen Impfprodukte», erklärt das Bundesamt für Gesundheit. Wieder heisst es: vertraulich.

Teurer als in der EU

Die 28 Franken pro Dosis sind daher nur eine Annäherung – es könnten auch zwei Franken mehr oder weniger sein. Doch es ist immerhin ein Anhaltspunkt. Der Preis ist durchaus plausibel: Moderna hatte im August 2020 angekündigt, für kleinere Volumen zwischen 32 und 37 Dollar pro Impfdosis zu verlangen, umgerechnet also zwischen 29 und fast 34 Franken. Der Moderna-Impfstoff ist in der EU teurer als jener von Pfizer.

Dort sollen die Preise zuletzt gestiegen sein. Die «Financial Times» berichtete im August, der EU-Preis für Pfizer/Biontech steige von ursprünglich 15.50 Euro auf 19.50 Euro, jener von Moderna von 19 Euro auf 21.50 Euro. Dass der Schweizer Preis höher liegt, erklärt sich insbesondere damit, dass sie eine deutlich kleinere Menge kaufte als die EU.

FILE - In this file photo dated Saturday, May 15, 2021, empty vials of the Pfizer-BioNTech COVID-19 vaccine lie in a box during a vaccine campaign at the Vaccine Village in Ebersberg near Munich, Germ ...
Da die Schweizer weniger Impfungen brauchte, musste sie pro Dosis mehr bezahlen.Bild: keystone

Moderater Schweiz-Aufschlag

Alfred Angerer ist Professor für Gesundheitsökonomie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Er sagt: «Die Schweiz hat nicht die gleiche Verhandlungsmacht wie die EU und es ist normal, dass sie einen Schweiz-Aufschlag bezahlt.» Liege der Stückpreis tatsächlich bei 28 Franken und stimmten die Angaben zur EU, so sei der Schweizer Preis rund ein Viertel höher.

«Verglichen mit anderen Preisaufschlägen ist das moderat», sagt Angerer. «Bei Medikamenten sehen wir teilweise höhere Schweiz-Aufschläge.» Zum Vergleich: Gemäss dem jüngsten Auslandpreisvergleich von Santésuisse und Interpharma sind patentgeschützte Medikamente im europäischen Ausland zwar nur rund 7 Prozent günstiger, Generika hingegen satte 45 Prozent.

Angerer sagt, beide Seiten hätten bei den Coronaimpfstoffen Anreize gehabt, fair zu verhandeln. «Hätten die Pharmafirmen den doppelten Preis verlangt, hätte ihnen sehr negative Presse gedroht. Und andererseits hatte die Schweiz absolut kein Interesse daran, die Verhandlungen platzen zu lassen.»

Ob der Impfstoff etwas weniger oder mehr koste, sei mit Blick auf die Gesamtkosten auch nicht derart relevant, sagt Angerer. Er hatte im Februar 2021 die Impfkosten auf Basis von bekannten Zahlen und Schätzungen berechnet. Er ging damals von zwei Impfungen aus und von einem Preis von 20 Franken pro Impfdosis. In seinen Berechnungen kam Angerer auf rund 500 Millionen Franken Gesamtkosten. Etwa 180 Millionen Franken davon machten gemäss seinen Berechnungen die Einkaufskosten für den Impfstoff aus. Der Rest sind unter anderem Personal- und Logistikkosten.

Verträge sollen bald öffentlich werden

Die Verträge mit den Impfstoffherstellern sind derzeit noch unter Verschluss, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte empfahl im Januar aber eine Offenlegung. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) stellte sich gegen eine Veröffentlichung, solange die Verhandlungen mit den Herstellern liefen. Sonst werde die eigene Position geschwächt, argumentierte die Behörde.

Nun dürften die Verträge bald publik werden. «Die Verhandlungen mit den Herstellern für das Jahr 2023 sind seit kurzem abgeschlossen», sagt ein BAG-Sprecher. «Derzeit laufen Diskussionen mit den Herstellern darüber, welche Schwärzungen in den Verträgen vorgenommen werden müssen.» Es geht laut BAG darum, dass die Vertragspartner ihre legitimen Interessen schützen können. Ob die Preise tatsächlich bekannt werden, ist also offen: Sie könnten auch geschwärzt werden. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das bunte Treiben der Coronasünder
1 / 11
Das bunte Treiben der Coronasünder
Credit-Suisse-Präsident António Horta-Osório hat zweimal gegen die Corona-Quarantäneregeln verstossen – einmal gegen schweizerische, ein zweites Mal gegen britische, weil er den Tennisfinal in Wimbledon live miterleben wollte. Die Folgen: für die Credit Suisse zahlreiche peinliche Schlagzeilen in der globalen Finanzpresse, für Horta-Osório selbst blieb nur noch der Rücktritt.
quelle: keystone / andy rain
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Fuul Haus» – Die neue Sitcom in Pandemie-Zeiten
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
27 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
PHILIBERT
17.04.2022 09:33registriert Januar 2021
Ach neh, das ist was ganz neues... zahlen wir nicht bei sehr sehr vielem, zum Teil sehr viel mehr, als unsere Nachbarn ?? Etwas anderes hätte mich gewundert...
712
Melden
Zum Kommentar
avatar
Töfflifahrer
17.04.2022 10:28registriert August 2015
Aber man muss ja dieselben Firmen mit weiteren Steuergeschenken bedienen und die Rechnung bezahlen dann wir.
456
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hösch
17.04.2022 09:23registriert März 2022
Also hat die CH bei den Coronaimpfungen grob gesagt einen Kleinmengenzuschlag drauf gehauen bekommen. Zusätzlich zum doch recht saftigen Preis, Wenn man bedenkt auf welche Stückzahlen die Entwicklungskosten umgeschlagen werden konnten.

Aber mit den überteuerten Generika hat es eigentlich keinen direkten Zusammenhang.
416
Melden
Zum Kommentar
27
SP-Funiciello sagt, was sie nach den abgelehnten AHV-Beschwerden nun fordert
Wegen falsch kommunizierter Zahlen wollten Grüne und SP-Frauen, dass das Bundesgericht die AHV-Abstimmung von 2022 aufhebt. Die Beschwerden wurden jedoch abgelehnt, sehr zur Enttäuschung von SP-Nationalrätin Tamara Funiciello.

Das Bundesgericht hat die Beschwerden abgelehnt. Ihr Fazit?
Ich bin mit diesem Urteil natürlich nicht zufrieden. Wir kamen mit der Erwartung hierher, dass wir gewinnen. Nun haben wir leider verloren.

Zur Story