Niemand wird mit der neuen Regel zufrieden sein. Gesundheitsminister Alain Berset kündigte es an der Medienkonferenz an, dass sowohl von den Gegnern als auch von den Befürwortern tieferer Medikamentenpreise Kritik einprasseln würde. Er sagte, er habe einen «Mittelweg» gewählt. Das heisst, er hat gegenüber beiden Seiten Konzessionen gemacht – und eben am Ende niemanden wirklich zufriedengestellt. Die gestern vorgestellten Massnahmen und Ankündigungen gehen dennoch in eine klare Richtung: Die Preise purzeln weiter.
Nachdem die Preise kassenpflichtiger Medikamente in den letzten drei Jahren um pauschal 600 Millionen Franken gesenkt werden konnten, wirkte sich dies auf die Prämien aus, die durch die Einsparungen weniger stark gestiegen sind. Ob sich in Zukunft ein vergleichbarer Betrag einsparen lässt, ist zweifelhaft. Der Bundesrat teilte gestern mit, dass er das Kostenwachstum bei Medikamenten «stabilisieren» wolle.
Es ist davon auszugehen, dass die Medikamentenpreise weiter sinken, weil sie nach wie vor jenen im Ausland angepasst werden. Da der Eurokurs im Vergleich zum Vorjahr, als zum letzten Mal die Preise angepasst wurden, von 1.29 Franken auf 1.05 fiel, ist einiges an Sparpotenzial vorhanden.
Nein. In diesem Jahr werden die Medikamentenpreise nicht mehr neu berechnet. Erst Anfang 2016 fallen die ersten Preise. Allerdings nur von einem Drittel der Medikamente. Wie bis anhin dauert es drei Jahre, bis bei allen Medikamenten die Preise angepasst sind – ganz zum Ärger der Versicherer und des Konsumentenschutzes. Sie forderten eine sofortige Anpassung der Preise und eine jährliche Überprüfung, also Senkung sämtlicher Preise aufs Mal.
Nein. Der Bundesrat wollte sich gestern zwar nicht auf eine Schätzung einlassen, aber es gibt mehrere Gründe, wieso dieses Ziel (zumindest kurzfristig) verfehlt wird. Erstens hängt der Preis eines Medikaments nicht alleine vom Auslandvergleich ab. Zur Berechnung werden auch Vergleiche mit Medikamenten ähnlicher Wirkung gezogen. Deshalb können Arzneimittel in der Schweiz auch in Zukunft noch teurer sein, als im Ausland. Der Bundesrat hat aber entschieden, dass der Unterschied fünf Prozent nicht überschreiten darf. Zweitens ist die Marge, die Ärzte und Apotheker für jedes verkaufte Medikament erhalten, aus Sicht der Versicherer zu hoch. Und schliesslich, wohl der wichtigste Punkt: Die Generikapreise werden vorerst nicht angetastet.
Die Medikamentenpreise sind staatlich festgelegt. Das heisst aber nicht, dass die Festlegung kompletter Willkür ausgesetzt ist, sie muss einer gewissen Regel folgen. Und da besteht von vorne weg nicht viel Spielraum: Der Preis kann entweder anhand eines Preisvergleichs mit dem Ausland bestimmt werden oder anhand eines Preisvergleichs mit einem Medikament, das eine ähnliche Wirkung hat. Berset hat sich für eine Mischrechnung entschieden – auch um der Pharmaindustrie entgegenzukommen, «um die guten Rahmenbedingungen für die Forschung in der Schweiz zu erhalten», wie der Bundesrat mitteilte.
Der Bundesrat hat angekündigt, er wolle Ende Jahr eine Vorlage präsentieren, wie einerseits der Kauf von Generika im Verhältnis zu Originalpräparaten gesteigert werden kann und andererseits die Preise hiesiger Generika gesenkt werden können. Laut Berset sind sie rund 50 Prozent höher als im Ausland.
Um die Massnahmen umzusetzen, bedarf es einer Gesetzesänderung, worüber das Parlament abstimmen muss. Die Umsetzung wird nicht einfach: Generikahersteller und Apotheker haben der Tiefstpreis-Politik bereits den Kampf angesagt.
Die Kosten können höchstens eingedämmt werden, weil neue, teurere Heilmittel auf den Markt kommen und die Ausgaben für Medikamente nach oben treiben. Immerhin machen die Medikamentenkosten im Gesundheitswesen rund 20 Prozent aus.