«8 Prozent Protein», «High Protein», «Reich an Proteinen». Beim Einkaufen im Lebensmittelladen fällt derzeit auf: Viele Produkte werden mit ihrem hohen Gehalt an Eiweiss beworben. Jogurts, Quarks, Milchdrinks, Puddings, aber auch Brote, Porridge, Getreideriegel, Pasta oder Salate – alles hat jetzt extra viel Protein drin.
Im Kühlregal von Coop stehen gleich mehrere neue Milchprodukte, darunter der Energy Milk Drink mit 40 Gramm Protein von Emmi, der Protein Pudding mit 20 Gramm Protein von Chiefs oder der Bratapfel-Quark von Isey Skyr mit 16 Gramm Protein.
Auch die Konkurrenz schläft nicht. Die Migros lockt mit den Eigenmarken «You» und «Oh!» zum Proteinverzehr. In den Regalen stehen Jogurts mit acht Gramm Eiweiss, Brot mit 14 Gramm Eiweiss pro Scheibe oder Linsen-Pasta mit 26 Gramm Protein pro 100 Gramm.
Auf Anfrage bestätigen die zwei Grossverteiler: Ja, die Anzahl an Produkten mit hohem Proteingehalt sei steigend. Bei der Migros heisst es: «Bei einem Grossteil dieser Produkte handelt es sich um Neuentwicklungen.» Man reagiere damit auf einen Trend. Denn generell stelle man seit etwa drei Jahren ein vermehrtes Interesse an solchen Produkten fest. Dies unter anderem im Zusammenhang mit der Low-Carb-Welle, einem höheren Fitnessbewusstsein und dem veganen Trend.
Ähnlich klingt es bei Coop: «Wir haben unser Sortiment an proteinreichen Produkten erheblich ausgebaut», sagt eine Sprecherin. Die Nachfrage nach besonders proteinhaltigen Lebensmitteln habe stark zugenommen. Seit dem Paleo- und Fitness-Trend stehe eine eiweissbetonte Ernährung bei vielen Kunden hoch im Kurs. «Protein wird von vielen ernährungsbewussten Konsumenten gegenüber Zucker und Fett als ein positiver Nährstoff wahrgenommen.»
Die Werbung suggeriert, dass sie den kleinen Hunger stillen, ohne dick zu machen, süss sind, ohne viele Kalorien zu enthalten, sättigen und erst noch gut schmecken. Doch halten die neuen Produkte mit hohem Proteingehalt auch wirklich, was sie versprechen?
Laut den Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) braucht der Körper 0,8 bis ein Gramm Protein pro Kilogramm des eigenen Körpergewichts. Eine 60 Kilogramm schwere Frau braucht also rund 60 Gramm Protein pro Tag. Dies für den Aufbau von Muskeln, Haut, Membranen, für die Produktion von Hormonen wie Insulin, zur Bildung von Enzymen, Antikörpern und vielem mehr. Kurz gesagt: Proteine sind wichtig.
Charlotte Weidmann, Ernährungsberaterin bei der SGE, sagt, der Eiweissbedarf lasse sich decken, indem gemäss den Empfehlungen der Schweizer Lebensmittelpyramide täglich drei Portionen Milchprodukte eingenommen werden. In einem Stück Appenzeller Käse sei beispielsweise bereits zehn Gramm Eiweiss enthalten. Wenn man nun bedenke, dass in einem Energy Milk Drink bereits 40 Gramm Protein stecken, kann die Gefahr bestehen, zu viel Eiweiss zu sich zu nehmen. «Das kann zu einem Energieüberschuss und letztlich zu einer Gewichtszunahme führen», sagt Weidmann.
Für eine gesunde Ernährung brauche es alles, sagt Weidmann: «Vitamine, Mineralstoffe, Kohlenhydrate, Proteine. Und zwar im richtigen Verhältnis.»
Vorsicht geboten ist bei den Zutaten. Produkte mit hohem Proteingehalt enthalten nicht per se auch wenig Kalorien. Weidmann empfiehlt darum vor dem Kauf einen Blick auf die Zutatenliste zu werfen. Wie hoch ist der Zuckeranteil? Wie viel Fett ist enthalten?
Kritisch ist Weidmann auch beim Einsatz von kalorienarmen, künstlichen Süssungsmitteln. Zwar gelten diese nicht als gesundheitsschädigend. «Aber wenn man den Zucker einfach mit einem künstlichen Stoff ersetzt, bleibt das Süssigkeitsempfinden hoch.» Besser wäre es, dieses runterzuholen und auf natürliche Süssstoffe zu setzen. «Zum Beispiel kann ein Nature-Jogurt ganz einfach mit frischen Früchten, ein bisschen Honig oder einem Löffelchen Zucker aufgepeppt werden.»