Gill Pharaoh hatte ihr Leben lang schwerkranke Menschen gepflegt. Die britische Pflegefachfrau wusste, was es bedeuten kann, alt zu werden. Obwohl sie selbst keine nennenswerten Beschwerden plagten, wählte sie vor zwei Wochen in einer Basler Klinik den begleiteten Freitod. Zuvor hatte die 75-Jährige der «Sunday Times» ein Interview gegeben, das die Zeitung nun veröffentlicht hat.
Why a healthy nurse, 75, chose death over ‘going downhill’ http://t.co/WkSiSTrRFu pic.twitter.com/gUtwlIg98G
— The Sunday Times (@thesundaytimes) August 2, 2015
Die Erfahrungen als Pflegefachfrau hätten ihr gezeigt, dass das Alter «schrecklich» sein kann: «Ich habe immer gesagt, ‹ich werde nicht alt, ich glaube nicht, dass alt sein Spass macht›. Ich weiss, dass ich meinen Zenith erreicht habe und dass es nicht mehr besser wird. Ich will nicht, dass mich die Menschen als alte Frau in Erinnerung behalten, die mit einer Gehhilfe durch die Strassen humpelt», sagte Pharaoh.
«Ich habe so viele Freunde mit Partnern, die, offen gestanden, eine Belastung sind. Ich weiss, das sollte man nicht sagen, aber ich habe dieses Bild im Kopf. In meinem Alter braucht man sich nur die Hüfte zu brechen, dann geht es steil bergab», sagte sie.
In einem Altersheim zu arbeiten sei hart gewesen, so Pharaoh: «Da gibt es Menschen mit Inkontinenz, solche die fluchen oder von Zimmer zu Zimmer gehen und stehlen.» Sie und ihre Kollegen hätten getan, was sie konnten. Aber für viele habe man eben nicht mehr viel tun können. «Wir sehen der Realität nicht ins Auge. Grundsätzlich ist es schrecklich.»
Am Abend vor dem Suizid war Pharaoh mit ihrem Partner John durch die Basler Altstadt spaziert. Anschliessend gingen sie in ein Restaurant am Rheinufer. «Der Abend war sehr ruhig und angenehm», sagte John. «So, wie wir es beide gewollt hatten. Gill hatte jahrelang über diesen Schritt nachgedacht und ich hatte keinerlei Absicht, ihn durch Emotionen oder Schwere zu verderben.» Ihr Partner und ihre Kinder hätten die Entscheidung widerwillig akzeptiert. Ihre Tochter sei selbst Pflegefachfrau und habe ihr gesagt: «Intellektuell verstehe ich dich, aber emotional fällt es mir sehr schwer.»
Zwei Monate vor ihrem Tod hatte Pharaoh einen Beitrag mit dem Titel «Mein letztes Wort» auf ihrem Blog gepostet. «Ich geniesse mein Leben Tag für Tag. Ich will einfach nicht diesem natürlichen Zerfall bis zum Ende folgen, wenn ich auf die Hilfe anderer angewiesen bin», schrieb sie. Es sei ihr klar, dass viele alte Menschen von ihren Kindern Unterstützung erwarten oder sogar verlangen. «Das finde ich ziemlich egoistisch und unvernünftig.»
«Das ist ein weiterer, zutiefst verstörender Fall, der ein düsteres Signal aussendet, wie die Gesellschaft ältere Menschen schätzt und für sie sorgt», erklärte ein Sprecher der Organisation Care Not Killing, die sich gegen den begleiteten Freitod engagiert.
Eine Studie des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich über das Phänomen Sterbetourismus zählte zwischen 2008 und 2012 total 611 Personen, ein Fünftel davon aus Grossbritannien.
So gut ich es verstehen kann, wenn ein Mensch mit einer schweren Krankheit den Weg nicht bis zuletzt gehen mag, so wenig verstehe ich Frau Pharaoh in dieser vorauseilenden Entscheidung...