«Haben Sie Fieber?», fragt die Frau mit Walliser-Dialekt, den Blick auf den Bildschirm gerichtet, das Headset an. «Ja? Und waren Sie in einem Land mit vielen Corona-Fällen? Nein? Hatten Sie Kontakt mit positiv getesteten Personen? Nein? Haben Sie Ihren Arzt kontaktiert? – Rufen Sie ihn an oder warten Sie zwei, drei Tage, ob die Symptome schlimmer werden. Ist das gut?» Erna Biffiger ist eine der Personen, die in diesen Tagen abnimmt, wenn man die Coronavirus-Hotline das Bundesamtes für Gesundheit (BAG) anruft.
Eingerichtet hat sie der Bund am 30. Januar, doch richtig heiss läuft die Linie erst seit Mitte letzter Woche: Donnerstags, nach der Bekanntgabe des Verbotes für grosse Veranstaltungen waren es plötzlich täglich bis zu 2000 besorgte Anrufer. «Über das Wochenende gingen die Anrufe leicht zurück, am Montagabend werden wir wohl wieder gegen 1500 haben», sagt Cédric Berset, Mediensprecher von Medgate. Die Telemedizin-Firma, die auch Patienten von Krankenkassen berät, hat die Hotline im Auftrag des BAG eingerichtet – wie früher bei der Schweinegrippe, der Vogelgrippe und Sars.
20 bis 25 Personen nehmen momentan die Anrufe entgegen, ab heute Dienstag kommen laut Cédric Berset noch einmal 20 hinzu. Das soll die Wartezeiten reduzieren, die je nach Tageszeit momentan fünf bis zehn Minuten oder auch mehr betragen. Beim Patientenempfang könne man im Unterschied zur ärztlichen Beratung rasch reagieren und Pensen aufstocken, ehemalige Mitarbeiter anrufen, Studenten neu einstellen.
Diese Angestellten brauchen keine medizinische Ausbildung, sie beraten die besorgten Anrufer strickt nach den Informationen des BAG. Wie Erna Biffiger gerade die Person mit Fieber: «Halten Sie Distanz zu anderen Leuten während ein paar Tagen, auch zur Familie. Keine Umarmungen, keine Küsse, keine Berührungen. Und waschen Sie sich regelmässig die Hände. Wenn es schlimmer wird, rufen Sie sofort den Arzt an. Einverstanden? Super! Gute Besserung! Auf Wiederhören!»
Erna Biffiger sagt, sie übe ihren Job mit Vollblut aus. Und wahrscheinlich fühlt sich tatsächlich gerade etwas besser, wer ihre freundliche Stimme im Ohr hat. Sie rät, was auch sonst überall zu lesen ist. Aber: «Manche Leute brauchen die persönliche Sicherheit und eine Stimme», sagt sie und Berset fügt an, die Situationen seien dann halt doch immer individuell und dann suche man Bestätigung, selbst wenn man gut informiert sei. Vielleicht auch jene Frau, die nach Belgien reisen möchte: «Von unserer Seite her gibt es keinen Grund, da nicht hinzugehen», sagt Erna Biffiger, verweist auf die Hygieneregeln und wünscht eine schöne Reise, falls die Frau sich doch entschliesse, zu fahren.
Nicht wenige rufen aber auch an, weil ihr Arbeitgeber sie nach Hause geschickt hat. Sie sind gesund und rätseln, was nun zu tun sei. «Sie haben nichts?... noch nichts», stellt Erna Biffiger bei diesem Anrufer fest, dessen Chef ihn heimgeschickt hat, weil er in Italien war. Sie zählt die Symptome auf: «Ja, das wären dann wie bei einer Grippe: Fieber, trockener Husten, möglicherweise auch Kopfschmerzen, Durchfall ... und halten Sie die Hygienemassnahmen ein, das ist wichtig.»
Dem nächsten Anrufer wurde vom Arbeitgeber befohlen gleich zwei Wochen lang Home-Office zu machen, weil er mit einem Freund im Ausgang war, der danach krank wurde. Zwar wurde schon festgestellt, dass der Freund das Coronavirus nicht hat, aber dem Chef ist offenbar trotzdem nicht wohl. «Sie fühlen sich gut?», versichert sich Erna Biffiger. «Wunderbar. Das ist ein gutes Zeichen. Das können Sie Ihrem Arbeitgeber mitteilen. Und sonst rufen Sie Ihren Hausarzt an, wenn der Chef noch mehr Absicherung will.»
Die Hotline ist rund um die Uhr besetzt – wenn jemand nachts ärztliche Beratung braucht und vom Patientenempfang weitergewiesen wird, sind in Australien zwei Ärzte wach. Die Hälfte der 110 Ärzte von Medgate arbeitet vom Ausland aus; meist in Deutschland oder Spanien. Auch in der Schweiz machen laut Berset 80 bis 90 Prozent Home-Office.
Momentan ist das für die Firma praktisch: Es bedeutet ein kleines Risiko, dass die Ärzte ausfallen, wenn wegen des Virus der Sitz in Basel geschlossen würde. Von den Leuten der Hotline wie Erna Biffiger jedoch sind die meisten vor Ort, deshalb werden nun auch in dieser Firma Systeme eingerichtet, damit die Angestellten im Notfall von zu Hause aus arbeiten und die Bevölkerung beraten und beruhigen könnten.
Medgate ist ständig im Kontakt mit dem BAG, nicht nur damit die Mitarbeiter die neusten Weisungen kommunizieren. Die Hotline leitet auch Fragen ans BAG weiter – Fragen, deren Antworten breiter kommuniziert werden sollten, wie zum Beispiel, ob Haustiere das Virus übertragen können. «Wir sind auch das Sprachrohr der Bevölkerung zurück ans BAG», sagt Cédric Berset.
Grippepatienten raten die Ärzte der Hotline momentan eher zu Hause zu bleiben und Distanz zu anderen zu wahren. Nicht alle werden automatisch ans Spital weitergewiesen und auf das Coronavirus getestet. Nur rund die Hälfte der Fälle muss laut Berset in die Notaufnahme geschickt werden. Dies vor allem bei Atembeschwerden.