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Die Jugend von heute: Das Smartphone ist der neue Joint 

Die Jugend von heute: Das Smartphone ist der neue Joint 

Bild: shutterstock.com
Der Drogenkonsum Schweizer Jugendlicher geht deutlich zurück. Das beweist eine aktuelle Studie. Das Smartphone, der Gesundheitshype und der Leistungsdruck scheinen wichtiger zu sein. Eine Charakterstudie der Generation Z.
24.03.2015, 08:0024.03.2015, 08:42
Alexandra Fitz und Raffael Schuppisser / Aargauer Zeitung
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Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Sie kennen keine Welt ohne Internet. Keine ohne Smartphone. Sie touchen auf Screens. Und das seit ihren Baby-Tagen. Es ist die erste Generation, die von Beginn an vollkommen in eine digitale Welt hinein katapultiert worden ist. 

Sie wachsen in den Nachwehen von 9/11 auf, in einer Zeit von Terror, Unbeständigkeit und Rezession. Madonna ist für sie alt – sie kannten sie nie, als sie noch «like a virgin» war. Michael Jackson war für sie schon tot, bevor er gestorben ist. In der jüngsten Zeit taucht sie immer wieder auf, die Generation Z. Jene Generation, die ab 1995 auf die Welt gekommen ist. Sie folgt Alphabet getreu den Generationen X und Y. 

Man könnte sie aber auch Generation Zero nennen, einerseits etwa weil diese Gruppe von Menschen um das Jahr 2000 geboren ist, vielmehr aber, weil sie «zero» konsumiert. Denn: Die Generation Z nimmt kaum mehr Drogen. 

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Das zeigt eine von der Stiftung Sucht Schweiz vorgestellte Studie, für die – unterstützt von der Weltgesundheitsorganisation – knapp 10'000 Schüler befragt wurden. In den letzten vier Jahren ist der Konsum von Alkohol bei den 15-Jährigen massiv zurückgegangen. Tranken 2010 noch 27 Prozent der Buben und 13 Prozent der Mädchen wöchentlich Alkohol, so waren es 2014 nur noch 10 beziehungsweise 6 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm auch der Anteil der 15-jährigen Raucher stark ab. Der Konsum von Cannabis ging bei den Gelegenheitskiffern ebenso zurück. 

Die Jugend konsumiert so wenig Drogen wie seit dreissig Jahren nicht mehr. Woran könnte das liegen?

Haben wir das alles den Verboten und Präventionsmassnahmen zu verdanken, folgt eine ganze Generation den gut gemeinten Ratschlägen ihrer Eltern und Lehrer? Es wäre wohl die erste Generation, die gehorcht. Ist es nicht eher so, dass die Generation Z selber zum Schluss kommt, dass Saufen, Rauchen und Kiffen uncool ist, nicht mehr zu ihrem Lifestyle passt? 

Smartphone statt Joint 

Sie sind in vielen sozialen Netzen verstrickt, permanent online, ständig medial abgelenkt und haben deshalb vielleicht weder Zeit für Suchtmittel noch Lust darauf. Um aus ihrer Langeweile zu entfliehen, braucht die Generation Z keine Drogen mehr, um Grenzen zu überschreiten auch nicht. Statt zum Wodka greifen die Jugendlichen von heute zum Smartphone. Statt an einer Zigi zu ziehen, schiessen sie ein Selfie. Und statt einen Joint zu bauen, drehen sie ein Sex-Video mit ihrer Freundin. 

«Wenn Jugendliche in einer Gruppe draussen zusammensitzen, brauchen sie etwas, das das Gespräch in Gang bringt. Das kann Alkohol sein oder auch ein Smartphone», sagt der Lehrer und Social-Media-Experte Philippe Wampfler. Einer spielt ein lustiges YouTube-Video ab und zeigt es mit den Worten «Kennt ihr das schon?» seinen Freunden. Der Nächste weiss von einem noch krasseren Video oder präsentiert einen besonders lustigen Post auf Facebook. Anstatt einen Joint, reicht man ein Smartphone im Kreis rum. «Am beliebtesten sind Bilder oder Videos, die Peinliches von Menschen offenbaren, die alle Anwesenden kennen», sagt Wampfler. 

Das Smartphone ist omnipräsent, steht stets im Mittelpunkt – egal, ob sich ein Exemplar der Generation Z alleine oder in einer Gruppe aufhält. Und so hat man das Gefühl, dass das Smartphone nicht die Drogen ersetzt, sondern selber zum Suchtmittel geworden ist. Statt der berauschenden Wirkung des Joints sorgen Likes und Retweets für ein Glücksgefühl. Genau gleich ist die Wirkung natürlich nicht. Abhängig kann man aber auch von Smartphone und Internet werden – Experten sprechen von nicht stoffgebundenen Süchten. 

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Fitness statt Glimmstängel 

Ein weiterer Grund für den Rückgang des Suchtmittelkonsums könnte auch das stärkere Gesundheitsbewusstsein unserer Gesellschaft sein. Die Lebensmittelindustrie – und vor allem wir selber – schlagen ständig Alarm ob der bösen Lebensmittel und der fehlenden Bewegung. Wir sind längst dem Gesundheitswahn verfallen. Richtige Ernährung und Fitness fungieren als Ersatzreligion, sie sind Lifestyle und Image. Selbstdisziplin und Verzicht – man denke an den Vegan-Hype – sind en vogue. Das Motto lautet längst: Weniger ist mehr. «Zero», hier eben auch. 

Da passt auch der schöne und fitte Körper in den Verzicht-Modus. Man geht ins Fitness, pimpt seinen Body – ist man für die Mucki-Bude noch zu jung, geht man eben joggen. Noch nie war es bei jugendlichen Männern so in, Sport zu treiben, gut auszusehen und sich gesund zu ernähren. Drogen passen da einfach nicht dazu. Bekifft auf den Crosstrainer? Zu unmotiviert. Rauchen? Zu ungesund. Bier? Macht dick. 

Cliquen-Kiffen gehört zum Lifestyle der Skater und Snowboarder, die einst die Schulhöfe und Jugendzentren regierten. Doch in Zeiten, in denen wir schon mit den Spornosexuellen (Männer, die den Körperkult mit glattrasierten, übertrainierten Körpern auf die Spitze treiben, und sich meist noch in sozialen Medien inszenieren) konfrontiert wurden, existieren die Brett-Sportler längst wieder nur mehr als Subkultur. 

Mit den Skatern schwindet wohl auch das Gras. Auch wenn wir – gottlob – die Spornosexuellen längst schon wieder übertrieben finden, herrscht allgemeine Einigkeit darüber, dass Sport einfach sein muss. Da unterscheidet sich die Generation Z auch von ihrer Vorgängerin Y. «Während die Generation Y Sport und Abenteuer liebte, sieht die Generation Z Sport als Mittel für ihre Gesundheit und nicht in erster Linie als Spass», schreibt Tim Elmore, Führungsexperte und Bestseller-Autor. 

Leistung statt Wodka 

Doch nicht nur sportlich und gesundheitlich steht die heutige Jugend unter enormem Druck, sie müssen auch Leistung bringen. «Alkohol und Drogen gelten nicht mehr als Akt der Rebellion. Exzesse werden aus dem öffentlichen Raum verbannt. Sie gelten nicht mehr als revolutionär, sondern als Weltflucht und daher als armselig», erklärt der Jugendkulturforscher Philipp Ikrath. 

Aufgrund der harten Konkurrenz passen grosse Ausschweifungen und Leistungsdenken längst nicht mehr zusammen. «Heute muss man schlank sein, gesund aussehen und zu allem bereit sein», sagt Ikrath. Die Jungen sind aktiv, wissbegierig und stecken ihre klugen Köpfe viel eher für Start-up-Ideen als für Joints und Wodka-Flaschen zusammen. 

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