Schweiz
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Influencerinnen im Glacier Express sorgen für Polemik

Zugbegleiter bittet Influencerinnen aus Excellence Class – und das Netz beginnt zu brennen

Ein amerikanischer Instagram-Account veröffentlichte ein Video aus dem Glacier Express – zum Missfallen des Schweizer Unternehmens.
12.03.2025, 19:17
Fred Valet
Fred Valet
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Auf dem Instagram-Konto «Influencers in the Wild» postet der Amerikaner «Tank Sinatra» Videos, um sich über Influencerinnen und Influencer lustig zu machen, die bereit sind, alles zu tun, um aufzufallen. Das Konto zählt über fünf Millionen Follower.

Diese Woche sorgte ein 19-sekündiges Video für eine lebhafte Debatte und rückt damit unser Land ins internationale Rampenlicht.

Die Szene spielt sich in einem Panoramawagen des Glacier Express ab, der St.Moritz und Zermatt verbindet. Darin sieht man zwei Frauen, die vom Zugbegleiter höflich zum Verlassen der Excellence Class aufgefordert werden. Sie wollten offenbar ein Video drehen oder Fotos machen, hatten aber Tickets für die 1. Klasse. Gefilmt wurde die Szene von einem Passagier, der Zeuge dieses angespannten Austauschs wurde, als der Glacier Express gerade durch Alvaneu GR fuhr.

Alvaneu Influencerinnen Glacier Express
Bild: Screenshots

Für das Instagram-Konto «Influencers in the Wild», dem ein Internetnutzer dieses Video zugespielt hat, war das natürlich ein gefundenes Fressen. Doch kurz darauf erhielt der Betreiber des Kontos eine Nachricht, deren Inhalt ganz eindeutig ist:

«Wir haben festgestellt, dass Sie ein Video veröffentlicht haben, das im Glacier Express aufgenommen wurde und in dem Personen eindeutig erkennbar sind. Bitte beachten Sie, dass nach Schweizer Recht (Art. 28 ZGB) jede Person das Recht am eigenen Bild hat. Das bedeutet, dass identifizierbare Personen ihre Zustimmung geben müssen, bevor solches Bildmaterial veröffentlicht wird.

Nach unserem Kenntnisstand war sich der Mitarbeiter im Zug nicht darüber im Klaren, dass er gefilmt wurde, und hat daher nicht zugestimmt. Wir bitten Sie daher, das Video so schnell wie möglich zu entfernen. Falls Sie die Erlaubnis einer der betroffenen Personen eingeholt haben, lassen Sie es uns bitte wissen.

Vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Kooperation.»

Offensichtlich verärgert darüber, von Schweizern ermahnt worden zu sein, verfasste «Tank Sinatra» eine sehr amerikanische Antwort.

«Also, so läuft das in Amerika: In Amerika machen wir uns ein bisschen über Leute lustig – und stellen sie vielleicht auch bloss –, die künstliche Situationen erschaffen, damit sie reich und mächtig aussehen.
Wir tun das, weil diese Personen solche Situationen inszenieren, um diejenigen, die nicht reich und mächtig sind, sich schlecht fühlen zu lassen und sie zu beschämen.
Ich hoffe, das hilft!»

Das Video wurde vom betreffenden Konto tatsächlich entfernt. Ende der Geschichte? Nicht wirklich. Während er wohl dachte, sich die Sympathie seiner riesigen Community zu sichern, hat «Influencers in the Wild» eine böse Retourkutsche kassiert.

Unter dem Post, der mehr als 20'000 Likes erhielt, finden sich rund 3000 Kommentare, von denen sich die meisten auf die Seite des Glacier Express schlagen. Dabei wird insbesondere die «ausserordentliche Höflichkeit» der Zugbetreiber als «nachahmenswertes Beispiel» hervorgehoben: «Ich finde, das ist ein wirklich grossartiges Gesetz, und Respekt an sie, dass sie das auch verfolgen. Ich hätte nicht erwartet, dass dieser Account sich so dagegenstellt. Ich bin auf der Seite der Schweiz», schrieb unter anderem Nicola Thorp, eine britische Fernsehmoderatorin und Schauspielerin.

«Die Tatsache, dass du die Schweizer Gesetzgebung, die die Privatsphäre der Menschen schützt, beanstandest, lässt dich nicht so cool wirken, wie du glaubst.»
Ein weiterer Instagram-User

Zudem stösst vielen Kommentierenden sauer auf, dass «Tank Sinatra» grossspurig «die Art und Weise der USA» bemüht. In einer Zeit, in der das Amerika unter Donald Trump das fragile Gleichgewicht der Welt durcheinanderbringt, kommt es gar nicht gut an, Uncle Sam in einer etwas rabiaten Weise der schweizerischen Gelassenheit gegenüberzustellen. In den Kommentaren heisst es unter anderem: «Amerika ist nicht gerade der Gipfel der Perfektion, mein Freund.»

Auf Anfrage von watson erklärte uns die Pressestelle des Glacier Express, was in dem Waggon passiert war:

«Die beiden Frauen konnten keine Tickets für unsere Luxusklasse buchen, da diese ausgebucht war. Sie hatten den Zugbegleiter höflich um die Erlaubnis gebeten, ein schnelles Foto in der Excellence Class machen zu dürfen, was auf beiden Seiten zu Missverständnissen führte. Als der Zugchef die Missverständnisse bemerkte, forderte er sie auf, das Abteil zu verlassen, was sie auch sofort taten.»

Das ist noch nicht alles. Laut der Bahngesellschaft haben die beiden Frauen den Besitzer des Videos gebeten, die Aufnahme zu löschen, «aber ohne Erfolg»: «Da das Wohlbefinden unserer Kunden an erster Stelle steht und unser Mitarbeiter der Veröffentlichung des Videos nicht zugestimmt hat, haben wir das Konto kontaktiert und darum gebeten, es zu löschen.»

Der Glacier Express ist beliebt. Für 208 Franken (einschliesslich einer Sitzplatzreservierung von 49 Franken) kann man von Zermatt nach St.Moritz (oder umgekehrt) in der 2. Klasse reisen. Für die 1. Klasse werden 321 Franken fällig.

Das Nonplusultra? Die «Excellence Class», die eine ganze Reihe von VIP-Privilegien bietet, etwa ein Fünf-Gänge-Gourmetmenü oder «einen Concierge für Ihr Wohlbefinden». Der Preis für dieses Vergnügen? 762 Franken. Nun wird deutlicher, warum die beiden Frauen, die hinauskomplimentiert wurden, sich lieber im Waggon der «very important travelers» in Szene setzen wollten.

Die enorme Bedeutung ausländischer Influencer

Man kann auch nachvollziehen, warum die Betreiber des Glacier Express kein schlechtes Image riskieren möchten. Da Influencer entscheidend sind, um junge, wohlhabende Touristen in unser Land zu locken, macht es sich nicht gut, wenn ein Zugbegleiter zwei von ihnen hinauskomplimentiert.

Zumal zahlreiche Videos auf Instagram den Glacier Express stets in reinem Luxus erstrahlen lassen, funkelnd wie ein Diamant. Eine märchenhafte Welt, sehr sauber und sehr schweizerisch.

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52 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Subsidy
12.03.2025 19:37registriert Oktober 2023
Wer will das es "so wie in Amerika" läuft, kann ja gern in Amerika bleiben. Wir sind nicht Amerika und das ist auch verdammt gut so ;)
4007
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rosen nell
12.03.2025 20:25registriert Oktober 2017
Es ist ein Übel, dass alles gefilmt, gepostet und kommentiert werden muss. Von Menschen die sich und ihr Leben zu sehr mitteilenswert empfinden. Privatspähre quo vadis?
2302
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maylander
12.03.2025 20:31registriert September 2018
Das Unternehmen RhB hat übrigens die Pflicht die privaten Daten ihrer Mitarbeiter sowie die der anderen Fahrgästen zu schützen.
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