Amanda Eller verirrte sich am 8. Mai bei einer Wanderung auf der Insel Maui. Erst zwei Wochen später wurde die 35-jährige Yogalehrerin und Physiotherapeutin von einer Helikopter-Besatzung entdeckt. Sie hatte sich ein Bein gebrochen, war beim Versuch gescheitert, Langusten zu fangen – und überlebte. Die Geschichte ging am vergangenen Wochenende um die Welt.
«Als wir erfuhren, dass Amanda lebt, brachen hier alle in Tränen aus», sagt Susann Schuh aus Schwarzenbach bei Wil. Doch alles der Reihe nach.
Schuh (38) ist derzeit mit ihrem Mann und dem Sohn auf Weltreise. Auf Hawaii wollte die Familie ein paar Wochen ausspannen. Doch die Nachricht über die vermisste Amanda Eller machte auf der Insel rasch die Runde.
Susann Schuh wollte helfen und machte sich auf zum Zentrum, wo die Suchaktion koordiniert wurde. Hunderte freiwilliger Helfer standen bereit und durchsuchten auf eigene Faust die Wälder. «Als ich da eintraf, herrschte Chaos. Es gab keine Infrastruktur, keine Organisation, keine Übersicht, wer wo genau sucht. Alles wurde auf Papier notiert», erzählt Susann Schuh am Telefon.
Die Frau aus Schwarzenbach kam wie gerufen. Schliesslich war bis zu ihrer Weltreise bei der Firma Bühler für die Optimierung von Prozessen verantwortlich und leitete verschiedene komplexe Projekte.
Mit Schweizer Tugenden und einem Talent für Organisation machte sie sich an die Arbeit. Über Nacht hatte sie eine Präsentation erarbeitet, wie die Suche verbessert werden könnte. Die Vorschläge stiessen auf offene Ohren, und so kam Susann Schuh von einem Tag auf den anderen aus dem Urlaubsmodus hinein in die Rolle der Rettungsorganisatorin.
Auf der Insel schwärmt man von der Arbeit der Schweizerin. Kimberlyn Scott amtet in diesen Tagen als Mediensprecherin der wiedergefundenen Amanda Eller und sagt:
Susann Schuh spielt die überschwänglichen Komplimente herunter. «Ich habe da einfach ein paar Sachen optimiert.»
Yoga instructor Amanda Eller, who went missing for 17 days while hiking in a Maui forest reserve, says she chose life over death. More here: https://t.co/aCVTgrcmQb pic.twitter.com/zJTBvlwAUy
— Reuters Top News (@Reuters) 27. Mai 2019
Zuerst sei sie in den Supermarkt gefahren und habe grosse Zelte gekauft, Drucker, Plastikboxen, Papier. «Wir mussten den ganzen Ablauf neu aufsetzen. Es brauchte klare Rollen, Zuständigkeiten, einen Dienstplan und eine strukturierte Excel-Liste, auf der alle Suchenden eingetragen und wieder ausgetragen werden.» Alle waren gestresst, die Schweizerin schien Ruhe und Ordnung in die Suchaktion zu bringen.
Mit diesem Vorgehen habe man sicherstellen können, dass all die freiwilligen Helfer registriert seien und man ihren genauen Standort kenne, sagt Susann Schuh. Halt so, dass keine Suchenden zu Vermissten werden.
Die Ostschweizerin machte sich hierbei einen technischen Trick zunutze. Wer sich auf die Suche nach Amanda Eller machte, musste auf dem Smartphone die GPS-Ortung einschalten. «Wir haben die Handydaten aller Suchenden ausgewertet, um die Gegend abzustecken.» Nur so gelang es, die über hundert Helfer im Griff zu behalten und die Suche effizient zu gestalten.
«Wir waren jeden Tag besser organisiert und schneller.» Aber jeder Tag war auch einer zu viel. Schliesslich wusste man nicht, ob Amanda Eller überhaupt noch am Leben war, oder ob sie gar Opfer eines Verbrechens geworden war.
Inzwischen bildete Susann Schuh weitere Freiwillige aus und stellte sicher, dass das Suchzentrum rund um die Uhr besetzt war. Gleichzeitig kamen immer mehr Spendengelder zusammen. «Auch da mussten wir einen Weg finden, damit alles korrekt und sauber ablief», erzählt Schuh. Schliesslich habe sie sich sogar darüber Gedanken gemacht, wie allen Beteiligten für ihre Hilfe gedankt werden könne.
Medienfrau Kimberlyn Scott lobt die Schweizerin in den höchsten Tönen:
Das Schicksal will es, dass vor fünf Jahren die Tochter von Scott verschwand und erst tot gefunden wurde. Susann Schuh staunt denn auch darüber, dass selbst 2019 noch kein professioneller Ablauf für solche Suchaktionen bestehe.
Die Polizei brach ihre Suche nach 72 Stunden ab und überliess das Schicksal der Frau den Angehörigen. «Wir mussten die Familie unterstützen, aber auch schützen. Es nützt ja nichts, wenn Leute auftauchen, die sagen, sie hätten da etwas Merkwürdiges geträumt.»
Zwei Wochen lang leitete die Frau aus Schwarzenbach die Suchaktion. Dann, als sie für ein paar Stunden bei ihrem Mann und dem Sohn weilte, kam die SMS: «Sie lebt!»
Von da an seien nur noch Tränen geflossen. Tränen der Freude und der Erleichterung. Die junge Amanda Eller hatte sieben Kilogramm Gewicht verloren, brach sich in der Wildnis ein Bein und hatte Verbrennungen von der intensiven Sonne.
«Ich habe Amanda noch gar nicht persönlich getroffen», sagt Susann Schuh und freut sich jetzt auf ein grosses Fest am Strand, wo sich Eller und die vielen Helfer treffen sollen.
Erst dann wird sich Schuh wieder ihrem Mann und ihrem Sohn widmen und die Weltreise fortsetzen. Doch ein Gedanke lässt sie nicht mehr los. «Ich frage mich, wie solche Rettungsaktionen auch in Zukunft besser organisiert werden können.»
Einen Tipp hat sie: Wenn jemand alleine eine Tour macht, so soll er den GPS-Tracker auf dem Handy einschalten und einem Angehörigen erlauben, den Standort zu sehen.
Geile Story! Da sieht man wie ein guter Leader Ordnung in eine komplexe Situation bringt. Gefällt mir!