Die Spannung steigt, der Nervenkrieg ist in vollem Gang. «Wir sind informiert, dass es am Dienstag einen Entscheid gibt. Mehr wissen wir nicht», sagte Aussenminister Ignazio Cassis gestern im Bundeshaus gegenüber den CH-Media-Zeitungen.
Was der Tessiner FDP-Bundesrat anspricht: Das Kollegium der 28 EU-Kommissare wird heute den «allgemeinen Stand der bilateralen Beziehungen» beraten, so kündigte es eine Sprecherin der EU-Kommission gestern an.
Zu erwarten ist, dass es zu einer politischen Weichenstellung kommt. Dies, auch wenn das Schicksal der Börsenanerkennung noch nicht geklärt sein könnte. Interne Fristen erlauben der EU-Kommission, bis spätestens am Freitag zuzuwarten.
Ob der Daumen hoch- oder runtergeht, ist schwierig abzuschätzen. «Die Gespräche haben nicht so viel Fortschritt gebracht wie gehofft», hiess es von einem Diplomaten.
Entscheidend dürfte sein, wie sich die Mitgliedstaaten positioniert haben. Anfang vergangener Woche soll der Schweizer Chefverhandler Roberto Balzaretti in Paris zu Besuch gewesen sein. Am Freitag war dann Berlin an der Reihe.
Dorthin wird er auch die Klarstellungen mitgenommen haben, die dem Vernehmen nach zumindest aus Schweizer Sicht teilweise zu einem ordentlichen Ergebnis geführt haben. Ob das für Brüssel ausreicht, wird sich schon bald zeigen.
Im Bundeshaus in Bern gingen gestern die Prognosen auseinander, wie die EU reagieren wird. Eher zuversichtlich sind viele Parlamentarier. Manche rechnen damit, dass die Börsenanerkennung bis Ende Oktober verlängert wird. Bis dann ist die Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker im Amt.
Juncker möchte, wie er letzte Woche in einem Brief an den Bundesrat erneut betont hat, das Rahmenabkommen mit der Schweiz noch in seiner Amtszeit unter Dach und Fach bringen.
Aber es gibt grosse Differenzen. Der Bundesrat sagte zwar «Ja, aber» zum Abkommen, und er erwartet dafür im Gegenzug, dass die EU die Börsenanerkennung verlängert. Aber die Schweiz verlangt auch Präzisierungen beim Abkommen: Beim Lohn- und Arbeitnehmerschutz, bei den staatlichen Beihilfen, bei der Unionsbürgerrichtlinie.
Reicht der EU dieses «Ja, aber» des Bundesrats, um die Börsenanerkennung zu verlängern? «Es kommt schon gut», sagt CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi, ergänzt aber: «Sicher bin ich nicht.» Ein hoher Schweizer Regierungsvertreter, der erst kürzlich in Brüssel war, erklärte dagegen: «Ich bin skeptisch. Es kann auf beide Seiten kippen.»
Was die Börse betrifft, hat der Bundesrat bereits Gegenmassnahmen beschlossen, falls die Europäische Union das Licht ausmacht. Was diese Massnahmen taugen, ist allerdings nicht ganz unumstritten. Aber auch die Bedeutung des Börsenzugangs wird relativiert.
Gestern kursierten im Umfeld von Schweizer Regierungsmitgliedern aber auch Befürchtungen, dass die EU die Situation sogar noch eskalieren lassen könnte. Indem sie der Schweiz auch in den Bereichen Forschung oder technische Handelshemmnisse Schwierigkeiten macht. (bzbasel.ch)