Die Europäische Union stellt sich selber gerne als Wertegemeinschaft dar. Wenn es aber um die Migrationspolitik geht, ist es oft nicht weit her mit den gemeinsamen Werten. Das zeigte sich Anfang Juli vor der Küste Maltas: Ein libanesischer Viehfrachter hatte auf Anweisung maltesischer Behörden 50 Migranten aus Seenot gerettet.
Weil das Schiff weder in einen italienischen noch in einen maltesischen Hafen einlaufen durfte, mussten die Flüchtlinge während Tagen in den verdreckten Kuhställen ausharren.
Die Symbolik war verheerend: Die EU-Wertegemeinschaft behandelt Menschen wie Tiere. Als Vertragspartnerin beim Dublin-Abkommen, das die Asylpolitik der EU koordiniert, ist die Schweiz im Bereich Migration Mitglied dieser Gemeinschaft.
Mitte September nun soll der Vorschlag für einen neuen europäischen «Pakt für Migration und Asyl» auf dem Tisch liegen. Aus diesem Anlass reiste Bundesrätin Karin Keller-Sutter kürzlich nach Berlin und traf sich mit Innenminister Horst Seehofer.
Laut Justizministerin Keller-Sutter versicherte ihr Seehofer, dass die Schweiz in die Diskussion über den neuen Pakt eng eingebunden werde. Für die Schweiz sei das politisch «sehr wichtig», auch weil der neue Pakt einer eigentlichen «Ablösung des heutigen Dublin-Systems» gleichkomme.
Tatsächlich: Das Dublin-Abkommen könnte mit der komplett-Überarbeitung so stark verändert werden, dass in der Schweiz eine neue Volksabstimmung nötig wird. Auf Anfrage will sich das Eidgenössische Polizei- und Justizdepartement (EJPD) zur Möglichkeit einer neuen Volksabstimmung nicht äussern.
Für eine klare Aussage sei es noch zu früh. Kommunikationschef Christoph Nufer verweist aber auf das allgemeine Prozedere der EU-Rechtsübernahme, die immer dann als völkerrechtlicher Vertrag gilt, wenn «neue Rechte oder Pflichten» eingeführt werden. Dann komme es in der Schweiz zu einer parlamentarischen Debatte – mit Referendumsmöglichkeit.
Für Beobachter ist es sehr wahrscheinlich, dass beim EU-Pakt für Migration und Asyl solche «neue Rechte und Pflichten» für die Schweiz entstünden. Immerhin geht es vom Prinzip her um eine Neuaufteilung der Verantwortlichkeiten: Nicht mehr nur jene Länder, wo die Asylsuchenden erstmals EU-Boden betreten, sollen die Verantwortung tragen, sondern vermehrt alle EU-Staaten gemeinsam.
Ein Schlüssel-Element bei der Reform sollen beschleunigte Asylverfahren sein. Gerade hier könnte sich die Schweiz mit ihrem Wissen einbringen, glaubt Keller-Sutter. Seit der Revision des Asylgesetzes vor rund einem Jahr sind in der Schweiz neue, schnellere Asylprozedere in Kraft.
Binnen weniger Tage wird auf Bundesebene abgeklärt, ob eine Person grundsätzlich Aussicht auf Asyl hat. Nur falls das der Fall ist, kommt ein erweitertes Verfahren zum Tragen, bei dem die Kantone die Führung übernehmen.
Auf einen vergleichbaren Ansatz steuert auch die EU zu. In einem Entwurf zum neuen Migrationspakt vom April ist von Vorabverfahren die Rede. Sie sollen direkt an den EU-Aussengrenzen in speziell zugewiesenen Zonen stattfinden. Beamte des Europäischen Asylbüros und der Grenzschutzagentur Frontex könnten diese Verfahren durchführen.
Wer keine Chance auf Asyl hat, dem soll der Zutritt auf EU-Territorium untersagt werden. Mit einer frühzeitigen Ermittlung der Schutzberechtigten würde auch die Zahl jener verringert, welche am Schluss für eine Umverteilung auf die EU-Länder infrage kämen. Soweit zumindest die Theorie.
In der Praxis gibt es nach wie vor grosse Hindernisse. Angefangen damit, dass kaum ein EU-Land solche Verfahrenszentren bei sich einrichten möchte. Die chaotischen Zustände in den griechischen Hotspots dienen vielen als abschreckendes Beispiel.
Zweitens fehlen die Instrumente, um Herkunft- und Transitländer zum Abschluss von Rücknahmeabkommen zu überzeugen. Drittens sperren sich gewisse EU-Staaten noch immer gegen jede Art von Flüchtlings-Verteilung. Und viertens haben die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel zum Corona-Hilfspaket kürzlich das Geld für die Frontex-Grenzschutzagentur zusammengestrichen.
Laut Seehofer sollen es statt 10.3 Milliarden Euro neu nur noch 5.9 Milliarden sein. Das könnte den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik gefährden.
Es ist halt einfach ein Dilemma: zB. herrscht im ganzen Sudan kein Rechtsstaat und Menschenrechte werden durchs Band verletzt. Aber einfach dem ganzen Sudan hier in Europa Schutz zusprechen wollen, geht nicht...
Hinzu kommt, dass es völlig egal ist, ob jemand in Europa Asyl bekommt oder nicht. Wenn man mal hier ist hat man es quasi geschafft. Eine Rückführung kann durch rechtsstaatliche Mittel so lange hinausgezögert werden, bis weitere 'Tatsachen' geschaffen werden um eine Rückführung zu verunmöglichen. Gestützt durch staatlich und privat finanzierte NGO's...