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Schweiz erwartet von Taliban nach Versprechen «Taten»

Schweiz erwartet von Taliban nach Versprechen «Taten»

10.02.2022, 20:18
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Die Schweiz hat bei einem Treffen mit Vertretern der radikalislamischen Taliban in Genf «Taten» in Bezug auf Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verlangt. Die Taliban-Gruppe gab Sicherheitsgarantien ab für eine Wiedereröffnung des Kooperationsbüros in Kabul.

Die Gespräche mit der elfköpfigen afghanischen Taliban-Delegation seien «offen» und «ehrlich» gewesen, sagte der Leiter der Schweizer Delegation, Botschafter Raphael Nägeli, am Donnerstag vor Journalisten. Der Chef der Abteilung Asien und Pazifik im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) betonte trotz des Ausbleibens konkreter Ergebnisse die Wichtigkeit des Treffens.

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Gefängnispolizisten der Taliban bei einer Abschlussfeier in Kabul.Bild: keystone

Die Taliban hätten am Treffen ihr Versprechen bekräftigt, Mädchen ab März nächsten Jahres eine öffentliche Schulbildung zu ermöglichen. «Wir erwarten von ihnen, dass sie dieses Versprechen einhalten», sagte der Schweizer Botschafter, «wir werden sie nach ihren Taten und nicht nach ihren Worten beurteilen».

Das Angebot der Taliban, das Kooperationsbüro in Kabul möglicherweise mit Sicherheitsgarantien wieder zu eröffnen, nahm die Schweiz vorerst nicht an. «Alles hängt von der Entwicklung unserer Arbeit vor Ort und unserer Einschätzung der Sicherheitslage ab. Es ist noch zu früh, es gibt keinen unmittelbar bevorstehenden Plan», sagte der Botschafter.

Taliban bitten um mehr Hilfe

Den Schweizer Angaben zufolge verlangten die Taliban mehr humanitäre Hilfe für Afghanistan. «Sie haben sehr offen zugegeben, dass die Lage in den Spitälern dramatisch ist. Sie bitten um mehr Unterstützung», sagte Nägeli der SRF-«Tagesschau».

Peter Maurer, Praesident des Internationalen Roten Kruezes IKRK, links, und Bundesrat Ignazio Cassis, Eidgenoessisches Departement fuer auswaertige Angelegenheiten EDA, bei der Unterzeichnung des Prot ...
IKRK-Präsident Peter Mauer mit Bundesrat Ignazio Cassis.Bild: keystone

Die Schweiz leistete in Afghanistan im vergangenen Jahr Hilfe im Wert von insgesamt rund 60 Millionen Franken. Bern unterstützte die Aktivitäten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), der Vereinten Nationen und von Nichtregierungsorganisationen. Für dieses Jahr sind Schweizer Hilfsgelder von mindestens 27 Millionen Franken vorgesehen.

Vorerst keine weiteren Treffen

Das Treffen in Genf seit Sonntag war «weder eine Legitimation noch eine Anerkennung» der Taliban als selbsternannte afghanische Regierung, sondern «eine Gelegenheit, Botschaften zu übermitteln», erklärte Nägeli weiter. Die Schweiz habe ihre Erwartungen in Bezug auf die Menschenrechte, das humanitäre Völkerrecht und den Schutz der Zivilbevölkerung zum Ausdruck gebracht. Weitere Treffen waren vorerst nicht geplant.

«Wir sind tief besorgt über Berichte von Entführungen und Vergeltungsmassnahmen gegen Personen, die mit der früheren afghanischen Regierung in Verbindung gebracht werden», sagte der Botschafter, «ebenso wie über die Gewalt gegen Menschenrechtsaktivisten, Frauen und Intellektuelle».

Der afghanische Uno-Botschafter in Genf, Nasir Andisha, hatte die offizielle Schweiz darum gebeten, die Taliban nicht zu treffen. Er hatte deren Aktivitäten wiederholt vor dem Menschenrechtsrat angeprangert.

Suche nach Anerkennung

Nach einem Treffen vor einigen Wochen mit mehreren Ländern in Oslo suchen die Taliban aktiv nach internationaler Anerkennung. Die Taliban-Delegation war am Sonntag auf Einladung der Nichtregierungsorganisation «Genfer Appell» in der Schweiz eingetroffen. Gespräche geführt wurden auch mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Ärzten ohne Grenzen.

Die Taliban haben im August vergangenen Jahres die Macht in Afghanistan übernommen. Ihre Regierung wird jedoch international nicht anerkannt. Nach Angaben der Vereinten Nationen dürften in diesem Jahr 4.7 Millionen Menschen in Afghanistan an schwerer Unterernährung leiden, davon 3.9 Millionen Kinder. 131'000 Kindern drohe ohne zusätzliche Hilfe der Hungertod. (sda)

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Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
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quelle: keystone / zabi karimi
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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dörfu
10.02.2022 22:40registriert Januar 2019
Die sollten lieber mit "Taten" aufhören.
Eine "Schulbildung zu ermöglichen" heisst wohl eher diese zu tollerieren, als eine zu organisieren. Wenn die Taliban nichts (dagegen) täten, würden die Mädchen zur Schule gehen können.
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