Schweiz
International

Wie Schweizer Hunde nach dem Erdbeben in der Türkei helfen

Bilder von den Einsatzkräften von Redog, die in der Türkei mit ihren Hunden nach Überlebenden unter den Trümmern suchen.
Bilder von den Einsatzkräften von Redog, die in der Türkei mit ihren Hunden nach Überlebenden unter den Trümmern suchen.

Wie Schweizer Hunde nach Überlebenden unter den Trümmern suchen

14 Hunde und 22 Einsatzkräfte von der Organisation Redog hat die Schweiz am Montagabend in die Türkei geflogen. Sie sollen bei der Suche nach Überlebenden unter den Trümmern helfen. Linda Hornisberger von Redog erzählt, wie die Vierbeiner vor Ort eingesetzt werden.
08.02.2023, 01:25
Aylin Erol / ch media
Mehr «Schweiz»

Linda Hornisberger, Sie sind Ausbildungschefin für Verschüttetensuchhunde bei der Organisation Redog. Haben die Helferinnen und Helfer mit ihren Hunden die Krisenregion schon erreicht?
Linda Hornisberger: Nachdem der Bund Redog angefragt hatte, wurde am Montagabend ein Einsatzteam mit dem Regajet nach Adana geflogen. Von dort aus ging es für die sechs Hunde und zehn Redog-Mitglieder zusammen mit der türkischen Partnerorganisation GEA in den Bezirk Hatay in die Stadt Iskenderun. Ein zweites Team flog mit der Rettungskette Schweiz ebenfalls in den Bezirk Hatay und ist jetzt vor Ort nahe der Stadt Antakya. Seit Dienstagmorgen sind nun alle im Einsatz.​

Wie sieht es vor Ort aus? Was erzählen Ihre Einsatzkräfte?
Sehr viele Häuser sind komplett zusammengestürzt. Die Region befindet sich in einer katastrophalen Lage. Die Menschen versuchen, sich aufgrund der Nachbeben an möglichst sicheren Orten aufzuhalten. Währenddessen suchen unsere Hunde nach verschütteten Überlebenden. Jetzt zählt jede Stunde. Die Leute liegen unter den Trümmern im Sterben, weil es sehr kalt ist, weil sie verletzt sind und weil sie dringend medizinische Hilfe brauchen.

Hat Redog in der Türkei inzwischen bereits Menschen gerettet?
Dazu kann ich noch keine gesicherten Angaben machen.​

Haben Ihre Hunde bereits Erfahrung in Katastrophengebieten?
Nein, wenn Redog im Ausland zum Einsatz kommt, dann ist etwas ganz Schlimmes passiert. Und glücklicherweise passiert das nicht so häufig. In der Schweiz kommen unsere Hunde aber durchaus ab und zu zum Einsatz. Dabei handelte es sich bisher aber nie um Katastrophen in diesem Ausmass.​

Wie lange dauert die Ausbildung der Hunde?
Sicher vier Jahre, da die Schweiz einen sehr anspruchsvollen Einsatztest hat. Vor allem Jagdhunde werden häufig ausgebildet. In der Türkei suchen jetzt Golden Retriever, Malinois, Border Collies, Schäferhunde, Australian Sheppards und Mischlinge nach Verschütteten. Wichtig ist, dass die Hunde beweglich, ausdauernd und sehr arbeitsfreudig sind. Im Ausland dürfen sie bis zu ihrem zehnten Lebensjahr zum Einsatz kommen.​

Wie laufen die Einsätze vor Ort ab?
Die Menschen, die unter den Trümmern liegen, sind nach so vielen Stunden nicht mehr in der Lage, nach Hilfe zu rufen. Da kommen unsere Hunde gerade richtig. Sie können selbstständig, relativ schnell und sicher grosse Gebiete nach Lebenden absuchen. Mit Bellen und Scharren zeigen sie uns an, wenn sie die Witterung eines Menschen haben. Um die Bergung kümmern sich dann die Retterinnen und Retter.​

epa10079486 A sniffer dog and his master from Switzerland search for a person in the rubble of a house during a training exercise of the Swiss volunteer organization, REDOG, Search and Rescue Dog Soci ...
Ein Redog-Hundeführer mit seinem Tier bei einer Übung in der Schweiz.Bild: keystone

Um ein einziges Opfer bergen zu können, dauert es also relativ lange. Währenddessen sollen nach Angaben der Behörden in der Türkei und in Syrien bereits mehr als 5000 Personen gestorben sein. Kommt einem dabei die eigene Arbeit nicht wie ein Tropfen auf den heissen Stein vor?
Unsere Arbeit ist ein Tropfen auf den heissen Stein, das stimmt. Aber das ist doch eigentlich egal, oder? Leiden kann man nicht relativieren. Wir wissen, dass wir nicht Tausenden helfen können. Aber stellen Sie sich vor, Sie liegen unter Trümmern und wissen nicht, ob jemand kommt und Sie rettet. Können Sie sich diesen absoluten Horror vorstellen?​

Nein.
Jeder von uns bei Redog macht einmal den Fehler, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn man unter den Trümmern, unter denen man sich fürs Hundetraining versteckt, nicht mehr rauskommen würde. Das löst unglaubliche Panik aus. In der Realität muss das grauenhaft sein. Die Motivation unserer Einsatzkräfte vor Ort ist deshalb nie ein Thema, selbst wenn wir nur wenigen Leuten helfen können. Wenn man Kontakt mit einer verschütteten Person hat, ist das das beste Gefühl, das man haben kann! Davon zehren die Helferinnen und Helfern wohl ihr Leben lang.

Wie lange wird Redog nun in der Türkei unterstützen?
Wir bleiben so lange, bis es unsere Hilfe nicht mehr braucht. Das können fünf Tage sein. Vielleicht aber auch zehn. Wir werden es sehen. (bzbasel.ch)​

Rescue workers search for survivors on a collapsed building in Malatya, Turkey, Tuesday, Feb. 7, 2023. Search teams and aid are pouring into Turkey and Syria as rescuers working in freezing temperatur ...
Rettungskräfte bei der Suche nach Menschen in den Trümmern.Bild: keystone
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
15 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
derKuchen
08.02.2023 06:38registriert April 2019
Danke an die Freiwilligen und Vierbeiner von Redog für diese unglaubliche Leistung. Grossartige Organisation.
331
Melden
Zum Kommentar
avatar
Capsaicine
08.02.2023 07:15registriert August 2018
Unglaublich, was Hunde für uns leisten!
Ich hoffe das Beste für die Menschen dort.
231
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mama Jo
08.02.2023 08:12registriert November 2022
Schön das wir helfen können. Auch alle anderen Staaten. Schlussendlich sind wir alles Menschen, egal woher. Wenigstens etwas im Angesicht dieser riesigen Naturkatastrophe. Beim Ukrainekrieg fühle ich mich so verdammt hilflos. Obwohl ich weiss, dass auch dort sehr viel geholfen wird unter Lebensgefahr. Toll diese Hunde und ihre Menschen! Danke!
231
Melden
Zum Kommentar
15
Eine Stunde und 20 Minuten länger – so war der Stau am Gründonnerstag

Zum Beginn der Osterfeiertage ist es am Donnerstag vor dem Gotthard-Nordportal zu neun Kilometern Stau gekommen. Der Zeitverlust betrug am Nachmittag eine Stunde und 20 Minuten. Auf der Südseite des Gotthards blieb es nach den Schneefällen vom Mittwoch ruhig, Stau gab es im Tessin nur beim Grenzübergang zu Italien in Chiasso.

Zur Story