Es kann kein Zufall sein, dass das Schweizer Uhrenunternehmen TAG Heuer ausgerechnet Santa Clara ausgesucht hat. Die Stadt mit gut 100'000 Einwohnern ist so etwas wie der Geburtsort des Silicon Valley. Hier befindet sich der Hauptsitz von Intel, des Computerchip-Produzenten, der 1971 mit dem Intel 4004 den ersten integrierten 4-Bit-Prozessor auf den Markt brachte, der die Computertechnologie revolutionierte.
45 Jahre später macht sich nun also das erste Schweizer Uhrenunternehmen auf in den Westen. TAG-Heuer-Chef Jean-Claude Biver sagt zur «Schweiz am Sonntag»: «Ab November wird auch TAG Heuer in Santa Clara zehn bis zwölf Ingenieure beschäftigen. Es wird unsere erste technologische Niederlassung im Silicon Valley sein», sagt der Manager, der beim Luxuskonzern Louis Vuitton für sämtliche Uhrenmarken zuständig ist. Die Welt inklusive die Uhrenindustrie müsse weiter, ist Biver überzeugt. Die Ingenieure werden direkt im weitläufigen Intel-Campus Quartier einziehen. Für Biver ist der Gang ins Silicon Valley eine logische Konsequenz. Letztes Jahr lancierte er eine erste Smartwatch, die mit Chips von Intel arbeitet. Wenn er eigene Leute vor Ort hat, sind sie näher dran und können schneller reagieren.
TAG Heuer ist eines von Dutzenden Schweizer Unternehmen, die im Valley ihre Zelte aufgeschlagen haben. Anfang der 1980er-Jahre war es der Computermaus-Pionier Logitech, der in das damals kaum besiedelte Gebiet vorstiess. Die Firma wurde in der Westschweiz gegründet, wo immer noch der Hauptsitz liegt, doch das operative Zentrum befindet sich in Newark, südlich von Oakland.
Auf der anderen Seite der Bay, in Foster City, findet sich die kleine Softwarefirma Balluun. Auch sie hat ihren rechtlichen Sitz in der Schweiz, doch getüftelt wird im Silicon Valley. Laut Chef Roland Kümin sind die «Leute hier neugierig, offen und geprägt von einem starken Optimismus». Anders in der Schweiz, wo man «immer noch zuerst die Gefahren und Risiken» sehe. «Das paralysiert», so Kümin, der zwischen der Schweiz und dem Silicon Valley pendelt.
Kümin will mit seiner Firma disruptive Energien freisetzen. So soll Balluun Firmen auf clevere Weise zusammenbringen, sodass teure Auftritte an Messen schlicht nicht mehr nötig sind. Das Unternehmen hat vor kurzem eine Finanzierung über 40 Millionen Franken erhalten und will nun das Entwicklerteam im Valley «massiv ausbauen».
Den Austausch zwischen Schweizer Firmen, der Wissenschaft und dem Silicon Valley hat sich die Organisation Swissnex auf die Fahne geschrieben. Vor 13 Jahren eröffnete die zu einem Drittel vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation und dem Departement für Auswärtige Angelegenheiten finanzierte Organisation ihren Aussenposten in San Francisco. Vor kurzem hat die Organisation neue, grosszügigere Räumlichkeiten bezogen. Noch riecht es nach frischer Farbe; die meisten Arbeitstische sind allerdings unbesetzt. In einem Teil des loftartigen Raumes ist aber schon etwas los. Da sitzen Mitarbeiter von Nestlé vor ihren Computerbildschirmen. Der Nahrungsmittelmulti will die quirlige Startup-Szene vor Ort beobachten können.
Auch die Swisscom hat einen Horchposten eingerichtet. Seit 1998 beobachten Mitarbeiter in Menlo Park die Entwicklung. Unter dem früheren Chef Carsten Schloter verfolgte die Swisscom ehrgeizige Pläne und begann mit der Entwicklung von Cloud-Lösungen. Doch mittlerweile sind die Bemühungen eingeschlafen. Die Swisscom verlegte den Fokus auf Partnerschaften mit Start-ups und Trend-Scouting. Der Outpost läuft auf Sparflamme. Gerade zehn Mitarbeiter beschäftigt die Swisscom vor Ort. Ein Ausbau, so Swisscom-Sprecher Joseph Huber, sei nicht geplant.
Mehr Aktivität legen Schweizer Pharmafirmen an den Tag. Sie beschäftigen Zehntausende Personen in der Bay Area und übertrumpfen damit die Schweizer IT-Branche bei weitem. Der wahrscheinlich grösste Schweizer Arbeitgeber in der Region ist Roche. 2009 übernahmen die Basler die Biotech-Firma Genentech vollständig. Über 10'000 Angestellte beschäftigen die DNA-Forscher zurzeit im Süden von San Francisco. Darüber hinaus arbeiten 800 Mitarbeiter im nahe gelegenen Pleasanton für die Roche Molecular Diagnostics, weitere 500 sind für Roche Sequencing an diversen Standorten in der Bay Area tätig.
Die Region sei ein «sehr wichtiger Standort im innovationsgetriebenen Unternehmen», sagt eine Sprecherin. Grund dafür seien die Dichte von Risikokapitalgebern und Hightech-Unternehmen sowie das ausgeprägte akademische Netzwerk. Das ermögliche unterschiedliche Kooperationen oder Akquisitionen. Die Pharmafirmen wachsen im Silicon Valley vor allem durch Übernahmen: Erst letztes Jahr übernahm Roche Geneweave, eine Diagnostikfirma mit Sitz in Los Gatos.
Eine ähnliche Strategie verfolgt Novartis: 2006 hatte der Konzern eine Mehrheit an der Biotech-Firma Chiron mit über 5000 Mitarbeitern nahe San Francisco übernommen. 2008 akquirierte Novartis einen grossen Teil der Lungen-Forschung des Nektar-Konzerns und damit weitere 140 Mitarbeiter in der Bay Area.
Das Silicon Valley ist wichtig für Schweizer Firmen, auch wenn sie im IT-Bereich hier wenig zu melden haben. Anders sieht es in Branchen aus, in denen die Schweiz ohnehin stark ist – allen voran im Bereich Gesundheit. Hier hilft das Valley, dass sie noch stärker werden.