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Du willst nur das Beste? Voilà:
Die
Digitalisierung hat auch die Medizin erreicht. Was sind die Treiber der
E-Health?
Die Menschen im Spital wollen nicht verzichten auf
etwas, das sie im Alltag längst benutzen, also Smartphones, Tablets, etc. Dazu kommt die Dokumentation der Abrechnungen,
die dank dem technischen Fortschritt heute sehr viel effizienter abgewickelt
werden kann. Schliesslich gesellt sich noch der Wunsch nach Transparenz dazu.
Was
steht im Vordergrund, Kosten zu sparen oder die Gesundheit der Menschen?
Schon vor rund zehn Jahren hat man im Rahmen der
Strategie «Health Schweiz» festgelegt, dass man den Patienten vermehrt Zugang
zu Informationen verschaffen soll, um so die Hoheit des «Herrschaftswissen
Medizin» zu brechen. Man will so den Patienten befähigen, sich vermehrt selbst
um seine Gesundheit zu kümmern.
Hat
es funktioniert?
Nur beschränkt. Letztlich interessiert sich nur ein
Teil der Bevölkerung für diese Informationen.
Ist
es wenigstens gelungen, Geld zu sparen?
Ich glaube nicht, dass die Digitalisierung der Medizin
zu Einsparungen führen wird. In den letzten Jahrzehnten haben die Kostenkurven
nur eine Richtung gekannt: nach oben.
Blöd
gefragt: Warum macht man das Ganze dann?
Wenn alle Beteiligten – Ärzte, Pflegepersonal und
Apotheker –, gleichzeitig über die relevanten Daten verfügen, dann wird das die
Sicherheit und die Qualität der Behandlung verbessern.
Können
Sie das an einem konkreten Beispiel erläutern?
Früher waren die Rezepte der Ärzte von Hand
ausgestellt und meist unleserlich. Das hat immer wieder zu Verwechslungen geführt.
Mit der Digitalisierung verschwindet dieses Problem. Mehr noch: Es gibt bereits
Expertensysteme (Beratung mit künstlicher Intelligenz, Anm. d. Red), die warnen und kontrollierend eingreifen, wenn etwa irrtümlich
eine falsche Dosierung eines Medikaments vorliegt.
Wegen
der Fallpauschalen werden Spitäler immer mehr wie Autofabriken.
Beschleunigt die Digitalisierung der Medizin nun diesen Trend zusätzlich?
Die Industrialisierung der Medizin ist in vollem Gange.
Der Arzt ist heute kein Künstler mehr, er ist austauschbar geworden. Die
Behandlung erfolgt in standardisierten Schritten und abrechenbaren Einheiten.
Ist
das etwas Schlechtes?
Wenn wir eine Autofabrik so betreiben würden wie ein
Spital, dann würden wir heute noch mit dem Trabi oder bestenfalls mit dem Käfer
herumfahren. Wenn man hingegen weiss, wie man eine bestimmte Prozedur, etwa
eine Blinddarm-Behandlung, durchzuführen hat, dann ist deren Erfolg auch
überprüfbar.
Der
gläserne Patient weckt vielerorts Angst: Keine Privatsphäre mehr, die
Krankenkassen werden zum Big Brother. Haben Sie Verständnis für diese Ängste?
Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto nackter wird
der Mensch. Das ist unbestritten. Aber, stellen Sie sich vor: Sie kommen ins
Spital, bewusstlos, niemand kennt Ihre
Krankengeschichte. Wenn Ihre Daten aus einem elektronischen Patientendossier
abrufbar sind, dann können Sie sofort adäquat behandelt werden. Daten zu speichern hat
viele Vorteile, aber natürlich gibt es auch ein Missbrauchs-Potenzial.
Ist
es Missbrauch, wenn ich als Raucher höhere Krankenkassen-Beiträge bezahlen
muss?
Derzeit ist das vom Gesetz verboten. Aber wir
wissen nicht, wie das in zehn Jahren aussehen wird. Die Daten zu unserem
Gesundheitsverhalten werden sicher verfügbar sein, sie werden heute schon von
Smartphones, Sensoren, etc. erfasst.
Mein
iPhone hat bereits einen Fitness-Tracker. Kann es sein, dass ich dereinst gezwungen
sein werde, ihn zu benutzen?
Es gibt bereits Bonus-Programme, die mit diesen
Fitness-Trackern arbeiten. Der Vergleich
zur Autohaftpflichtversicherung ist ein gutes Beispiel. Dort hat man diese
Boxen, die das Fahrverhalten aufzeichnen. Ich bin überzeugt, dass man in zehn
Jahren als 75-jähriger nur noch dann einen Fahrausweis erhält, wenn man eine
solche Box im Auto hat. Dieser Trend wird sich auch im Gesundheitswesen
durchsetzen, und zwar nicht nur bei den Patienten, sondern auch bei den Ärzten
und Spitälern.
Heute
unterstützen die Krankenkassen die Prävention nur sehr bedingt. Wird sich das
mit den Fitness-Trackern verändern?
Die Medizin wird ein klassischer Reparatur-Betrieb
bleiben. Es ist auch nicht nachgewiesen, dass Prävention tatsächlich etwas
bringt. Zudem zeichnet sich ein anderer Trend ab, gerade bei sehr teuren
Medikamenten. Sie werden zukünftig aufgrund ihrer Performance bezahlt, also nur
dann, wenn die versprochene Wirkung auch eintritt. Auch die Medikamente werden
getrackt, gewissermassen.
Trotzdem:
Wird nicht versucht, über Fitness-Tracker und andere Apps das Verhalten der
Menschen zu manipulieren?
Die Gefahr besteht. Die Menschen werden aber auch
lernen, wie man dieses System austricksen kann. Sie werden etwa lernen, wie sie
den Fitness-Trackern vorspiegeln können, dass sie joggen waren. Zudem besteht
die Manipulations-Gefahr nicht nur im Gesundheitswesen. Mein iPhone sagt mir
heute schon, wann ich losfahren muss, um einen Termin nicht zu verpassen. Das
ist die gleiche Technik wie bei den Fitness-Trackern. Die Frage ist, wie weit
wir uns das gefallen lassen.
Im
Gesundheitswesen halten sich die Erfolge mit Expertensystemen bisher in
Grenzen. Die Probleme sind offenbar grösser als anfänglich vermutet.
Wenn die Expertensysteme gezielt eingesetzt werden,
dann sind sie viel besser als der Mensch.
Das gilt nicht nur für das Schachspielen, das gilt auch in der Medizin,
beispielsweise bei der Diagnose. Die besten Resultate erzielen sie jedoch, wenn
sie Mensch und Maschinen kombinieren. Die Maschine ist nur so gut, wie die
Aufgabestellung definiert wird, und dafür ist nach wie vor der Mensch
zuständig.
Wird
dadurch nicht der ohnehin schon sehr grosse administrative Aufwand noch grösser
und die Zeit für Behandlung und Pflege noch knapper?
Im Gegenteil. Richtig angewandt, werden diese Systeme
Ärzte und Pflegepersonal von diesem Aufwand entlasten, so dass sie sich
vermehrt ihrer Kernkompetenz zuwenden können.
Wie
zum Beispiel?
Heute wird sehr viel Zeit mit dem Eintippen von
Protokollen verschwendet. Weil das
maschinelle Erkennen von Sprache inzwischen sehr weit fortgeschritten ist, wird
es künftig möglich sein, Daten via Sprache eingeben zu können.
Wird
es je ein Gesundheitssystem geben, in dem der Mensch nur noch als Patient
auftreten wird?
Nein, der pflegende Mensch wird das humane Interface
im Gesundheitssystem bleiben.
Digitale
Dienste sind billig oder gar gratis, menschliche Arbeit bleibt teuer. Könnte es
sein, dass sich in Zukunft nur noch vermögende Menschen dieses humane Interface
leisten können?
Viele Aufgaben werden sich nicht durch Maschinen
ersetzen lassen. Es gab mal eine Zeit, da hat man geglaubt, dass niedrige
Dienste automatisiert werden können. Heute würde ich mir als Arzt viel mehr
Sorgen machen, von einem Roboter verdrängt zu werden. Dort ist die Expertise
der Maschine viel grösser als bei der Pflege. Umbetten und einen Patienten
trösten, das kann man ganz schlecht an eine Maschine delegieren.
Es
gibt führende Vertreter im Silicon Valley, die überzeugt sind, dank der
Digitalisierung der Medizin viel länger leben zu können, ja gar unsterblich zu
werden. Wie ist das zu beurteilen?
Bisher ist kein Mensch älter geworden als 122 Jahre.
Es trifft zu, dass es gerade im Silicon Valley den Versuch gibt, diese Grenze
weiter hinauszuschieben. Ob das Allmachtsphantasien von Milliardären sind, kann
ich nicht beurteilen. Tatsache ist jedoch, dass die Lebenserwartung der
Menschen in den industrialisierten Ländern in den letzten Jahrzehnten
beträchtlich gestiegen ist.
In
den USA sinkt sie jedoch bereits wieder.
Die USA haben eine hohe Kindersterblichkeit und eine
hohe Mordrate unter Jugendlichen, vor allem bei der ärmeren Bevölkerung.
Amerika ist gleichzeitig ein gutes und ein schlechtes Beispiel für das moderne
Gesundheitswesen: Wenn man reich ist, hat man Zugang zur besten medizinischen
Versorgung der Welt, für den Rest bleibt nicht viel übrig.
Besteht
nicht die Gefahr, dass dieses Beispiel auch bei uns Schule machen wird?
Ich denke, dass es immer schwieriger werden wird,
Zugang zu einem menschlichen Arzt zu erhalten. Die grosse Masse der Menschen
wird selber dafür besorgt sein müssen, wie sie ihre Gesundheit managt. Dazu
wird es immer mehr und ausgeklügeltere Apps geben, die uns dabei helfen werden.
Aber
der Arzt und die Krankenschwester werden für Otto Normalverbraucher
unerschwinglich?
Der Mensch wird in der Pflege, vor allem in der
Altenpflege, zwar nicht verschwinden, aber zu einer begrenzten Ressource
werden. Wer möchte heute noch Altenpfleger werden? Oder schauen Sie sich ein
Land wie China an. Ein Kinderarzt in Peking schaut sich pro Tag 600 Patienten
an. Wo ist da die Qualität? Die Chinesen müssen neue Wege finden, die sich
möglicherweise markant von unseren unterscheiden werden.