Im Sommer 2013 sorgten die Ausschaffungen von zwei abgewiesenen sri-lankischen Asylsuchenden für Schlagzeilen. Die beiden wurden nach ihrer Einreise in ihrer Heimat verhaftet und gefoltert. Danach setzte die Schweiz die Rückführungen vorübergehend aus.
Einer der Männer war im August 2013 zusammen mit seiner schwangeren Frau und zwei Kindern in seine Heimat ausgeschafft worden. Zuvor waren sein Asylgesuch, eine Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Wegweisung und ein Revisionsgesuch abgelehnt worden.
Die Schweizer Behörden waren der Ansicht, er sei in Sri Lanka nicht gefährdet. Dies obwohl der Mann geltend gemacht hatte, in den 1990er-Jahren bei den Tamil Tigers gekämpft zu haben und deshalb inhaftiert und misshandelt worden zu sein.
Der Mann wurde schon am Flughafen in Colombo verhaftet und verbrachte fast zwei Jahre in einem Polizeigefängnis und in einem Umerziehungslager, wo er wieder misshandelt wurde. Die Frau und Kinder des Inhaftierten hingegen kehrten nach zwei Monaten zurück in die Schweiz und erhielten Asyl.
Der Tamile gelangte gegen die Entscheide bis vor den Europäischen Menschengerichtshofs in Strassburg (EGMR). Dieser entschied im Januar 2017 einstimmig, dass die Schweiz mit der Wegweisung das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt habe. Der Mann erhielt eine Genugtuung von 30'000 Euro.
Der EGMR befand, dass sich die Schweizer Behörden der Gefahr für den Weggewiesenen aufgrund der vorhandenen Informationen hätten bewusst sein müssen. Denn bereits vor dessen Wegweisung hatte das damalige Bundesamt für Migration (BFM) davon Kenntnis, dass kurz zuvor ein anderer zurückgeschaffter Tamile inhaftiert und misshandelt worden war.
Auch dieser Mann verbrachte nach seiner Abschiebung ein Jahr im Gefängnis in Sri Lanka und soll dort gefoltert worden sein. Die dortigen Behörden warfen auch ihm vor, er habe sich bei den Tamil Tigers engagiert.
Sein Gesuch auf Schadenersatz und Genugtuung wurde vom Bundesrat abgelehnt. Daraufhin reichte sein Anwalt eine Staatshaftungsklage beim Bundesgericht ein. Im Januar dieses Jahres schlossen das Finanzdepartement und der Anwalt einen aussergerichtlichen Vergleich. Der Tamile soll dabei ein Schmerzensgeld von mehreren zehntausend Franken erhalten haben.
Aufgrund der beiden Fälle suspendierte das damalige Bundesamt für Migration (BFM) im September 2013 vorübergehend alle Rückschaffungen nach Sri Lanka. Seither wurde die Lageanalyse zu Sri Lanka mehr als einmal überarbeitet und Wegweisungen nach Einzelfallprüfungen wieder aufgenommen.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) geht seither davon aus, dass der Schutzbedarf für Personen mit Verbindungen zu den ehemaligen Tamil Tigers abnimmt, je länger der Konflikt zurückliegt. Gleichzeitig anerkennt es, dass bei den Menschenrechten trotz allem weiterhin Defizite bestehen.
Die Schweiz unterzeichnete im Oktober 2016 in Sri Lanka ein Migrationsabkommen, das unter anderem die Rückübernahme ausreisepflichtiger Personen regelt. Justizministerin Simonetta Sommaruga strebt in Zukunft eine Migrationspartnerschaft mit dem Land an. (wst/sda)