Flugannullationen, Verspätungen, Passagier-Schlangen à gogo: Passagiere müssen sich diesen Sommer auf einiges gefasst machen - so wie auch schon in den vergangenen Wochen. Die rasante Rückkehr der Nachfrage nach Flugreisen überfordert die Aviatik, insbesondere Flughäfen wie Amsterdam oder London-Heathrow, die ihre Kapazitäten sogar drosseln mussten.
Doch nun könnte es sogar noch schlimmer kommen. Davor warnt zumindest der in Genf ansässige Airline-Verband Iata, der 290 Fluggesellschaften repräsentiert. In einer Mitteilung äussert die Organisation, zu deren Mitgliedern auch die Lufthansa-Gruppe mit Swiss und Edelweiss gehört, grosse Besorgnis, dass es im Winter zu weiteren Störungen für die Fluggäste kommen könnte.
Grund dafür ist die sogenannte 80-20-Slot-Regel, die bis vor der Pandemie als in Stein gemeisselt galt. Diese besagt, dass die Airlines 80 Prozent ihrer gebuchten Start- und Landerechte – die so genannten Slots – in einer Saison auch tatsächlich benutzen müssen. Ansonsten müssen sie diese an die Konkurrenz abgeben. So soll verhindert werden, dass die Firmen an unbenutzten Slots festhalten und der Wettbewerb leidet.
Kurz nach Ausbruch der Pandemie entschied die EU, die Regel auszusetzen. Schliesslich wurde praktisch nicht mehr geflogen. Hätten die Behörden daran festgehalten, hätten die Airlines wohl massenweise Geister-Flüge, also ohne Passagiere an Bord, durchgeführt - aus Angst, die für sie so wichtigen Slots zu verlieren.
Nun möchte die EU zum alten 80-20-Regime per Ende Oktober auf die Wintersaison zurückkehren – zum Unmut der Iata. Dieser Schritt sei verfrüht. Die Fluggesellschaften seien zwar bestrebt, den Flugbetrieb wieder aufzunehmen, schreibt die Iata. Doch mehrere wichtige Flughäfen könnten bereits heute die Nachfrage nicht bedienen – Namen nennt die Iata keine – komme es derzeit zu Verspätungen. Dabei hätten die Flughäfen die Sommer-Slot-Pläne der Airlines bereits Anfang Jahr gekannt.
Die einseitige Schuldzuweisung der Iata an die Fluglotsen und Flughäfen ist jedoch falsch. Auch viele Airlines lagen mit ihrer Personalplanung in der Pandemie daneben und haben nun einen massiven Unterbestand zu beklagen. So ist der Branche zu hören, viele Airline-Manager seien insgeheim sogar froh, dass der asiatische Markt wegen Covid-Restriktionen noch am Boden ist. «Diese zusätzliche Kapazität könnten viele Airlines derzeit gar nicht stemmen, weil sie zu wenig Crew-Mitglieder haben», sagt ein ranghoher Aviatik-Insider gegenüber CH Media.
So oder so sagt Iata-Chef Willie Walsh: «Wir befürchten, dass die Flughäfen nicht rechtzeitig in der Lage sein werden, bis Ende Oktober die Schwelle von 80 Prozent zu bedienen.» Denn das aktuelle Chaos an bestimmten Flughäfen komme nur schon bei einer Flugkapazität von 64 Prozent zustande. Die Mitgliedstaaten und das Parlament müssten den Vorschlag der EU-Kommission auf ein realistisches Niveau anpassen und Flexibilität bei der Slot-Regelung zulassen.
Derweil hat die Lufthansa am Mittwoch weitere Annullationen für diesen Sommer angekündigt aufgrund von aktuellen Abfertigungsproblemen. Betroffen sind rund 2000 Verbindungen an den Drehkreuzen Frankfurt und München bis Ende August. Das Ziel ist eine Stabilisierung des Flugplans. Tatsächlich ist es bereits die dritte Annullationswelle des Swiss-Mutterkonzerns. (aargauerzeitung.ch)