Emmanuel Macron mag diese Momente, wenn sich alles um ihn dreht. Von Verfassungs wegen Oberbefehlshaber der Armee, nimmt er am Montag die Truppenparade auf den Pariser Champs-Élysées ab. 55 Militärflugzeuge, 22 Helikopter, 5600 Soldatinnen und Soldaten und 200 Pferde defilieren vor dem Staatschef, der auch mit dem Geheimcode der nuklearen Force de Frappe ausgerüstet ist.
Die Botschaft des zweistündigen Umzugs, der US-Präsident Donald Trump zur Nachahmung im Juni stimuliert hat: Frankreich ist wehrhaft, stark – und bereit für alle Eventualitäten.
Hinter der blitzenden Kulisse sieht es für die Grande Nation weniger glorios aus. Frankreichs Staatsschuld ist im Juni auf 3350 Milliarden Euro geklettert, von denen 1000 Milliarden in Macrons Amtszeit fallen. Der Zinsdienst beansprucht 67 Milliarden Euro – mehr als die nationalen Verteidigungsausgaben.
Politisch geht es Frankreich nicht besser. In der Nationalversammlung neutralisieren sich die drei Machtblöcke der Linken, Rechten und Macronisten. Ohnmächtig schaut Premier François Bayrou zu, wie sich der nächste Regierungssturz – der seine – nähert.
Schuld an der Blockade ist Macron selbst: Er hatte im Juni 2024 ohne Not Neuwahlen angesetzt. Und verloren. Seither sind Politik und Wirtschaft handlungsunfähig. Dynamisch ist nur noch die Banlieue-Jugend: Jeder Vorwand – Nationales Fest der Musik, Fussballsieg von Paris Saint-Germain (PSG) – ist gut, um Autos in Brand zu stecken, Läden zu plündern, Polizeiwachen anzugreifen. Um die Randalierer an diesem Quatorze Juillet in Schach zu halten, sind 11’000 Polizisten im Einsatz.
Macron zappt die Krawalle weg. Das Thema behagt dem Staatschef nicht. Zumal die Stimmung im Land nicht besser ist als vor einem Jahr. In den Volkszorn mischt sich heute Fatalismus: Der Wahlsieg von Marine Le Pen oder ihrem Sekundanten Jordan Bardella bei den Präsidentschaftswahlen 2027 sei ohnehin nicht zu verhindern, besagen die Umfragen.
Die Beliebtheitswerte des Staatschefs sind auf 20 Prozent gesunken. Schlagzeilen machte er nur noch mit einer «Ohrfeige» – in Wahrheit wohl eher ein Stubser – durch seine Frau Brigitte Macron, als ihr Flugzeug in Vietnam gelandet war. Und mit einem angeblichen Säckchen Kokain im Zug nach Kiew.
Das waren zwar «Fake News», aber sie beschädigen die letzte Domäne, in der Macron brillierte: Weltpolitik. Im Nahen und Mittleren Osten, wo Frankreich früher dank seinem Protektorat Libanon eine Stimme hatte, wird Le Président nicht mehr um seine Meinung gefragt. Im Krieg in der Ukraine erniedrigte er sich vor zehn Tagen selbst, als er den russischen Präsidenten Wladimir Putin anrief und ein Njet nach dem anderen erntete.
Auch der «Buddy» Trump nimmt den französischen Präsidenten nicht mehr sehr ernst. «Er liegt ständig daneben», spottete der Amerikaner nach seiner Abreise vom jüngsten G7-Gipfel. «Er hat keine Ahnung.»
An Macron prallt alles ab. Umfragetief, Wahlfiasko, Krawalle, Staatsschuld oder Trumps Spott: Solche Widrigkeiten nimmt er nicht ernst oder nicht wahr. Macron glaubt weiter an sich. Vor einer Woche trat er überraschend bei einem Treffen seiner Parteijugend auf die Bühne. Herzstück war ein flammender Appell:
Viele Gäste glaubten, sich verhört zu haben, doch die «jeunes avec Macron» (die Jungen mit Macron) verstanden sehr gut: Macron braucht sie für die letzten zwei Jahre seiner Amtszeit und dann für ein weiteres Fünfjahresmandat, wenn nicht für ein zweites. «Macron Président!», skandierten sie in dem Pariser Zirkus, wie in den alten Zeiten, als Macron noch ein Zampano der Politik gewesen war.
Mit der Perspektive von zwei, fünf oder zehn Jahren bedeutet Macron seinen Freunden und Feinden, dass er über die Misstrauensvoten, Regierungswechsel und Impeachment-Anträge im Parlament erhaben ist. Lieber denkt er darüber nach, das sogenannte «Putin-Szenario» nachzuspielen.
Die französische Verfassung untersagt wie früher die russische mehr als zwei Präsidentschaftsmandate in Serie. Putin hatte deshalb 2008 seinen Strohmann Dmitri Medwedew für ein vierjähriges Interregnum im Kreml platziert, wo er dann 2012 wieder einzog.
Macron könnte einen Getreuen wie Gabriel Attal unterstützen und dann 2032 selbst wieder ins Élysée einziehen. Dann wäre er erst 54 Jahre alt, kann sich der Präsident ausrechnen. Jung genug für weitere zehn Jahre im Élysée.
Aber macht er die Rechnung nicht ohne den Wirt, das Stimmvolk? Die Franzosen sind wankelmütig, sagt sich Macron. Ein wirklich gefährlicher Rivale ist nicht in Sicht, wenn man von Marine Le Pen absieht, doch sie kann wegen ihrer Verurteilung vielleicht gar nicht mehr zur Wahl antreten.
Macrons Gegner bescheinigen ihm Realitätsverlust. Die Linksabgeordnete Mathilde Panot meinte zu seinen Zukunftsplänen mit vier Mandaten:
47 Prozent der Befragten hätten allerdings gar nichts gegen die Rückkehr des Kaisers, um die Unordnung im Land zu bekämpfen. Nur meinen sie laut Umfragetext nicht Macron, sondern Napoleon.