Testen, testen, testen: Seit Ausbruch der Pandemie betonen Experten die Bedeutung von Massentests, um das Coronavirus einzudämmen. Zwei Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hielten im Dezember fest, dass eine dritte Welle mit Lockdowns verhindert werden könnte, wenn 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung täglich getestet würden.
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In Verbindung mit einer funktionierenden Tracing- und Quarantäne-Strategie liesse sich das Virus unter Kontrolle halten. Asiatische «Musterschüler» wie Singapur und Südkorea machen es vor. Seit dem Herbst sind Antigen-Schnelltests auf dem Markt, die fast so zuverlässig sind wie PCR-Tests und getreu ihrem Namen ein rasches Ergebnis liefern.
So richtig durchgesetzt haben sie sich bis jetzt nicht, weil sie den unangenehmen und teilweise schmerzhaften Abstrich im hinteren Teil der Nase erfordern. Nun aber sind auch Tests verfügbar, die ohne qualifiziertes Personal durchgeführt werden können. Dazu gehören Speichel- und Gurgeltests oder solche, für die ein Abstrich vorne in der Nase genügt.
Die für ihre Impfstrategie hart kritisierte EU-Kommission geht deshalb in die Offensive. Sie hat letzte Woche eine Liste mit 16 Antigen-Schnelltests veröffentlicht, die in der gesamten EU zugelassen sind. Darunter sind zwei Tests, die der Basler Pharmakonzern Roche mit dem südkoreanischen Unternehmen SD Biosensor entwickelt hat.
Nun wollen mehrere europäische Länder vorwärts machen. Eine Auswahl:
Die Dänen sind nicht nur «Europameister» im Sequenzieren, also der genetischen Identifizierung von Virus-Proben, sondern auch beim Testen. Dennoch gelten aus Furcht vor den Mutationen strenge Regeln. Letzte Woche aber stellte die Regierung Lockerungen in Aussicht, wenn sich die Bevölkerung zweimal pro Woche testen lasse. Dies sei mit Nasen-Selbsttests möglich, sagte Gesundheitsminister Magnus Heunicke.
Ein erster Anlauf für Massentests beim östlichen Nachbarn im Dezember verlief schleppend. Doch die Regierung hat einen Anreiz geschaffen: Seit dem 8. Februar darf man wieder zum Coiffeur oder zur Kosmetikerin, aber nur mit einem negativen Coronatest. Heute werden in Österreich über 200’000 Personen täglich getestet, rund siebenmal mehr als in der Schweiz.
Ab nächster Woche können die Österreicher fünf Selbsttests pro Monat kostenlos in den Apotheken beziehen. Sie sind nicht als Zutrittstest gedacht, sondern dienen der Eigenkontrolle. Überhaupt bleibt die Regierung angesichts der immer noch hohen Fallzahlen vorsichtig. Weitere Öffnungen etwa in der Gastronomie soll es frühestens an Ostern geben.
Der schier endlose Lockdown und das langsame Impftempo sorgen in Deutschland für zunehmende Ungeduld. Deshalb setzten Politiker Hoffnungen in die Schnelltests. Als Vorbild dient der Landkreis Böblingen bei Stuttgart, wo sich die Menschen zweimal wöchentlich testen lassen können, vor einem Besuch im Altersheim oder einem Essen mit Freunden.
Zwei Forscher der Universität Marburg haben ein Konzept entwickelt für Selbsttests in Kombination mit einer App, um das wirtschaftliche und kulturelle Leben wieder zu öffnen. Bislang sind solche Selbsttests für den Hausgebrauch in Deutschland aber noch nicht zugelassen. Schwer tut sich das Land auch mit Massentests an den Schulen.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollte zumindest die bisherigen Schnelltests ab 1. März allen Bundesbürgern kostenlos zur Verfügung stellen, doch dieser Plan wurde gemäss ARD-«Tagesschau» vor allem wegen organisatorischer Fragen vorerst gestoppt. Nächste Woche soll demnach eine Schnelltest-Strategie entwickelt werden.
Ambitioniert sind die Niederländer. Sie wollen bis Ende März herausfinden, ob Live-Events mit Publikum wieder möglich sind. Geprobt wird dies unter anderem mit Fussballspielen und zwei Outdoor-Festivals mit je 1500 Besuchern. Sie müssen einen negativen Corona-Test vorweisen und am Eingang nach dem Zufallsprinzip zusätzlich einen Schnelltest machen. Fünf Tage später folgt für alle ein weiterer Test.
Niemand in Europa impft so schnell wie die Briten. Bis zur vollen Durchimpfung dauert es aber noch einige Zeit, weshalb Premierminister Boris Johnson letzte Woche die Idee in den Raum stellte, Theater oder Nachtclubs dank Schnelltests zu öffnen. Bei der Präsentation seines vorsichtigen Öffnungsplans für England am Montag war davon keine Rede mehr.
Aufgegeben hat die Regierung ihre Testidee aber nicht. Sie hat gemäss dem «Guardian» eine Untersuchung gestartet, ob Test- und Impfzertifikate bei der Öffnung gewisser Sektoren in England behilflich sein könnten – trotz Kritik von Bürgerrechtlern. Auch soll die Wiedereröffnung der Schulen am 8. März durch Massentests begleitet werden.
Noch steht Europa erst am Anfang, aber das Potenzial der Schnelltests wird zunehmend erkannt. Vieles hängt von der Verfügbarkeit ab, ähnlich wie bei den Impfungen. Sind die Selbsttests einmal breit erhältlich, ist vieles möglich. In der Schweiz allerdings zögert man. So wird bei uns im Vergleich mit anderen Ländern immer noch relativ wenig getestet.
Graubünden setzt als bislang einziger Kanton auf grossflächige Tests in Heimen, Schulen und Firmen. Andere zögern und begnügen sich vorerst mit Pilotversuchen. Ein möglicher Grund ist wieder einmal das Geld. Zwar übernimmt der Bund seit Januar die Testkosten für Personen ohne Symptome, aber nur in bestimmten Fällen.
Vor einer Finanzierung breiter Massentests schreckt man in Bern zurück, und auch bei der Zulassung der Selbsttests harzt es, offenbar aus Furcht vor dem Kontrollverlust. Die Gesundheitskommission des Ständerats hat den Bundesrat deshalb am Dienstag aufgefordert, einen Gratis-Test alle zwei Wochen für die gesamte Bevölkerung zu prüfen.