Es gehört zu den ersten Metallen, die der Menschheit bekannt waren. Schon in der Steinzeit lernten unsere Vorfahren, wie sie es zu Waffen, Werkzeugen und Schmuckstücken formen konnten. Seine Entdeckung ist von immenser Bedeutung - bis heute. Auch die moderne Welt wäre ohne es nicht vorstellbar. Denn wo Strom fliesst, da ist fast immer Kupfer.
Im Laufe der Zeit hat Kupfer, das weltweit am dritthäufigsten genutzte Metall, viele Namen erhalten: das «Metall der Zivilisation», das «rote Gold» und in jüngerer Zeit auch das «Metall der Energiewende». Mit der Elektrifizierung steigt der Bedarf an Kupfer, das wegen seiner überragenden Leitfähigkeit etwa in Stromkabeln, elektrischen Leitungen und Generatoren eingesetzt wird.
Um nur einige Beispiele zu nennen: Gemäss Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) enthält ein Elektroauto rund 53 Kilogramm Kupfer - mehr als doppelt so viel wie ein Verbrenner. In einer Solaranlage mit einer Leistung von 1 Megawatt sind 2,8 Tonnen Kupfer verbaut. Und für ein durchschnittliches Windrad an Land mit einer angenommenen Leistung von 3 Megawatt braucht es rund 8,7 Tonnen Kupfer.
Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um zu erkennen, dass der Bedarf an Kupfer - wie auch an vielen anderen Rohstoffen - mit der Energiewende massiv ansteigen wird. Dies untermauern auch Studien.
Die Warnungen, dass Kupfer bereits in wenigen Jahren knapp wird, mehren sich. Bereits Ende 2022 kam eine Analyse des Prüfungsunternehmens S&P Global, das für seine umfangreichen Datenerhebungen im Rohstoffsektor bekannt ist, zum Schluss: Bis in zehn Jahren wird sich der Kupferbedarf nahezu verdoppeln - von 25 Millionen Tonnen im Jahr 2021 auf fast 49 Millionen Tonnen im Jahr 2035.
Und dann kommt auch noch der Vormarsch der künstlichen Intelligenz (KI) dazu. Nach Einschätzung des Rohstoffhändlers Trafigura treibt dies den Kupferbedarf zusätzlich nach oben. Bis 2030 könnte der Bedarf für KI um bis zu eine Million Tonnen pro Jahr steigen und «das Angebot übertreffen», sagte Trafigura-Chefvolkswirt Saad Rahim kürzlich an einer Veranstaltung in Genf. Dies addiere sich zur Angebotslücke von vier bis fünf Millionen Tonnen, die 2030 ohnehin zu erwarten sei.
Die Prüferinnen und Prüfer von S&P sehen sogar die Energiewende in Gefahr. Kupfer sei als Metall der Elektrifizierung «für alle Pläne zur Energiewende unerlässlich». Die potenzielle Lücke zwischen Angebot und Nachfrage werde voraussichtlich «sehr gross» sein. Die Gewinnung aus dem Recycling und der Ersatz durch andere Materialien - etwa durch das günstigere Aluminium, das Strom aber schlechter leitet - würden nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken.
Die Rohstofffachleute ziehen das beunruhigende Fazit: «Wenn nicht rechtzeitig ein massives neues Angebot in Betrieb geht, wird das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 unerreichbar bleiben.»
Ist denn eine solche Steigerung des Angebots absehbar? Nicht wirklich. Obwohl Kupfer in ausreichendem Masse in der Erdkruste vorhanden wäre. Die International Copper Study Group beziffert die globalen Reserven auf 890 Millionen Tonnen. Doch bei vielen Vorkommen lohnt sich der Abbau wirtschaftlich nicht.
S&P stellt in einem weiteren Bericht eine «massive Unterinvestition in neue Kupferminen und Erschliessungen» fest. Zurückzuführen sei dies auf «die Vorliebe der Führungskräfte von Bergbauunternehmen für sichere, kurzfristige Renditen».
Sie scheuten sich vor den Risiken, welche die Investition in neue Minen mit sich bringen - etwa Genehmigungsprobleme und sich verändernde politische Rahmenbedingungen. Denn es dauere sehr lange - die Industrie rechnet mit 15 bis 20 Jahren -, bis eine Mine die kommerzielle Produktion erreiche. Zudem seien die neu entdeckten Vorkommen häufig von geringerer Qualität, was die Gewinnung des Kupfers verteuere.
Die Prognosen wirbeln die Märkte regelrecht durcheinander - und wecken Begehrlichkeiten. Seit Anfang Jahr ist der Kupferpreis um rund 20 Prozent gestiegen und liegt nun bei rund 10'000 Dollar pro Tonne. Und ein Ende des Booms ist nicht absehbar, im Gegenteil. Anleger, Händlerinnen und Spekulanten haben Blut geleckt. «Copper: how to join the party» («Wie Sie an der Kupfer-Party teilnehmen») titelte jüngst die «Financial Times». Die Zeitung zitiert den Hedgefonds-Manager Pierre Andurand, der schätzt, dass sich die Preise in den nächsten Jahren fast vervierfachen könnten - auf sagenhafte 40'000 Dollar pro Tonne.
Auch falls die Preisrallye am Ende nicht ganz so heftig ausfällt: Die meisten Analysten rechnen damit, dass die Preise für längere Zeit oben bleiben. Damit steigt der Anreiz für die Bergbauunternehmen, ihre Kupferförderung möglichst rasch auszubauen. Zugleich dürften auch die Anstrengungen im Recycling weiter zunehmen. Denn Kupfer hat die äusserst nützliche Eigenschaft, dass es ohne jeden Leistungsverlust immer wieder recycelt werden kann. Das unterscheidet Kupfer von vielen anderen Rohstoffen.
Laut Zahlen des Internationalen Kupferverbandes stammen etwa neun Millionen Tonnen Kupfer jährlich aus der Wiederverwertung. Teils aus «altem» Schrott, also Kupfer in Altprodukten, teils aus «neuem» Schrott, der bei Produktions- und Fertigungsprozessen anfällt. Somit stammt heute gut ein Drittel des weltweiten Kupfereinsatzes aus recycelten Quellen.
Je mehr Recycling, desto besser - das gilt beim Kupfer aus verschiedenen Gründen. So benötigt die Wiederaufbereitung laut dem deutschen Kupferverband nur etwa einen Fünftel der Energie, die beim Abbau aus der Mine gebraucht wird. Doch noch gewichtiger dürfte ein anderer Aspekt sein: Der Kupferabbau gilt als besonders dreckig, giftig und gefährlich.
Er birgt massive Umweltrisiken, wie Daten des deutschen Umweltbundesamtes zeigen. In einem grossen Forschungsprojekt hat es 100 grosse Kupfer-, Bauxit- (Aluminiumerz) und Eisenerzminen auf ihr Umweltgefährdungspotenzial untersucht.
Bei der überwältigenden Mehrheit der 45 Kupferminen, die zusammen rund die Hälfte der globalen Produktion auf sich vereinen, stellte die Untersuchung ein «hohes Gefährdungspotenzial» fest. Besonders in den Bereichen «Voraussetzungen für saure Grubenwässer», «Entstehen von Schwermetallen», «Einsatz von Hilfsstoffen» (giftige Lösungsmittel) und «Bergbauabfälle».
Dass der Kupferabbau verheerende Folgen haben kann, zeigt etwa das Beispiel der Mine Antapaccay in Peru. Sie ist im Besitz des Schweizer Rohstoffriesen Glencore. Berichte der peruanischen Behörden zeigten jüngst ein erschreckendes Ausmass der Verschmutzung: In den Böden, in Pflanzen und Tieren, in der Luft und im Wasser stellten sie erhöhte Werte an Schwermetallen und Schadstoffen fest. Viele Menschen, die in der Region leben, schildern häufige schwere Krankheitsfälle wie Krebs, Lungenschäden oder Blutarmut.
Wie die «Financial Times» berichtet, wurden jüngst mehrere peruanische Minen aufgrund öffentlicher Proteste geschlossen oder der Abbau verlangsamt. Auch Cobre Panama, eine der grössten und neusten Kupferminen der Welt, musste Ende 2023 aus Umweltgründen dichtmachen.
Es ist ein grosses Dilemma, das bleiben wird: Die Technologien der Energiewende sollten unseren Verbrauch grüner machen. Doch der Abbau der Rohstoffe, die dafür in rauen Mengen nötig sind, ist oft alles andere als grün.